Gesammelte Werke. Isolde Kurz
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Isolde Kurz

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962812515

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СКАЧАТЬ war ei­ner von den al­ten Gärt­nern, wie man sie nicht sel­ten auf sol­chen ver­wahr­los­ten ita­lie­ni­schen Vil­len fin­det, ganz mit dem Bo­den, den er be­bau­te, ver­wach­sen und für kei­ne Ver­pflan­zung mehr zu ha­ben. Ich kann den Park nicht so pfle­gen wie ich möch­te, sag­te er ent­schul­di­gend zu dem Be­su­cher, der durch sein le­ben­di­ges Ein­ge­hen gleich sein Ver­trau­en ge­won­nen hat­te. Ich bin ganz al­lein hier, die jun­ge Herr­schaft lebt im­mer in Pa­ris und ist über­haupt noch nie­mals hier ge­we­sen. Sie schickt mir auch kein Geld für den Gar­ten. Ich könn­te ihn gar nicht er­hal­ten, wenn ich nicht Blu­men zöge zum Ver­kauf für die großen Kir­chen­fes­te in der Um­ge­gend und fei­nes Ge­mü­se, das ich nach Bib­bie­na lie­fe­re. Da­für kann ich ge­ra­de das Al­ler­nö­tigs­te be­schaf­fen. Er hat­te Trä­nen im Auge, als er das sag­te. Mein Ge­halt ist auch aus­ge­blie­ben, seit die alte Herr­schaft tot ist, setz­te er hin­zu. Nun, ich lebe auch so. Ich habe mein klei­nes Häu­schen von zwei Zim­mern und ei­ner Feu­er­stel­le, den Kü­chen­be­darf zie­he ich mir selbst, ein paar Hüh­ner hal­te ich auch – ein Schwein – ich lei­de kei­ne Not. Die Frau ist tot, die Kin­der sind drau­ßen in der Welt. Ich zie­he mei­ne klei­ne En­ke­lin auf, das Kind mei­ner ver­stor­be­nen Toch­ter. Sonst habe ich nichts als mei­nen Gar­ten, ich stür­be, wenn ich ihn ver­las­sen müss­te.

      So viel Treue zur Schol­le ge­fiel dem Wan­de­rer, und die of­fe­ne Men­sch­lich­keit in dem gu­ten Ge­sicht und in den noch hel­len stahl­blau­en Au­gen hob ihm den Mann des Vol­kes aus der Ge­wöhn­lich­keit. Er hat­te un­ter­des­sen in sei­ner Ge­sell­schaft alle Baum­gän­ge und An­la­gen des Parks durch­wan­delt, der die gan­ze Brei­te der Hü­gel­stu­fe ein­nahm, und fühl­te sich mehr und mehr ge­fes­selt. Die Lage des Hü­gels zwi­schen zwei Flus­stä­lern, dem brei­te­ren west­li­chen, vom Sil­ber­ban­de des Arno durch­sch­lun­ge­nen, und dem en­gen öst­li­chen mit ei­nem klei­nen Was­ser­lauf, der sei­nem jun­gen Zins­herrn, dem Ti­ber, zu­streb­te, gab ihm et­was Ei­ge­nes, Be­deut­sa­mes, das sich nicht so leicht an­der­wärts wie­der­hol­te. Wie schön müss­te es sein, hier oben eine Nacht mit Mond und Ster­nen zu ver­brin­gen und in kur­z­em Ab­stand Son­nen­un­ter- und -auf­gang hin­ter den sich ge­gen­über­lie­gen­den Hö­hen zu er­le­ben. Auch das Haus wur­de von al­len Sei­ten um­gan­gen. Es war im Stil der ita­lie­ni­schen Re­naissance-Vil­len an­ge­legt, ein bei ge­rin­ger Höhe lang hin­ge­streck­ter Bau mit vor­tre­ten­der Ter­ras­se, zu der die schön ge­schwun­ge­ne dop­pel­te Freitrep­pe, eine spär­lich tröp­feln­de Brun­nen­nis­che um­rah­mend, em­por­führ­te. Man sah es den Räu­men von au­ßen an, dass sie nie zum be­hag­li­chen Woh­nen, nur zu fest­li­cher Glan­zent­fal­tung ge­dient ha­ben konn­ten. Oben auf der Ter­ras­se zwi­schen bei­den Auf­gän­gen wuch­sen aus ei­ner mäch­ti­gen Ro­sen­scha­le zwei stei­ner­ne Put­ten, um de­ren Nackt­heit ein blü­hen­der Ro­sen­busch neckisch sei­ne Zwei­ge schlang. Hier war je­doch die Gren­ze des Le­bens, die Wohn­stät­te sel­ber lag ent­seelt, ihre Fens­ter­la­den wa­ren ge­schlos­sen wie die schwe­ren Au­gen­de­ckel ei­nes To­ten.

