Gesammelte Werke. Isolde Kurz
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Isolde Kurz

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962812515

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СКАЧАТЬ wenn das Ge­schick es ge­wollt hät­te, dass ich die Eure wür­de, so wäre ich Euch mit Freu­den ge­folgt, wo­hin Ihr mich ge­führt hät­tet. So aber bit­te ich Euch, mich zu ver­ges­sen, denn ein ar­mes Weib ist des vie­len Blu­tes nicht wert, das um ih­ret­wil­len ge­flos­sen ist.

      Als der von Vico sie so re­den hör­te und das himm­li­sche An­ge­sicht so nahe vor sich und doch für im­mer sei­ner Sehn­sucht ver­lo­ren sah, da fass­te ihn der Verzweif­lungs­schmerz mit sol­cher Wut, dass er, hin­ter sich nach sei­nem Bo­gen grei­fend, sag­te:

      Ga­lia­na, wer dich ge­kannt hat und ge­hofft, dich zu be­sit­zen, der kann dich eher tot als in den Ar­men ei­nes an­dern wis­sen.

      Dies sa­gend schnell­te er, be­vor die Ge­wapp­ne­ten da­zwi­schen­tre­ten konn­ten, einen sei­ner nie ver­sa­gen­den Pfei­le auf die Brust der Ge­lieb­ten ab. Die Ga­lia­na sank zu Tod ge­trof­fen in die Arme ih­rer Wäch­ter. Sie rich­te­te einen bre­chen­den Blick auf ih­ren Mör­der, und die­ser sah noch je­nes un­sag­ba­re Lä­cheln, mit dem der Gott der Lie­be selbst beim ers­ten Aug-in-Auge-schau­en sei­ne Sin­ne für im­mer um­strickt hat­te, sich über das gan­ze An­ge­sicht der Ster­ben­den ver­brei­ten. Auch als ihr Herz nicht mehr schlug, blieb noch das zau­ber­haf­te Lä­cheln ste­hen, das einen im­mer tiefe­ren und ge­heim­nis­vol­le­ren Sinn ge­wann, als ob erst im Ver­schei­den ihre See­le sich aus der frü­hen künst­li­chen For­mung ge­löst und ihr wah­res Füh­len zu be­ken­nen ge­wagt habe. Es schi­en, als woll­te sie sa­gen, dass der To­des­schuss des Frev­lers ihr sü­ßer ge­we­sen sei als die Umar­mun­gen ih­res zärt­li­chen Gat­ten. Auch bei de­nen, die nicht in ih­rem Lä­cheln le­sen konn­ten, blieb doch der Ein­druck haf­ten, dass die tote Ga­lia­na die le­ben­de noch weit an Schön­heit über­strahlt habe. Die Stadt Vi­ter­bo, die so jäh­lings ihre schöns­te Blu­me hin­wel­ken sah, be­schloss der Ga­lia­na ein fei­er­li­ches Ehren­grab zu stif­ten. Man leg­te sie in den kost­ba­ren, aus dem Al­ter­tum stam­men­den Sar­ko­phag und stell­te die­sen in Man­nes­hö­he, so wie du ihn ge­se­hen hast, an der Au­ßen­sei­te der Kir­che Sant’ An­ge­lo auf, da­mit die Son­ne noch im­mer das Be­hält­nis, das sie um­schließt, be­schei­nen kön­ne, denn eine so edle Ge­stalt soll­te nicht in der dunklen Erde mo­dern.

      Wie sich der von Vico nach sei­ner Tat mit dem Le­ben ab­ge­fun­den hat, möch­test du wis­sen. Ich kann es dir nicht sa­gen, mei­ne Kennt­nis der Din­ge ist an den Bann­kreis mei­ner Stadt ge­bun­den. Im üb­ri­gen habe ich dei­ne Wiß­be­gier ge­stillt. Was du von dem Er­zähl­ten glau­ben willst, was nicht, ist dei­ne Sa­che. An der Be­reit­schaft, eine schö­ne Mär für wah­rer zu hal­ten als eine be­zeug­te tro­ckene Tat­sa­che, un­ter­schei­det man die See­len­fä­hig­kei­ten der Men­schen.

      So schloss der Ge­ni­us von Vi­ter­bo sei­ne Rede.

