Gesammelte Werke. Isolde Kurz
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Isolde Kurz

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962812515

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      Nicht min­de­re Lan­ge­wei­le als drau­ßen im Feld­la­ger herrsch­te drin­nen in der Stadt, weil mit der männ­li­chen Ju­gend von Pisa al­les fehl­te, was Be­we­gung in die Stra­ßen und in die Ge­mü­ter der Be­woh­ner brach­te. Am meis­ten lang­weil­ten sich die schö­nen Pi­sa­ne­rin­nen, die we­nig Reiz da­bei fan­den, ihre Wohl­ge­stalt und Klei­der­pracht vor den in der Stadt zu­rück­ge­blie­be­nen Grau­bär­ten zur Schau zu stel­len. Sie er­stie­gen alle Tür­me, von de­nen sie einen Aus­blick auf das Ge­wim­mel des La­gers er­ha­schen konn­ten, und er­mit­tel­ten bald den Weg, sich ih­ren Be­schüt­zern zu zei­gen. Der Kom­man­dant oder Platz­haupt­mann von Pisa hat­te zwar mit dem vor den To­ren ver­ein­bart, dass kei­ner­lei Ver­kehr zwi­schen Stadt und La­ger sich ent­spin­nen dür­fe, um nicht den Wolf in die Hür­de der Scha­fe zu lo­cken. Aber er war kein Ei­sen­kopf wie der an­de­re, son­dern ein wohl­wol­len­der al­ter Mann, der ger­ne der Ju­gend ein biss­chen Freu­de gönn­te und sich auch da­mit ab­fand, wenn sie ein­mal über die Strän­ge schlug. Nur durf­te er nicht ge­trun­ken ha­ben, denn als­dann kam ein krie­ge­ri­scher Geist über ihn, dass er den im La­ger drau­ßen an dra­ko­ni­scher Stren­ge noch über­bot, we­nigs­tens in Wor­ten. Sie sag­ten ihm nach, wenn er im über­eil­ten Zorn einen hen­ken las­se, so schnei­de er ihn, be­vor er aus­ge­zap­pelt habe, wie­der ab.

      Die­ser Wa­cke­re ver­stat­te­te den Pi­sa­ne­rin­nen nicht nur, dann und wann von den Wehr­gän­gen einen Blick auf das La­ger der Flo­ren­ti­ner zu wer­fen, son­dern auch, wenn sie über die sti­cki­ge Luft in den da­mals noch en­gen Stra­ßen klag­ten, sich in der Abend­küh­le auf dem Zwin­ger zwi­schen Mau­er und Stadt­gra­ben zu er­ho­len, wo­bei kei­ne Ge­fahr für die gu­ten Sit­ten zu be­fürch­ten war, denn die Fall­brücken wur­den nur ge­senkt, um die Land­leu­te, die ihre Vor­rä­te auf den Markt brach­ten, ein- und aus­zu­las­sen.

      Un­ter der Be­wa­chungs­mann­schaft be­fand sich ein jun­ger Mensch von heißem und ver­we­ge­nem Ge­blüt mit Na­men Za­no­bi, den es mehr als alle lüs­te­te, das Ver­bot sei­nes Feld­haupt­manns zu bre­chen, soll­te es auch das Le­ben kos­ten. Ihn zog aber kein schie­fer Bau, son­dern ein wun­der­ge­ra­der, näm­lich die Toch­ter des Kom­man­dan­ten selbst, die rei­zen­de Or­so­la, die er mit ih­ren Freun­din­nen auf dem Zwin­ger hat­te wan­deln se­hen. Als er bei ih­rem An­blick, wie von ei­nem Pfeil ge­trof­fen, die Hand aufs Herz press­te und einen bis über den Gra­ben hör­ba­ren Seuf­zer aus­schick­te, bra­chen zwar die Freun­din­nen in mäd­chen­haf­tes Ge­ki­cher aus, aber Or­so­la er­rö­te­te und ant­wor­te­te durch einen ra­schen Blick aus halb­ge­senk­ten Li­dern, der al­les eher als Miss­fal­len aus­drück­te, denn der Za­no­bi war ein schö­ner und wohl­ge­stal­te­ter Jüng­ling; und über den Gra­ben hin­weg, der eine An­nä­he­rung un­mög­lich mach­te, glaub­te sie ja ih­rer Ehre nichts zu ver­ge­ben. Doch aus die­ser Zu­falls­be­geg­nung schlug eine Flam­me auf, die schnell alle Hemm­nis­se über­sprang und die Er­grif­fe­nen für die Ge­fahr blind mach­te. Um sich den Spä­her­au­gen der Freun­din­nen zu ent­zie­hen, ver­mied Or­so­la fort­an den Spa­zier­gang au­ßer­halb der Mau­ern, er­stieg aber, weil ihr vä­ter­li­ches Haus in die Be­fes­ti­gung ein­ge­baut war, so oft wie nur mög­lich den Wehr­gang, um von dort nach dem Za­no­bi aus­zu­schau­en und sei­ne Au­gen­spra­che zu er­wi­dern. Von Tag zu Tag wur­de das Ver­lan­gen sich zu se­hen un­wi­der­steh­li­cher in den bei­den, und wenn sie sich sa­hen, so ver­wünsch­ten sie Mau­er und Gra­ben, die sie hin­der­ten zu­sam­men­zu­kom­men und sich Leib an Leib zu um­schlin­gen und an­ein­an­der­zu­pres­sen.

