Eduard von Keyserling – Gesammelte Werke. Eduard von Keyserling
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Название: Eduard von Keyserling – Gesammelte Werke

Автор: Eduard von Keyserling

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962814601

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СКАЧАТЬ Rosa; dann setz­te sie ver­stän­dig hin­zu: »Es war sehr poe­tisch.«

      Her­weg emp­fand das wohl. Er küss­te Ro­sas Hand, als hät­te sie das Schau­spiel ge­schaf­fen, und flüs­ter­te: »Rosa! Ich bin Ih­nen wirk­lich gut.« Rosa muss­te er­rö­ten, und es trieb sie nach Hau­se.

      Im Wohn­zim­mer war noch im­mer die be­drücken­de Glut der Mit­tags­stun­den ein­ge­schlos­sen. Rosa öff­ne­te das Fens­ter und lehn­te sich hin­aus, um in das lang­sa­me Herab­däm­mern auf die Häu­ser­gie­bel hin­ein­zu­ge­hen. Sie fühl­te sich er­regt, er­war­tungs­voll und den­noch miss­ge­launt. Er war schön ge­we­sen, der große, leuch­ten­de Abend­him­mel, das selt­sam stil­le Ver­glü­hen. Ge­wiss, sehr schön! Und doch – was war es? Soll­te sie das glück­lich ma­chen? Konn­te das et­was an der Nüch­tern­heit ih­res Le­bens än­dern? Son­nen­un­ter­gang – Gott ja, sehr gut; aber wenn sie es recht be­dach­te, füg­te er nichts zum Le­ben hin­zu. – Her­weg hat­te ihr ge­fal­len, der gute Jun­ge! Wie er sie an­ge­blickt, wie stür­misch er ihr die Hand ge­küsst hat­te: »Rosa, ich bin Ih­nen wirk­lich gut«, das klang rüh­rend.

      Die Stra­ße un­ten war schon ganz in das Hell­dun­kel der Som­mer­nacht gehüllt. Ve­rein­zel­te Spa­zier­gän­ger schrit­ten lang­sam über das Pflas­ter, den Hut in der Hand, ein Lied träl­lernd oder eine Wei­se vor sich hin­pfei­fend. Wa­ren es zwei oder mehr, so klan­gen ab­ge­ris­se­ne Un­ter­hal­tun­gen zu Rosa em­por – über das Wet­ter – Bruch­tei­le ei­ner Er­zäh­lung. ru­hi­ge, gleich­mä­ßig be­rich­ten­de Stim­men. Aus den ge­öff­ne­ten Fens­tern schol­len Lau­te: ein Schel­ten – La­chen – Gäh­nen – Teller­ge­klap­per – ein ver­nehm­li­ches »Gute Nacht«.

      Das gan­ze in­ners­te Haus­le­ben drang in die Som­mer­nacht hin­aus und ließ sich un­ter dem Stern­him­mel eben­so be­hag­lich ge­hen wie un­ter der nied­ri­gen Zim­mer­de­cke. Hin und wie­der ra­schel­te ein nie­der­fal­len­der Tau­trop­fen im Laub, und die feuch­ten Blät­ter be­gan­nen stark und wohl­tu­end zu duf­ten.

      Wei­ter die Stra­ße hin­ab, vor der Kir­che, tra­ten die Bäu­me dich­ter zu­sam­men, und un­ter ih­ren Äs­ten war es ganz fins­ter, den­noch ver­moch­te Rosa von ih­rem Fens­ter aus hie und da ein wei­ßes Mäd­chen­kleid zu er­spä­hen, oder eine bren­nen­de Zi­gar­re leuch­te­te wie ein ro­ter Stern. Hel­les Mäd­chen­la­chen er­scholl, hohe aus­ge­las­se­ne No­ten in die Stil­le ru­fend. So man­che Dienst­magd moch­te sich dort mit ih­rem Schatz der lau­en Nacht freu­en. Rosa nahm In­ter­es­se dar­an. Jene Bäu­me schie­nen et­was Ge­heim­nis­vol­les, Sü­ßes und Lus­ti­ges zu ber­gen, et­was, das sie in ihr ar­mes Le­ben her­über­wünsch­te, et­was von je­nem Ge­fühl­vol­len, das der schö­ne Abend sie er­seh­nen ließ. Ach Gott, ja – et­was…

      Im Ne­ben­zim­mer reg­te es sich. Das war Ag­nes Stock­mai­er. Sie wird so­gleich in das Zim­mer tre­ten und die Lam­pe brin­gen. Die Lam­pe mit ih­rem blau und wei­ßen Por­zel­lan­fuß wird, wie je­den Abend, dort auf der ro­ten Tisch­de­cke ste­hen und ih­ren gel­ben Licht­kreis auf die Zim­mer­de­cke wer­fen. Ja, und der Va­ter wird heim­kom­men und von Klappe­kahl, La­nin und dem Dok­tor er­zäh­len; und sie, Rosa, wird ver­stimmt und un­freund­lich ge­gen ih­ren Va­ter sein – und wie­der ist ein Tag ih­res Le­bens ver­lo­ren. Das muss­te ge­än­dert wer­den! – Gut, mor­gen woll­te sie Her­weg sa­gen, er sol­le sie un­ten am Fluss um neun Uhr abends er­war­ten. Ein wah­res, ech­tes Stell­dich­ein soll­te das wer­den, wie die Bäu­me drü­ben es ver­deck­ten. Her­weg war heu­te gut und poe­tisch ge­we­sen, da konn­te sie ihm wohl et­was zu­lie­be tun. Auf die­se Wei­se wür­de sie doch auch ein­mal teil­ha­ben an der Som­mer­nacht und ih­rem Ge­mun­kel. Der Ge­dan­ke war gut.