      Die­ses Er­leb­nis, von dem Wan­de­rer sei­ner­zeit un­mit­tel­bar dem Rei­se­ta­ge­buch in Stich­wor­ten an­ver­traut, trat beim An­blick des Tep­pichs mit al­len Ein­zel­hei­ten aus den Win­keln sei­ner Erin­ne­rung her­vor. Ge­wiss war er un­ter Le­ben­den der ein­zi­ge, der die Ge­schich­te der Ga­lia­na aus der si­chers­ten Quel­le kann­te, viel­leicht hat­te nicht ein­mal der Samm­ler der Tep­pi­che ge­wusst, wen das Mäd­chen auf der Mau­er un­ter den krie­ge­ri­schen An­stal­ten vor­stell­te. Die­se Er­fah­rung stärk­te ihm den Glau­ben, dass er auch das Ge­heim­nis des nächs­ten Tep­pichs er­grün­den wür­de. Hier be­durf­te es kei­nes Stadt­wap­pens. Nie­mand konn­te beim An­blick des schie­fen Turms, der zwei­far­bi­gen Dom­fassa­de, des run­den, eben­so ze­bra­haft ge­streif­ten Bap­tis­te­ri­ums und des lang­ge­streck­ten Recht­ecks des Cam­po­san­to zwei­feln, dass er in Pisa war. Auch hier ist au­ßen­seits der Stadt­mau­er ein La­ger mit vie­len Zel­ten auf­ge­schla­gen, doch han­delt sich’s of­fen­bar um kei­ne Be­la­ge­rung, denn die jun­ge Mann­schaft übt sich mehr zum Glimpf als zum Ernst im Waf­fen­spiel. In­seits der Stadt herrscht Frie­de, die Wacht­pos­ten schlum­mern auf den Wehr­gän­gen, die Stra­ßen, in de­ren Ach­sen man bli­cken kann, lie­gen leer. Au­gen­schein­lich hat der treu­her­zi­ge Zeich­ner ver­ges­sen, dass au­ßen Ta­ges­werk vor­ge­nom­men wird, wäh­rend Pisa im schwa­chen Licht ei­nes ab­neh­me­nen Mon­des schläft. Nie­mand wacht in der Stadt als das jun­ge Paar, das un­ter den weit­ge­brei­te­ten Äs­ten ei­nes Rie­sen­bau­mes sich ernst und in­nig bei den Hän­den hält. Auch ein Re­bus, nicht auf den ers­ten Blick zu deu­ten. Aber die Lö­sung kommt dem for­schen­den Auge aus den Gas­sen des La­gers. Da steht an er­höh­ter Stel­le vor ei­nem of­fe­nen großen Zelt ein auf­ge­schmück­ter Fah­nen­wa­gen, dem zwei wei­ße, mit Schar­lach­tü­chern be­han­ge­ne Och­sen vor­ge­spannt sind: der be­rühm­te Car­roc­cio, der Kriegs­wa­gen der flo­ren­ti­ni­schen Re­pu­blik, an dem Ban­ner mit der ro­ten Li­lie auf weißem Fel­de kennt­lich. Und da­hin­ter hö­her noch als schau­ri­ges Wahr­zei­chen stren­ger Kriegs­zucht ein Gal­gen. Bei die­ser Ent­de­ckung tritt dem Be­schau­er au­gen­blicks eine alte Über­lie­fe­rung vor die See­le, die ihn stets be­son­ders er­grif­fen hat.

      Einst­mals vor grau­en Jah­ren – so raunt es zwi­schen Ge­schich­te und Sage, de­ren Lücken die Fan­ta­sie er­gänzt – fuh­ren die Pi­sa­ner mit star­ker Schiffs­macht gen Mal­lor­ca, um die auf die­ser In­sel woh­nen­den see­räu­be­ri­schen Sa­ra­ze­nen, die ih­nen Fahr­zeu­ge weg­ge­ka­pert und ih­rem Han­del Scha­den ge­tan hat­ten, zu über­wäl­ti­gen. Aus Be­sorg­nis, dass die Luc­che­sen, mit de­nen sie in Feh­de la­gen, die Ge­le­gen­heit wahr­neh­men möch­ten, über ihre von streit­ba­ren Män­nern ent­blö­ßte Stadt her­zu­fal­len, ver­trau­ten sie den ver­bün­de­ten Flo­ren­ti­nern die Über­wa­chung ih­rer Mau­ern an. Die Flo­ren­ti­ner wa­ren, wie uns ihre Chro­nis­ten mel­den, da­mals die Red­lich­keit und Bun­de­streue selbst, und als sie dem Wunsch der Pi­sa­ner statt­ga­ben, be­schlos­sen sie, ein strah­len­des Bei­spiel die­ser Tu­gen­den auf­zu­stel­len. Sie zo­gen also mit großem Auf­ge­bot an Man­nen und Ros­sen her­an, lehn­ten es je­doch ab, Quar­tie­re in der Stadt zu be­zie­hen, son­dern schlu­gen in der wei­ten Ebe­ne ein La­ger auf mit vie­len Zel­ten und strah­len­för­mi­gen Gas­sen da­zwi­schen, in der Mit­te das Zelt des An­füh­rers, auf dem das Ban­ner mit der Li­lie weh­te. Da­nach um­stell­ten sie die Mau­ern der Stadt von der Land­sei­te, denn Pisa lag da­mals noch am Mee­re, mit star­ker Be­wa­chung, die sie vor den To­ren noch ver­stärk­ten, und der Feld­haupt­mann, ein in Waf­fen er­grau­ter ei­sen­har­ter Krie­ger, hielt eine An­spra­che, worin er sei­nen Leu­ten auf das strengs­te ver­bot, die Stadt Pisa auch nur mit ei­nem Fuße zu be­tre­ten. Wenn ei­ner den­noch in­ner­halb der Mau­ern oder auch nur beim Ver­such sich ein­zu­schwär­zen er­grif­fen wür­de, so soll­te er am Hal­se ge­henkt zwi­schen Him­mel und Erde sei­nen Fre­vel bü­ßen. Da­rum dass die heim­keh­ren­den Pi­sa­ner ge­wahr wür­den, wie hei­lig den Flo­ren­ti­nern ihre Habe und die Ehre der Pi­sa­ne­rin­nen ge­we­sen, und dass sie es ver­stan­den hat­ten, die an­ver­trau­te Stadt nicht nur ge­gen Fein­des­ge­walt, son­dern eben­so ge­gen den Mut­wil­len der Be­schüt­zer zu schüt­zen. Die­se War­nung ver­brei­te­te bei der be­kann­ten un­er­bitt­li­chen Här­te des Feld­haupt­manns einen heil­sa­men Schre­cken un­ter der jun­gen Mann­schaft, denn vie­le wa­ren nur aus Aben­teu­er­lust und Be­gier nach dem Neu­en zu den Fah­nen ge­lau­fen. СКАЧАТЬ