Название: Gesammelte Werke
Автор: Isolde Kurz
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962812515
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Im Hause Da Polenta wuchs neben einem noch minderjährigen Knaben nur eine Tochter, Francesca, ein Mädchen von überstrahlender Schönheit heran. Von jeher hatten die Töchter der Polenta für schön gegolten, aber diese war von dem Stoff, aus dem man Königinnen macht. Landauf, landab nannte man sie den Stern von Ravenna, und es war ein allgemeines Fragen und Raunen, wem wohl der alte Polenta dieses unschätzbare Kleinod zugedacht habe. Eines Tages kam ein landfahrender Gaukler und Quacksalber an den Hof, der sich durch Schönheitswasser und wohlriechende Salben den Frauen empfahl und die Männer durch an fremden Höfen aufgelesene Geschichten und Anekdoten angenehm und lehrreich zu unterhalten wusste. Denn in einem Jahrhundert, wo es noch keine Zeitungen gab und wo auch noch keine Bücher durch den Druck verbreitet wurden, war ein solcher freiwilliger Nachrichtendienst für alle, die mit öffentlichen Angelegenheiten zu tun hatten, ein nicht hoch genug anzuschlagender Vorteil. Der Herrin des Hauses erzählte er von den jüngsten Verlobungen und bemerkte einmal bei solcher Gelegenheit:
Es wird Euch schwer fallen, edle Frau, für Eure Tochter einen Gatten ausfindig zu machen, der ihr an Wert und Schönheit ebenbürtig sei. Es wäre denn, Euer hoher Gemahl entschlösse sich, unter das Vergangene einen Strich zu machen und Madonna Francesca dem Sohn und Nachfolger Eures großen Widersachers in Rimini zu geben, den man was Schönheit, edlen Anstand und jede fürstliche Tugend anlangt, ein ebensolches Wunder nennen kann wie Madonna Francesca. Könnten diese beiden sich verbinden, so würde die Sonne das Vollkommenste beisammen sehen, was ihr auf ihrem Lauf in Hunderten von Jahren begegnen könnte.
Der Fahrende hatte in den wenigen Tagen, die er ehedem einmal in Rimini verbrachte, nur den Zweitgeborenen des alten Malatesta gesehen und ihn, dem die jüngere höfische Jugend feurige Gefolgschaft leistete, für den Erben und künftigen Gebieter gehalten, während Gianciotto, seiner düsteren und traurigen Gemütsart entsprechend, die Zeit beim Weidwerk verbrachte. Die Herrin von Ravenna wusste über die Familienverhältnisse der Malatesta nicht Bescheid, und die Vorstellung, dass jener schöne und liebenswerte Jüngling mit Namen Paolo der Erbe dieser großen Herrschaft sei, begann in ihrer Einbildung zu arbeiten und ihr das schönste Paar auf dem Herrschersitz von Rimini zu zeigen, nachdem durch ein glückliches Familienband aller Not ein Ende gemacht und ein fester Friede zwischen den zwei streitenden Herrscherhäusern hergestellt wäre.
Als ihr zum ersten Mal ihrem Gatten gegenüber ein Wort in dieser Hinsicht entfuhr, sah er sie an, ob sie wohl irre rede, denn dass bei einer fürstlichen Gattenwahl die Schönheit des Tochtermannes in Betracht kommen könne, war ein Gedanke, wie er außer von dem Hirn eines Gauklers nur von dem einer Frau gefasst werden konnte. Dennoch war an dem Vorschlag ein guter Kern, der sich vielleicht nutzen ließ, nur brauchte die Frau das vorerst nicht zu wissen, denn wenn ein Weiberkopf einen guten Gedanken ausheckt, ist es immer besser, ihn zunächst nicht gelten zu lassen, damit sie nicht eingebildet wird, – so dachte der Herr von Ravenna. Messer Guido wusste sehr genau, wo der Rechnungsfehler seiner Gattin lag und dass nicht der strahlende, von allen geliebte Paolo, sondern ein menschenfeindlicher Krüppel der Nachfolger des alten Malatesta war. Nur um diesen aber konnte sich’s bei einer politischen Heirat handeln, weil allein der künftige Herrscher als Eidam einen sicheren Frieden und Hilfeleistung in allen Fährnissen verbürgte. Diese Erwägung behielt er jedoch für sich, denn Messer Guido gehörte zu jenen ganz hinterhältigen Naturen, die der Wahrheit auch da aus dem Wege gehen, wo sich noch gar nicht absehen lässt, was etwa die Heimlichkeit für Vorteile bringen könnte.
Nun fügte es der Zufall, der bisweilen wie planmäßig eine zu stiftende Verknüpfung, sei sie gut oder böse, an zwei entlegenen Enden gleichzeitig in Angriff nimmt, dass ein wohlgesinnter Nachbarfürst, beiden kriegführenden Häusern befreundet aber keinem pflichtig, bei einem Besuch in Rimini ganz absichtslos der herrlichen Tochter des Polenta gedachte. Gianciotto horchte hoch auf; er war unbeweibt und hatte gedacht, es zu bleiben. Denn er traute keiner Frau zu, einem Krüppel wie ihm das Ehegelübde zu halten, und die bloße Vorstellung, einmal einen unerwünschten Kopfschmuck tragen zu müssen, brachte sein Blut ins Sieden, dass er zum Weiberhasser wurde, bevor er noch Gelegenheit hatte, die gefürchtete Erfahrung zu machen. Als er einen so reifen und erfahrenen Menschenkenner die Tochter des Todfeindes als das Wunder ihres Geschlechtes preisen hörte, stockte ihm mit Eins der Atem, er verfärbte sich und musste das Wams lockern, damit nicht das plötzlich aufgestürmte Blut seine verwachsene Brust sprenge. Denn mit unwiderstehlicher Gewalt durchflutete ihn das Verlangen, dieses Juwel der Polenta sein zu nennen, wobei er der selbstbetrügerischen Einflüsterung unterlag, gerade ein so stolzes und hochsinniges Mädchen wie diese Francesca СКАЧАТЬ