Название: Gesammelte Werke
Автор: Isolde Kurz
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962812515
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Nicht umsonst sagt das Sprichwort, dass üble Kräutlein nicht verderben. Auch von seinen schweren Wunden kam der schlimme Graf davon. Aber von seiner verbohrten höllischen Besessenheit ließ er auch nach dieser Lehre nicht ab. Seitdem er die Galiana vor sich auf dem Sattel gehabt und die Wärme ihres Körpers gegen den seinigen gespürt hatte, brannte die Begier nach ihrem Besitze noch viel stärker in seinem Blut, und was vielleicht bisher noch teilweise hoffärtiger Eigensinn gewesen war, das wurde jetzt zum ruhelosen Stachel einer ungestillten quälenden Leidenschaft. Doch hielt er sich zunächst ruhig, ließ seine Körperwunden ausheilen und einiges Gras über die missglückte Unternehmung wachsen.
Aber der Friede war nur ein scheinbarer. Weil der Verwegene den Kaiser, den er scheute, fern und in die deutschen Händel verwickelt wusste, sammelte er in aller Stille auf eigene Hand eine ansehnliche Streitmacht und sandte der Stadt Viterbo den Fehdebrief, worin er sie aufforderte, ihm entweder zur Einlösung des kaiserlichen Wortes wie auch zur Sühne der ihm beigebrachten Verwundungen die schöne Galiana herauszugeben oder auf einen Sturm gefasst zu sein, wie die Stadt noch keinen erlebt habe.
Die Unsrigen antworteten, sie seien nicht gewohnt, mit ihren Töchtern Kriegssteuer zu zahlen, und im übrigen sei die Galiana, wie er wohl wissen werde, längst ihrem vorbestimmten Gatten angetraut. Wenn der Herr von Vico gleichwohl seinen Heiratsantrag erneuern wolle, so möge er kommen und sich aus den Mäulern ihrer Geschütze die Antwort holen.
So begann die Belagerung.
Der Herr von Vico hatte bei dem Rotbart die Kriegskunst gelernt und war, wie alle wussten, kein träger Schüler gewesen. Er schloss die Stadt von allen Seiten ein und führte seltsame, noch nie gesehene Kriegsmaschinen gegen sie heran. Aus Wurfgeschützen schleuderte er so gewaltige Steine, dass sie beim Niederfallen zerbarsten und gleich drei oder vier Mann von den Verteidigern auf einmal niederstreckten. Die Unsren schützten ihre Mauern durch Säcke von Stroh und Flechtwerk aller Art, aber die Belagerer schossen Brandpfeile darein und setzten die brennbare Schutzwehr in Flammen. Den größten Schrecken erregte ein hoher fahrbarer Turm, den der von Vico anrollte, wo es ihm beliebte, und von dem aus er griechisches Feuer über die Mauern warf, das einen schnöden Geruch verbreitete und mit Wasser gar nicht zu löschen war. Und immer von neuem forderte er Viterbo auf, ihm seine Braut zu senden, wenn nur ein Stein der Stadt auf dem andern bleiben solle. Die Belagerten waren auch nicht auf den Kopf gefallen: sie löschten das unlöschbare Feuer durch Sand und Essig, aber als nun doch, bald da, bald dort, ein Haus zu brennen begann und auch die Lebensmittel in der eingeschlossenen Stadt knapper wurden, da erhoben sich Stimmen unter den Bürgern, die es tadelten, dass man die Freiwerbung des Kaisers abgewiesen und sich die Rache eines Übermächtigen zugezogen habe. Die Galiani und ihre Schwäger, die sich mehr vor der Schwachmütigkeit ihrer Mitbürger als vor dem Feinde fürchteten, erzwangen nun im Kriegsrate den Entschluss, die Not durch einen kühnen Ausfall zu endigen.
Man rückte aus, die Galiani mit Versippten und Anhang als die Nächstbetroffenen in der vordersten Reihe. Den ganzen Tag wurde mit Erbitterung gerungen. Allein die Städter, so tapfer sie fochten, konnten gegen die erprobten ehemaligen Soldaten des Rotbart unter ihrem kriegsgewaltigen Führer die Walstatt nicht behaupten. Als der Abend sank, sahen sie sich mit starken Verlusten in die Stadt zurückgedrängt und wenig fehlte, so wäre der Feind in eiliger Verfolgung miteingedrungen. Des andern Tages erneuerte sich der Kampf mit besserem Glück, denn jetzt versuchten sie die Kraft ihres zweitedelsten Kleinods, von dem der Chronist gesprochen hat, nämlich jenes tragbaren Altares, der wo man ihn aufstellte, den Waffen von Viterbo Sieg verlieh. Sie nahmen den Gottestisch mit in die Schlacht, und es fand sich auch ein frommer und hochgemuter Priester, der nicht zauderte, unter dem Hagel der Pfeile die heilige Messe zu lesen. Da wankten die Fähnlein des Herrn von Vico, und um die Mittagsstunde sah man das Belagerungsheer in voller Auflösung rückwärts fluten. Die von Viterbo waren nicht stark genug sie zu verfolgen, dagegen ergänzten sie ihre Mund- und Kriegsvorräte aus dem geplünderten Lager des Feindes und kehrten siegblasend in die Stadt zurück. Allein wie eine Bremse, die man wegscheucht, sofort wieder anschwirrt und aufs neue zu stechen sucht, so stand der Herr von Vico mit den wiedergesammelten Fähnlein schon in der nächsten Gottesfrühe abermals vor ihren Mauern. Wohl rückten die Städter wiederum mit ihrem Heiligtum hinaus, und es gelang ihnen, den Feind zum andern Male zurückzutreiben, jedoch der Priester wurde am Altar durch einen Pfeilschuss getötet, und sie vermochten auch diesmal ihren Sieg nicht durchzuführen, weil sie nur in Anlehnung an ihre Mauern kämpfen konnten, in freier Feldschlacht aber dem Gegner unterlegen waren. Durch viele Monde schwankte so das Glück, und es kam zu keiner Entscheidung, denn einerseits machte wohl der Besitz des wunderwirkenden Gottestisches die Stadt uneinnehmbar, andrerseits konnte sie sich aber auch des halsstarrigen Gegners nicht entledigen. Im Verlauf der Zeit begann endlich der von Vico einzusehen, dass auf diese Weise der Gegenstand des Kampfes alt und grau werden konnte, bevor es ihm gelang, die Stadt zu unterwerfen, und dass ihm somit keine Aussicht auf Erreichung seines Zieles blieb. Unterhändler gingen hin und her, und zum guten Ende wurde festgesetzt, dass der Herr von Vico unter beiderseitiger Tragung des erlittenen Kriegsschadens abziehen und gegen die Stadt Viterbo keinen Groll mehr hegen sollte, diese dagegen sich anheischig machte, ihm in Erfüllung seines heißen Herzenswunsches ein letztes Wiedersehen mit der Galiana zu verstatten, damit er von der schönsten Hoffnung seines Lebens Abschied nehmen könne. Um ihr Versprechen zu halten, legte die Stadt drei Zinnen der Mauer nieder, denn neben die Galiana musste rechts und links ein Gewappneter treten, damit nicht der Feind sie tückischerweise durch eine rasch angelegte Sturmleiter herunterhole. СКАЧАТЬ