Gesammelte Werke. Isolde Kurz
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Isolde Kurz

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962812515

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СКАЧАТЬ mit dem Feind? Ja, wel­che Stadt? Das wäre vor al­lem zu er­grün­den. Aber ist nicht da oben an der Rand­leis­te seit­lich ein Wap­pen­schild zu er­ken­nen? Ein Löwe ne­ben ei­nem Palm­baum. Das Wap­pen von Vi­ter­bo. Vi­ter­bo, der Stadt, die von je auf ihre schö­nen Frau­en wie auf ihre schmu­cken Brun­nen ge­pocht hat. Ja, nun weiß er plötz­lich, wen er vor sich hat: Ge­grüßt, schö­ne Ga­lia­na, Wun­der von Vi­ter­bo, um das vor­einst von die­sen Mau­ern her­ab ge­strit­ten wur­de wie von den Mau­ern Tro­jas um die Toch­ter der Leda. Je­der Be­su­cher Vi­ter­bos kennt dei­nen Na­men, je­dem hat man dei­nen Wohn­sitz und dein Grab ge­zeigt. Aber die­ser kun­di­ge Wan­ders­mann weiß mehr von dir als alle an­de­ren, er hat an Ort und Stel­le dei­nen hol­den Geist be­schwo­ren, als er ein­mal auf der Fahrt nach Rom in Vi­ter­bo ras­te­te und man ihm un­ter den an­de­ren stei­ner­nen Merk­wür­dig­kei­ten der ed­len Stadt je­nen ei­gen­ar­ti­gen Söl­ler zeig­te, der den Na­men bal­co­ne del­la bel­la Ga­lia­na führt. Vi­ter­bo hat die­ser so­ge­nann­ten Bal­ko­ne noch meh­re­re, ihre Be­son­der­heit ist, dass sie nicht aus der Palast­mau­er her­austre­ten, son­dern dem Haus auf selt­sam schie­fen Bo­gen vor­ge­la­gert und durch ein Tor ge­gen die seit­lich ge­le­ge­ne Freitrep­pe ab­ge­schlos­sen sind, also einen schüt­zen­den Vor­bau dar­stel­len. Als sich nun der Frem­de er­kun­dig­te, wer die­se Ga­lia­na ge­we­sen, von de­ren Schön­heit die Stei­ne noch heu­te re­den, da wies man ihn auf den Rat­haus­platz vor die Kir­che Sant’ An­ge­lo, wo ein an­ti­ker Mar­mor­sar­ko­phag an der äu­ße­ren Kir­chen­mau­er an­ge­bracht ist, und be­rich­te­te ihm, dass in die­sem Be­hält­nis die Ge­bei­ne der schö­nen Ga­lia­na ru­hen, um de­ren Be­sitz Vi­ter­bo in grau­er Vor­zeit einen grau­sam har­ten Kampf ge­gen rö­mi­schen Über­griff zu be­ste­hen hat­te. Mehr konn­te der Fra­ger nicht er­fah­ren. Aber sein un­still­ba­rer Durst nach wun­der­sa­men Ge­schich­ten aus frü­he­ren ein­fäl­ti­gen Ta­gen ließ ihm kei­ne Ruhe, dar­um ver­schaff­te er sich die Chro­nik von Vi­ter­bo, all­wo er ne­ben ei­nem lan­gen und lang­wei­li­gen Kla­ge­ge­sang auf den Tod der schö­nen Ga­lia­na so son­der­ba­re An­ga­ben über die­ses Schön­heits­wun­der und sei­ne Ge­schich­te fand, dass kein heu­ti­ger Mensch Un­schuld ge­nug auf­brin­gen kann um sie zu glau­ben. Also schüt­te­te er das Kind mit dem Bade aus und hielt die gan­ze Ga­lia­na für die Hirn­ge­burt ei­nes wahn­wit­zi­gen Schrei­bers.

      Als er je­doch den Stra­ßen­lärm hin­ter sich ließ und der al­ten Stadt­mau­er folg­te, wo sie sich mit Tür­men und Bas­tei­en tief un­ten im Grün des Ta­les halb ver­birgt, ge­sell­te sich ihm der Ge­ni­us loci, von dem sich man­ches er­fra­gen lässt, wor­über Le­ben­de und Tote Aus­kunft schul­dig blei­ben. Ihm er­zähl­te er die Mär von der schö­nen Ga­lia­na.

      Er woll­te nicht gleich mit der Spra­che her­aus, denn es hat­te ihn ver­dros­sen, dass der Lie­ben­de der Na­tur un­ter Ben­zin­ge­düf­te und Hu­pen­zei­chen in sei­ne mit­tel­al­ter­li­chen Stra­ßen ein­ge­fah­ren war, ob­wohl sei­ne ei­ge­nen Lands­leu­te ihn längst an sol­chen Ehr­furchts­man­gel ge­wohnt hat­ten. All­mäh­lich ließ er sich aber doch ge­win­nen und sag­te:

      Nein, die Ga­lia­na war kei­ne Fan­ta­sie­ge­burt, sie hat ge­lebt, sonst hät­ten nicht acht Jahr­hun­der­te nach ih­rem Tode noch ihr An­den­ken be­wahrt; auf eben den We­gen, wo wir jetzt ge­hen, ist sie in Fleisch und Bein ge­gan­gen. Und wenn auch der Chro­nist, der nach ihr leb­te, Irr­tum und Wahr­heit durch­ein­an­der­warf, so bleibt doch be­ste­hen, was er be­rich­tet: näm­lich dass die Stadt Vi­ter­bo sie un­ter ihre fünf Klein­odi­en oder »No­bi­li­tä­ten«, wie man da­mals sag­te, ge­zählt hat. Un­ter die­sen wa­ren die drei vor­nehms­ten: ers­tens ein frei­es Ge­mein­we­sen zu sein, kei­nem Ober­herrn we­der im Krieg noch im Frie­den dienst- oder zins­pflich­tig, al­lein den Kai­ser aus­ge­nom­men. Zwei­tens einen wun­der­tä­ti­gen trag­ba­ren Al­tar zu be­sit­zen – wo man den auf­stell­te, da ver­lieh er den Waf­fen von Vi­ter­bo den Sieg –, und drit­tens das schöns­te Mäd­chen der gan­zen Erde in ih­ren Mau­ern zu ha­ben. Die­ses Mäd­chen war die Ga­lia­na.

