Gesammelte Werke. Isolde Kurz
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - Isolde Kurz страница 118

Название: Gesammelte Werke

Автор: Isolde Kurz

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962812515

isbn:

СКАЧАТЬ Al­lein die­ser Un­glück­li­che war von der Na­tur durch einen Bu­ckel und eine lah­me Hüf­te ge­zeich­net, und der Un­mut über die­se Miss­ge­stalt mach­te sein von Hau­se aus düs­te­res und ab­sto­ßen­des Ge­sicht noch häss­li­cher. Er hieß Gi­an­ni, aber mit der Mit­leids­lo­sig­keit frü­he­rer Jahr­hun­der­te nann­ten sie ihn im gan­zen Land und nicht min­der in der ei­ge­nen Fa­mi­lie nur den Gian­ciot­to, was in dor­ti­ger Re­de­wei­se so viel wie der »Hin­ke­h­ans« be­deu­te­te. Das Volk zit­ter­te vor dem Au­gen­blick, wo der alte, seit län­ge­rer Zeit krän­keln­de Mala­tes­ta, der auch kein En­gel war, aber doch we­nigs­tens kein Un­recht der Na­tur an den Glück­li­che­ren zu rä­chen hat­te, die Au­gen schlie­ßen wür­de, denn Gian­ciot­to hat­te das Zeug zum Ty­ran­nen. Wer von den Her­ren des Ho­fes sich bei dem künf­ti­gen Herr­scher ein­schmei­cheln und sei­ne Bit­ter­keit in et­was mil­dern woll­te, der ließ sich vom Schnei­der eine Schul­ter hö­her wat­tie­ren als die an­de­re, da­mit der un­glück­li­che Thron­er­be nicht als der ein­zi­ge so Ent­stell­te er­schie­ne. Dies hin­der­te nicht, dass ihm die ad­li­ge Schön­heit sei­nes jün­ge­ren Bru­ders Pao­lo grim­mig am Her­zen fraß, der zu sei­nem völ­li­gen Wi­der­spiel ge­schaf­fen war. Denn die­ser brauch­te sich nur zu zei­gen, so war ihm je­des Herz ge­wo­gen, eine sorg­lo­se Freu­de ging von ihm aus, die alle gern in sei­ner Nähe wei­len ließ und die sei­nem blo­ßen He­r­ein­tre­ten schon et­was Fest­li­ches gab. Da sol­chen Schoß­kin­dern der Na­tur al­les wie von selbst zu ge­lin­gen pflegt, schick­te ihn der Va­ter trotz sei­ner Ju­gend gern auf schwie­ri­ge Ge­sandt­schaf­ten, wo des Jüng­lings ein­schmei­cheln­de Per­sön­lich­keit mehr zu er­rei­chen pfleg­te als die ge­lehr­te und spitz­fin­di­ge Re­de­kunst sei­ner staats­kun­di­gen Be­ra­ter. Da­mit ent­fern­te er ihn zu­gleich aus dem Bann­kreis von Miss­gunst und Arg­wohn, den die un­se­li­ge An­la­ge des Äl­te­ren um die Glücks­na­tur des Jün­ge­ren zog.

      Im Hau­se Da Po­len­ta wuchs ne­ben ei­nem noch min­der­jäh­ri­gen Kna­ben nur eine Toch­ter, Fran­ces­ca, ein Mäd­chen von über­strah­len­der Schön­heit her­an. Von je­her hat­ten die Töch­ter der Po­len­ta für schön ge­gol­ten, aber die­se war von dem Stoff, aus dem man Kö­ni­gin­nen macht. Land­auf, land­ab nann­te man sie den Stern von Ra­ven­na, und es war ein all­ge­mei­nes Fra­gen und Rau­nen, wem wohl der alte Po­len­ta die­ses un­schätz­ba­re Klein­od zu­ge­dacht habe. Ei­nes Ta­ges kam ein land­fah­ren­der Gauk­ler und Quack­sal­ber an den Hof, der sich durch Schön­heits­was­ser und wohl­rie­chen­de Sal­ben den Frau­en emp­fahl und die Män­ner durch an frem­den Hö­fen auf­ge­le­se­ne Ge­schich­ten und An­ek­do­ten an­ge­nehm und lehr­reich zu un­ter­hal­ten wuss­te. Denn in ei­nem Jahr­hun­dert, wo es noch kei­ne Zei­tun­gen gab und wo auch noch kei­ne Bü­cher durch den Druck ver­brei­tet wur­den, war ein sol­cher frei­wil­li­ger Nach­rich­ten­dienst für alle, die mit öf­fent­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten zu tun hat­ten, ein nicht hoch ge­nug an­zu­schla­gen­der Vor­teil. Der Her­rin des Hau­ses er­zähl­te er von den jüngs­ten Ver­lo­bun­gen und be­merk­te ein­mal bei sol­cher Ge­le­gen­heit:

      Es wird Euch schwer fal­len, edle Frau, für Eure Toch­ter einen Gat­ten aus­fin­dig zu ma­chen, der ihr an Wert und Schön­heit eben­bür­tig sei. Es wäre denn, Euer ho­her Ge­mahl ent­sch­lös­se sich, un­ter das Ver­gan­ge­ne einen Strich zu ma­chen und Ma­don­na Fran­ces­ca dem Sohn und Nach­fol­ger Eu­res großen Wi­der­sa­chers in Ri­mi­ni zu ge­ben, den man was Schön­heit, ed­len An­stand und jede fürst­li­che Tu­gend an­langt, ein eben­sol­ches Wun­der nen­nen kann wie Ma­don­na Fran­ces­ca. Könn­ten die­se bei­den sich ver­bin­den, so wür­de die Son­ne das Voll­kom­mens­te bei­sam­men se­hen, was ihr auf ih­rem Lauf in Hun­der­ten von Jah­ren be­geg­nen könn­te.