      Da die Pi­sa­ner vor Mal­lor­ca noch im­mer kein Glück hat­ten und ihre Ab­we­sen­heit sich noch Mon­de und Jah­re hin­zö­gern konn­te, sah es der Feld­haupt­mann nicht un­gern, dass sei­ne jun­gen Kriegs­leu­te, wenn sie nicht ge­ra­de durch Wa­che­ste­hen und Waf­fen­übun­gen in An­spruch ge­nom­men wa­ren, sich, so­weit dies im La­ger mög­lich, mit Küns­ten des Frie­dens ab­ga­ben, wie sie sie da­heim be­trie­ben. So hat­te er eine bes­se­re Ge­währ, dass sie nicht durch un­tä­ti­ges Le­ben auf mut­wil­li­ge Strei­che ge­rie­ten. Die Schus­ter ver­fer­tig­ten Schu­he, die Schnei­der bes­ser­ten Rö­cke aus, die Schlos­ser häm­mer­ten, die Holz­schnit­zer bas­tel­ten, dass die Gas­sen des La­gers de­nen ei­ner Stadt im Frie­den gli­chen, wo ja auch die Ge­schäf­te in frei­er Luft vor sich gin­gen. Der Za­no­bi, der ein kunst­rei­cher Gold­schmied war, ließ sich von Hau­se sei­nen Hand­werks­be­darf brin­gen, um dar­aus zum Schein al­ler­lei blin­ken­des Zier­werk her­zu­stel­len, das ihm die Ka­me­ra­den für ihre da­heim­ge­blie­be­nen Mäd­chen ab­kauf­ten, und dar­un­ter ein klei­nes Herz aus Gold mit ei­nem blut­ro­ten Ru­bin in der Mit­te, der leuch­te­te wie eine of­fe­ne Wun­de. Dies Schmuck­stück übergab er ei­nem Land­mann mit Na­men Sil­ve­stro, den er öf­ter durch das Stadt­tor ge­hen sah und den er sich durch al­ler­lei Ge­fäl­lig­kei­ten wil­lig zu ma­chen ge­wusst hat­te, da­mit er es ge­gen rei­che Be­loh­nung der Toch­ter des Platz­haupt­manns brin­ge und ihm dann be­rich­te, wie sie das Klein­od auf­ge­nom­men habe. Die Schö­ne emp­fing die Gabe mit Ent­zücken und sand­te dem Ge­ber einen gol­de­nen Ring zu­rück: wenn sie den an sei­nem Fin­ger er­bli­cke, so sol­le es ihr ein Zei­chen sein, dass sie sich als Braut und Bräu­ti­gam be­trach­ten und ein­an­der ewig und aus­schließ­lich an­ge­hö­ren woll­ten. Es ist über­flüs­sig zu sa­gen, dass noch in der­sel­ben Stun­de der Ring am Fin­ger des Za­no­bi blink­te und dass, so­bald er Ge­le­gen­heit fand sich dem Gra­ben zu nä­hern, der Schein von sei­ner auf­ge­ho­be­nen Hand in Or­so­las be­gie­rig war­ten­de Au­gen fiel.

      Wäre die Kunst des Le­sens und Schrei­bens da­mals schon ver­brei­te­ter ge­we­sen, so hät­ten jetzt die Lie­ben­den von ih­ren bei­der­sei­ti­gen Stand­orten un­be­ob­ach­tet mit­telst Pfeil­schüs­sen und Stein­wür­fen Brie­fe tau­schen und ohne frem­de Hil­fe eine Zu­sam­men­kunft ver­ab­re­den kön­nen. Aber lei­der wa­ren sie auch für die­se ge­fähr­li­che Ver­mitt­lung auf den Bo­ten­gän­ger an­ge­wie­sen und ga­ben sich da­mit ganz in sei­ne Hän­de. Der Platz­haupt­mann ver­wahr­te die Schlüs­sel der Stadt und pfleg­te sie des Nachts un­ter sein Kopf­kis­sen zu le­gen. Aus dem schwe­ren Schlüs­sel­bund lös­te Or­so­la einen klei­nen, stark ver­ros­te­ten ab und er­setz­te ihn durch einen an­de­ren von ähn­li­chem Aus­se­hen. Mit dem ent­wen­de­ten Schlüs­sel husch­te sie in tiefer Dun­kel­heit, als schon das gan­ze Haus mit Aus­nah­me ei­ner ein­ver­stan­de­nen Die­ne­rin schlief, durch die men­schen­lee­ren Wege zu ei­nem klei­nen Pfört­chen, das in Frie­dens­zei­ten un­be­wacht blieb, und öff­ne­te es mit dem sorg­lich ge­öl­ten Schlüs­sel. Drau­ßen war­te­te schon der Za­no­bi, der den Was­ser­gra­ben durch­schwom­men und sei­ne auf dem Kopf her­über­ge­brach­ten Klei­der schnell wie­der an­ge­legt hat­te, um in die Arme sei­ner Ge­lieb­ten zu ei­len. Die­se führ­te ihn zu­erst auf einen na­he­ge­le­ge­nen klei­nen Platz, wo eine ur­al­te mäch­ti­ge Ulme stand. Sie sag­te: Weil wir durch das stren­ge Kriegs­ge­setz ge­zwun­gen sind, uns in Fins­ter­nis und Ein­sam­keit ohne pries­ter­li­chen und el­ter­li­chen Se­gen zu ver­mäh­len, so bit­te ich Euch, mein ge­lieb­ter Freund, mit mir vor die­sen hei­li­gen Baum zu tre­ten und ihn zum Zeu­gen und Bür­gen zu neh­men, dass ich kei­ne schlech­te Dir­ne bin und Ihr kein ruch­lo­ser Ver­füh­rer, son­dern dass wir hier in sei­ner Ge­gen­wart eine recht­mä­ßi­ge und gott­ge­fäl­li­ge Ehe mit­ein­an­der schlie­ßen.

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