Название: Gesammelte Werke
Автор: Isolde Kurz
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962812515
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Aber schickt mich an den alten Malatesta, sagte er, und lasst mich die Heirat einleiten, ich stehe Euch dafür, wenn Ihr nur irgend den Anordnungen, die ich zu treffen denke, entgegenkommt, so wird Madonna Francesca willigen Herzens die Hochzeitsreise antreten, vorausgesetzt, dass ihr der Krüppel nicht vorzeitig vor Augen kommt, denn sie darf nicht wissen, wen sie freit.
Der Polenta schüttelte zweifelnd den Kopf, denn er sah noch nicht, wo der andere hinauswollte. Als dieser aber auf Messer Paolo hinwies, den er als Blendwerk vorzuschieben gedachte, da ging ihm ein Licht auf. Der schöne Paolo, mit dem die Weiber närrisch waren! Ja, wenn der eine Rolle in dem Stück übernahm, dann konnte das Spiel gelingen.
Und nun karteten die beiden Grauköpfe einen Plan miteinander ab, der in Rimini mit Eifer aufgegriffen wurde und von dessen teuflischer Verworfenheit keine der beiden vertragschließenden Parteien sich Rechenschaft gab.
Nur wenige Wochen später zog Paolo Malatesta mit einer Schar ansehnlicher Jünglinge, alle köstlich gekleidet und wohl beritten, er selbst als der Glänzendste unter ihnen, im Schloss von Ravenna ein. Der Ruf, dass er als Freier um Francescas Hand komme, war ihm schon vorangeeilt. Diese spielte eben auf ihrer Laute, als eines der jungen Ehrenfräulein hereintrat und sie an einen Spalt des Fensters rief:
Madonna, seht her – der ist es, der Euer Gatte sein soll, – denn sie kannte Herrn Paolo, der ihr einmal bei einem Turnier gezeigt worden war, von Ansehen.
Der Ankömmling hatte schon die erste Zugbrücke hinter sich und wollte über die zweite in den Innenhof reiten, als sein schönes Tier plötzlich stutzte und nicht weiter wollte. Da war es ein ungemein gewinnendes Bild, den schönen jungen Reiter zu sehen, wie er lächelnd und sicher auf dem erregten Tier saß, als ob sie beide ein Leib wären, und ohne die Sporen anzulegen oder irgendeine andere Gewalt zu brauchen, nur mit der Überlegenheit des menschlichen Willens die Unvernunft des Tieres überwand, dass es zwar noch bebend aber besiegt die gescheute Brücke überschritt und in anmutigster Gangart den Hofraum durchtänzelte, wo ein lauter Beifallsruf den gewandten Reiter empfing. Aber ach, Paolo hatte mit dem Widerstand seines Tieres mehr überwunden als ihm gut war, er ahnte nicht, dass an dieser Stelle sein Schutzgeist ihm noch einmal abgewinkt hatte, bevor er den ersten Schritt in sein Verhängnis tat.
Francesca stand an ihrem Guckloch – es wäre für die Geworbene nicht ziemlich gewesen, sich am Fenster zu zeigen – und nahm jede Bewegung des Reiters wahr; in ihren entzückten Sinnen sollte dieses Bild für immer haften. Ihr Herz ging in Sprüngen. Da war kein Blutstropfen in ihr, der nicht aufwallte im Glück und Stolz, einen so schönen und edlen Gatten ihr eigen zu nennen.
Madonna Gualanda teilte ihren Jubel. Sie gehörte zu jener Gattung von Müttern, die sich in den Freier der Tochter mitverlieben. Das Verdienst, das sie sich selber im stillen am Zustandekommen der Werbung beimaß, ließ ihr den vermeintlichen Schwiegersohn noch hinreißender erscheinen; sie fand kein Ende, zu Francesca von seiner Schönheit und seinem adligen Anstand zu sprechen, obgleich er auch ihr nur flüchtig vorgestellt worden war, denn Heiratsverhandlungen waren Sache der Männer. Es wurde ein in hinterhältigen Worten abgefasster Ehevertrag unterschrieben, woraus zwar deutlich die Höhe der von den Polenta zu zahlenden Mitgift auf der einen Seite, auf der anderen der Umfang der auf die Malatesta treffenden Verpflichtungen angegeben war, die Persönlichkeit des Bräutigams aber so wenig hervortrat, dass bei undeutlichem Vorlesen des Schriftstücks weder die liebeselige Braut noch die im gleichen Blendwerk versponnene Mutter den geringsten Verdacht schöpfte. So kam der Tag, wo Francesca im Kreis ihrer Angehörigen, von den Vornehmsten der zwei Höfe umstanden, herrlich geschmückt und blendend schön, den Ring aus Paolos Hand empfing und der Priester den Bund segnete, wobei die lateinische Trauformel als ein unverstandener Schall an Francescas verzauberten Ohren vorüberging. Was kümmerte sie’s, dass statt der anmutigen Jugendschar, die zuerst Herrn Paolo auf seinem Werberitt gefolgt war, jetzt das ernstere Geleite des Bräutigams fast durchweg einen Höcker am Leibe trug, wenn dieser selbst schlank und schön wie der ritterliche Erzengel neben ihr stand. Ihr Herz und ihre Sinne taten einen so tiefen Zug aus dem Taumelkelch der Liebe, dass für sie nichts auf Erden übrig war als der herrliche Jüngling aus Rimini. Sogar der Abschied von ihren Lieben vollzog sich ihr wie im Traume.
Danach setzte sich der Brautzug mit den zwei glänzenden Gestalten Francesca und Paolo in der Mitte gen Rimini in Bewegung. Das Volk stand grüßend und jubelnd zu beiden Seiten der Straße: kein schöneres Paar war je gesehen worden, und unzählige Segenswünsche ergossen sich über ihre Häupter, vor allem die immer wiederholte landesübliche Formel: Tausend Jahre Glückseligkeit und männliche Sprossen!
So zogen sie hin im Glanz eines strahlenden Frühlingshimmels, gepriesen und beneidet von ganz Ravenna. Die Männer rühmten die Schönheit Francescas und die Frauen ihr Glück, einen solchen Gatten gefunden zu haben und so jung und selig an seiner Seite hinzureiten.
Auf der Grenzscheide zwischen ihrer alten und ihrer neuen Heimat kam ihr ein Zug weißgekleideter Mädchen entgegen, die der künftigen Herrin Blumen und Früchte des Landes darbrachten, in den Ortschaften, die sie durchritten, wurden die Glocken geläutet, die Hufe ihres Zelters gingen über lauter frischgeschnittene Zweige hin. Als der Mittag hochstieg, erreichten sie eine von Silberpappeln beschattete grüne Wiese, die ein Bächlein durchströmte, um sich ins nahe Meer zu ergießen. Dort war von Dienern des Hauses Malatesta ein Prunkzelt aufgeschlagen mit vielen lustigen Wimpeln, die im Seewind flatterten, und mit Tischen, die sich von der Last eines ausgesuchten Mahles bogen. Dort lenkte der Hochzeitszug ein, Herr Paolo hob die Braut vom Pferde und führte sie, wie es der Brauch verlangte, an den Fingerspitzen zum Ehrensitz, aber statt, wie sie СКАЧАТЬ