      Viertes Kapitel

      Am fol­gen­den Tage traf Rosa Her­weg auf dem Weg in die Schu­le und be­stell­te ihn für elf Uhr in die Lau­be. Her­weg mach­te ein über­rasch­tes und er­freu­tes Ge­sicht und dach­te kei­nen Au­gen­blick an die Ge­fahr ei­ner aber­ma­li­gen Ver­säum­nis. Der Plan ei­ner abend­li­chen Zu­sam­men­kunft mit Her­weg stand bei Rosa noch im­mer fest. »Ich bin es dem ar­men Jun­gen schul­dig«, sag­te sie sich, wenn ein we­nig Un­ru­he über ihr Vor­ha­ben sie be­schlich. So saß sie denn in ge­heim­nis­vol­ler Geis­tes­ab­we­sen­heit auf der Schul­bank und stütz­te den Kopf sor­gen­voll in die Hand.

      »Ah! Rosa! Mein Herz!« Fräu­lein La­nin stand vor ihr. Auch sie war heu­te be­son­ders sin­nig und drück­te ih­ren Noël, un­ter dem sich der dün­ne ach­te Band von »Em­mas Schmerz« ver­barg, fest an das Herz. »Weißt du, ich mei­ne das, wo­von wir ges­tern spra­chen. Du ent­sinnst dich – ah? – Er kommt viel­leicht schon heu­te abend.« – »So«, er­wi­der­te Rosa, sah ernst auf, hob lang­sam ihre Hand über den Tisch em­por und ließ sie schlaff wie­der sin­ken; eine hüb­sche Be­we­gung, die zu be­deu­ten schi­en: »Es ist gleich­gül­tig. Sie kom­men und ge­hen.«

      »Ja«, fuhr Fräu­lein La­nin fort, und ob­gleich es sich of­fen­bar um ein wich­ti­ges Ge­heim­nis han­del­te, so sprach sie doch sehr laut: »Ich habe sei­net­we­gen – du weißt? – mit dem Papa eine erns­te – wirk­lich eine sehr erns­te – Un­ter­re­dung ge­habt, die mir viel zu den­ken gibt.«

      »Ah.« Rosa hät­te gern Nä­he­res dar­über er­fah­ren, sie moch­te je­doch nicht fra­gen. Es war auch nicht nö­tig, denn Fräu­lein La­nin be­gann an­ge­le­gent­lich: »Er sagt, und er hat ge­wiss recht, dass un­se­re Fa­mi­lie mit der Auf­nah­me von A. T. sehr erns­te Pf­lich­ten über­neh­me und so­mit auch mir ein Teil – und weißt du, der Papa sagt, nicht der un­wich­tigs­te Teil – zu­fal­le.«

      »Ah so! Ich ver­ste­he, weib­li­cher Ein­fluss«, schal­te­te Rosa ein.

      »Das ist’s«, fuhr Fräu­lein La­nin fort. »Der arme jun­ge Mann ist leicht­sin­nig, ist ver­führt wor­den; er ist jetzt viel­leicht lei­dend; du weißt, die Brust – das kommt leicht bei sol­chen Ge­fühls­kri­sen. Da­bei ist er ver­wöhnt, der ein­zi­ge Sohn sehr rei­cher El­tern. Nun – ihm Be­frie­di­gung und Er­hei­te­rung zu bie­ten, das ist un­se­re Pf­licht. Ich habe be­schlos­sen, sehr freund­lich ge­gen ihn zu sein. Uns Frau­en ge­lingt es doch am bes­ten, sol­che Wun­den zu hei­len. Von der Tanz­ge­sell­schaft sprach ich schon mit dir. Nun – und im täg­li­chen Le­ben will ich in erns­ten Ge­sprä­chen sein Ver­trau­en er­wer­ben, will ihn auf den ein­zi­gen Trost, auf Gott, hin­wei­sen. Es ist eine schwe­re Auf­ga­be, ich weiß das wohl, aber sie ist schön, nicht wahr, mein Herz?«

      Fräu­lein La­nin neig­te ih­ren Kopf auf die lin­ke Schul­ter und blick­te ihre Freun­din ernst an. Auf Rosa je­doch hat­te die­ser Be­richt einen ganz un­er­war­te­ten Ein­druck ge­macht. Sie, die ein wirk­li­ches Stell­dich­ein vor­hat­te, fühl­te sich heu­te über all ihre Ka­me­ra­din­nen er­ha­ben, und Fräu­lein Lan­ins Plä­ne er­schie­nen ihr kin­disch und mach­ten sie un­ge­dul­dig: »Ich ver­ste­he nicht, wie du glau­ben kannst, dass ein jun­ger, leicht­sin­ni­ger Mensch an from­men Ge­sprä­chen mit dir Ge­fal­len fin­den wird.«

      Fräu­lein La­nin warf Rosa einen schnel­len Blick zu, rich­te­te sich dann ker­zen­ge­ra­de auf, zog die Au­gen­brau­en em­por, was ihr einen СКАЧАТЬ