      Dem al­ten Gärt­ner, der sel­ten mehr die Wohl­tat ei­nes Ge­sprächs mit Hö­her­ge­bil­de­ten ge­noss, war un­ter­des­sen das Herz weit auf­ge­gan­gen, und er hat­te den Wan­de­rer in die gan­ze Ge­schich­te der herr­schaft­li­chen Fa­mi­lie durch meh­re­re Ge­ne­ra­tio­nen, so wie sie ihm sel­ber be­kannt war, ein­ge­weiht. Dass die­ser zwar nicht um die Per­sön­lich­kei­ten, wohl aber um die ein­schlä­gi­gen Ver­hält­nis­se Be­scheid wuss­te, ver­mehr­te sein Zu­trau­en und ließ ihm den un­er­war­te­ten Be­su­cher fast wie einen al­ten Be­kann­ten er­schei­nen. Nun rück­te der Frem­de mit sei­nem Wunsch, hier oben schla­fen zu dür­fen, her­aus. Der alte Mann blick­te be­denk­lich: in sei­ner Gärt­ner­woh­nung sei kein Raum und sie wäre auch zu ge­ring für einen sol­chen Gast. Der Herr­schaft wür­de ja frei­lich kein Un­recht ge­sche­hen und sie brauch­te es auch gar nicht zu er­fah­ren, wenn er den frem­den Herrn in ei­nem ih­rer Pri­vat­zim­mer im un­te­ren Stock­werk schla­fen lie­ße, er hät­te aber da­bei doch das Ge­fühl, sei­ner Pf­licht un­treu ge­wor­den zu sein. Der obe­re Stock aber mit den Räu­men für Gäs­te und Die­ner­schaft sei im Ver­fall und auch ganz voll­ge­pfropft mit Ge­rüm­pel, bis auf den Tep­pich­saal, der al­lein noch heil sei, aber un­ter den Wand­tep­pi­chen kön­ne ein Mensch nicht schla­fen.

      Ei­nen Tep­pich­saal habt Ihr hier oben? frag­te der Wan­de­rer mit an­ge­neh­mer Über­ra­schung. Und warum soll man in dem nicht schla­fen kön­nen? Nun, es sei doch nicht an­ge­nehm, ganz al­lein zu sein mit den frem­den Ge­sich­tern, die einen von der Wand her­ab an­starr­ten, mein­te der Gärt­ner. Er habe ein­mal mit sei­ner En­ke­lin eine Nacht da oben zu­ge­bracht, als ihm der Sturm­wind das Dach sei­nes Häu­schens ab­ge­tra­gen hat­te. Aber das Kind habe sich vor den Fi­gu­ren so ge­fürch­tet, dass auch ihm ganz un­be­hag­lich zu­mu­te ge­wor­den sei.

      Ihr wer­det mich aber doch nicht von hier weg­schi­cken, Groß­va­ter, ohne dass ich Eure Kunst­schät­ze we­nigs­tens ge­se­hen habe? Eine Samm­lung al­ter Wand­tep­pi­che mit fi­gür­li­chen Dar­stel­lun­gen? Um die hät­te sich’s ja al­lein ver­lohnt, den Weg hier­her zu ma­chen.

      Ach nein, Herr, Sie dür­fen sich nichts Be­son­de­res vor­stel­len. Kunst­schät­ze sind es nicht, es sind nur so alte ge­web­te Din­ger, schä­big und an­ge­fres­sen, die schon seit Hun­der­ten von Jah­ren dahän­gen und wei­ter ver­stau­ben. Nein, Sie se­hen gar nichts dar­an und la­chen mich aus, wenn ich Sie hin­füh­re. Bloß bei Nacht, wenn man die Ker­ze bren­nen lässt oder wenn der Mond drü­ber hin­streift, ma­chen sie so son­der­ba­re Ge­sich­ter, dass man denkt, sie schau­en einen an. Aber in den un­te­ren Sä­len hän­gen schö­ne Ge­mäl­de, die will ich Sie ger­ne se­hen las­sen, da­mit Sie nicht um­sonst her­auf ge­wan­dert sind.

      Er schloss die Ein­gangs­tür auf.

      Das In­ne­re der Vil­la war, wie es der Wan­de­rer er­war­tet hat­te. Wei­te Prun­kräu­me ohne Wohn­lich­keit, au­gen­schein­lich zu Empfangs­zwe­cken ge­baut, eine je­ner an­spruchs­vol­len Vil­len, die von den Be­sit­zern nur vor­über­ge­hend be­zo­gen wer­den, um hoch­ste­hen­de Gäs­te fest­lich zu be­wir­ten; auf die­se Be­stim­mung wie­sen auch die bau­fäl­li­gen Stal­lun­gen und Wa­gen­schup­pen im Hofe hin. An den Wän­den eine lan­ge Rei­he von Bild­nis­sen tos­ka­ni­scher Herr­scher, bei Co­si­mo I. be­gin­nend, alle hö­fisch lang­wei­lig, da­zwi­schen ein paar leid­li­che Ko­pi­en nach Wer­ken der großen Kunst. Nur we­ni­ges, aber mäch­ti­ges Haus­ge­rä­te, echt und alt mit der un­säg­li­chen Stim­mung von Ver­waist­heit und Schwer­mut, wie sie sol­che seit Men­schen­ge­den­ken nicht be­nütz­ten Räu­me aus­at­men. In den Schlaf­ge­mä­chern die schö­nen, frei­ste­hen­den Rie­sen­bet­ten mit bro­ka­te­nen Pracht­ge­hän­gen und der da­zu­ge­hö­ren­den rei­chen Tru­he am Fu­ßen­de, ve­ne­zia­ni­sche Spie­gel, ein­ge­leg­te Spin­de, kunst­rei­che Kan­de­la­ber, lau­ter Kost­bar­kei­ten ver­gan­ge­ner Ge­schlech­ter, un­ter de­nen zu ru­hen der Ein­dring­ling gar kei­ne Lo­ckung spür­te.

      Auf sein Drän­gen führ­te ihn der Alte dann auch eine brei­te Stein­trep­pe hin­auf in das obe­re Ge­schoss. Hier war das Reich der Spinn­we­ben und des Ver­falls, die Luft sto­ckig, alle Räu­me mit über­zäh­li­gem Haus­rat an­ge­füllt oder völ­lig leer­ge­las­sen, weil die Fens­ter fehl­ten.

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