      Der Fah­ren­de hat­te in den we­ni­gen Ta­gen, die er ehe­dem ein­mal in Ri­mi­ni ver­brach­te, nur den Zweit­ge­bo­re­nen des al­ten Mala­tes­ta ge­se­hen und ihn, dem die jün­ge­re hö­fi­sche Ju­gend feu­ri­ge Ge­folg­schaft leis­te­te, für den Er­ben und künf­ti­gen Ge­bie­ter ge­hal­ten, wäh­rend Gian­ciot­to, sei­ner düs­te­ren und trau­ri­gen Ge­müts­art ent­spre­chend, die Zeit beim Weid­werk ver­brach­te. Die Her­rin von Ra­ven­na wuss­te über die Fa­mi­li­en­ver­hält­nis­se der Mala­tes­ta nicht Be­scheid, und die Vor­stel­lung, dass je­ner schö­ne und lie­bens­wer­te Jüng­ling mit Na­men Pao­lo der Erbe die­ser großen Herr­schaft sei, be­gann in ih­rer Ein­bil­dung zu ar­bei­ten und ihr das schöns­te Paar auf dem Herr­scher­sitz von Ri­mi­ni zu zei­gen, nach­dem durch ein glück­li­ches Fa­mi­li­en­band al­ler Not ein Ende ge­macht und ein fes­ter Frie­de zwi­schen den zwei strei­ten­den Herr­scher­häu­sern her­ge­stellt wäre.

      Als ihr zum ers­ten Mal ih­rem Gat­ten ge­gen­über ein Wort in die­ser Hin­sicht ent­fuhr, sah er sie an, ob sie wohl irre rede, denn dass bei ei­ner fürst­li­chen Gat­ten­wahl die Schön­heit des Toch­ter­man­nes in Be­tracht kom­men kön­ne, war ein Ge­dan­ke, wie er au­ßer von dem Hirn ei­nes Gauk­lers nur von dem ei­ner Frau ge­fasst wer­den konn­te. Den­noch war an dem Vor­schlag ein gu­ter Kern, der sich viel­leicht nut­zen ließ, nur brauch­te die Frau das vor­erst nicht zu wis­sen, denn wenn ein Wei­ber­kopf einen gu­ten Ge­dan­ken aus­heckt, ist es im­mer bes­ser, ihn zu­nächst nicht gel­ten zu las­sen, da­mit sie nicht ein­ge­bil­det wird, – so dach­te der Herr von Ra­ven­na. Mes­ser Gui­do wuss­te sehr ge­nau, wo der Rech­nungs­feh­ler sei­ner Gat­tin lag und dass nicht der strah­len­de, von al­len ge­lieb­te Pao­lo, son­dern ein men­schen­feind­li­cher Krüp­pel der Nach­fol­ger des al­ten Mala­tes­ta war. Nur um die­sen aber konn­te sich’s bei ei­ner po­li­ti­schen Hei­rat han­deln, weil al­lein der künf­ti­ge Herr­scher als Ei­dam einen si­che­ren Frie­den und Hil­fe­leis­tung in al­len Fähr­nis­sen ver­bürg­te. Die­se Er­wä­gung be­hielt er je­doch für sich, denn Mes­ser Gui­do ge­hör­te zu je­nen ganz hin­ter­häl­ti­gen Na­tu­ren, die der Wahr­heit auch da aus dem Wege ge­hen, wo sich noch gar nicht ab­se­hen lässt, was etwa die Heim­lich­keit für Vor­tei­le brin­gen könn­te.

      Nun füg­te es der Zu­fall, der bis­wei­len wie plan­mä­ßig eine zu stif­ten­de Ver­knüp­fung, sei sie gut oder böse, an zwei ent­le­ge­nen En­den gleich­zei­tig in An­griff nimmt, dass ein wohl­ge­sinn­ter Nach­bar­fürst, bei­den krieg­füh­ren­den Häu­sern be­freun­det aber kei­nem pflich­tig, bei ei­nem Be­such in Ri­mi­ni ganz ab­sichts­los der herr­li­chen Toch­ter des Po­len­ta ge­dach­te. Gian­ciot­to horch­te hoch auf; er war un­be­weibt und hat­te ge­dacht, es zu blei­ben. Denn er trau­te kei­ner Frau zu, ei­nem Krüp­pel wie ihm das Ehe­ge­lüb­de zu hal­ten, und die blo­ße Vor­stel­lung, ein­mal einen un­er­wünsch­ten Kopf­schmuck tra­gen zu müs­sen, brach­te sein Blut ins Sie­den, dass er zum Wei­ber­has­ser wur­de, be­vor er noch Ge­le­gen­heit hat­te, die ge­fürch­te­te Er­fah­rung zu ma­chen. Als er einen so rei­fen und er­fah­re­nen Men­schen­ken­ner die Toch­ter des Tod­fein­des als das Wun­der ih­res Ge­schlech­tes prei­sen hör­te, stock­te ihm mit Eins der Atem, er ver­färb­te sich und muss­te das Wams lo­ckern, da­mit nicht das plötz­lich auf­ge­stürm­te Blut sei­ne ver­wach­se­ne Brust spren­ge. Denn mit un­wi­der­steh­li­cher Ge­walt durch­flu­te­te ihn das Ver­lan­gen, die­ses Ju­wel der Po­len­ta sein zu nen­nen, wo­bei er der selbst­be­trü­ge­ri­schen Ein­flüs­te­rung un­ter­lag, ge­ra­de ein so stol­zes und hoch­sin­ni­ges Mäd­chen wie die­se Fran­ces­ca СКАЧАТЬ