      Wenn ich sa­gen wür­de, sie sei schön wie ein En­gel ge­we­sen, so hät­te ich mich falsch aus­ge­drückt, denn die En­gel ha­ben kein Ge­schlecht, kön­nen also auch im na­tür­li­chen Men­schen kei­ne Lie­bes­brunst ent­zün­den. Die Ga­lia­na aber er­weck­te in je­dem jün­ge­ren Mann, der ih­rer an­sich­tig ward, das hef­tigs­te Ver­lan­gen sie zu be­sit­zen, und ein Blick ih­rer Au­gen hat man­chem auf lan­ge Zeit den Schlaf ge­raubt. Wenn sich nicht die gan­ze männ­li­che Ju­gend von Vi­ter­bo um ih­ret­wil­len die Häl­se brach, so war es nur, weil nicht all­zu vie­le das Glück oder Un­glück hat­ten, ihr An­ge­sicht zu se­hen, denn die Mäd­chen je­ner Tage konn­ten sich nicht un­ge­hin­dert be­we­gen, und die Ga­lia­na wur­de von El­tern und Brü­dern ganz be­son­ders streng ge­hü­tet. Üb­ri­gens war sie seit den Win­deln ei­nem ed­len Jüng­ling von Vi­ter­bo ver­lobt und die bei­der­sei­ti­gen El­tern war­te­ten mit der Ver­mäh­lung nur, bis ihre Kin­der das hei­rats­fä­hi­ge Al­ter er­reicht hät­ten.

      Du hast bei dei­ner Ein­fahrt über dem Rö­mi­schen Tor die Ghi­bel­li­nen­zin­nen ge­se­hen, weißt also, dass Vi­ter­bo zeit­wei­lig ho­hen­stau­fisch ge­sinnt war. Als Fried­rich Bar­ba­ros­sa auf sei­ner schick­sals­vol­len vier­ten Rom­fahrt in Vi­ter­bo ras­te­te, be­rei­te­te die Stadt ihm den fei­er­lichs­ten Empfang. Tri­umph­bö­gen, kost­ba­re Tep­pi­che an al­len Fens­tern, Glo­cken­ge­läu­te und das Pflas­ter mit Blu­men be­streut, wor­über die Ros­se des Welt­be­herr­schers und sei­ner Rei­si­gen hin­gin­gen: es war ein schö­ner Tag und ganz Vi­ter­bo woll­te ihn mit­ge­nie­ßen. Des­halb wur­de der er­ha­be­ne Gast mit sei­nem Ge­fol­ge nicht den kür­zes­ten Weg zum Rat­haus ge­führt, wo ein er­le­se­nes Fest­mahl sei­ner harr­te, son­dern die Len­ker der Stadt hat­ten es mit Be­dacht so ein­ge­rich­tet, dass der Zug auch die ent­le­ge­nen Win­kel be­rüh­ren muss­te, da­mit alle das An­ge­sicht des Kai­sers sä­hen. Auch die enge Gas­se, die noch heut nach der schö­nen Ga­lia­na heißt, war in die Stre­cke ein­be­zo­gen, denn der rei­che Ga­lia­ni ge­hör­te zu den feu­rigs­ten Ghi­bel­li­nen und hät­te es übel ver­merkt, wenn sein Palast, der mit am glän­zends­ten ge­schmückt war, nicht von dem kai­ser­li­chen Au­gen­strahl ge­trof­fen wor­den wäre. Ein Tri­umph­bo­gen ge­ra­de un­ter­halb der Gas­se, der sich durch Pracht vor der an­dern her­vor­tat, wies die Ein­zie­hen­den von sel­ber auf die­sen Weg.

      Zu der Ge­folg­schaft des Kai­sers ge­hör­te der Graf von Vico, der bei dem Rot­bart in ho­hen Ehren stand, denn er hat­te sich über­all in sei­nen Diens­ten mann­haft her­vor­ge­tan und ihm noch kürz­lich Tor­to­na und Mai­land zer­stö­ren hel­fen. Er war ei­ner der stol­zes­ten und mäch­tigs­ten rö­mi­schen Baro­ne und sein Stamm­schloss stand an dem einst schö­nen See von Vico, von dem das Ge­schlecht den Na­men führ­te. Die­ser Herr von Vico ritt mit dem Kai­ser durch be­sag­te Tri­um­ph­p­for­te und durch die schma­le Gas­se, wo die Ga­lia­na fest­lich ge­schmückt auf dem Söl­ler stand. Ihre Schön­heit heu­te strah­lend vor al­ler Au­gen zu zei­gen, das war ein ho­her Stolz nicht nur für die Sip­pe, son­dern für die gan­ze Stadt. Und so ge­sch­ah es, dass der von Vico und die schö­ne Ga­lia­na sich aus nächs­ter Nähe in die Au­gen blick­ten.

      Der СКАЧАТЬ