Eduard von Keyserling – Gesammelte Werke. Eduard von Keyserling
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Eduard von Keyserling – Gesammelte Werke - Eduard von Keyserling страница 10

Название: Eduard von Keyserling – Gesammelte Werke

Автор: Eduard von Keyserling

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962814601

isbn:

СКАЧАТЬ sie ei­nem al­ten Mö­bel, das man aus der Rum­pel­kam­mer in den Mit­tags­son­nen­schein ge­rückt hat. Her­weg saß be­reits auf der Bank und wieg­te sei­nen Hut zwi­schen den Bei­nen hin und her. Eine leich­te Be­fan­gen­heit er­fass­te Rosa, da sie ihn er­blick­te. Wie soll­te sie es ihm sa­gen? Wür­de er nicht stau­nen? Lang­sam ging sie auf ihn zu. Her­weg lä­chel­te ihr ent­ge­gen:

      »Sie se­hen, Rosa, heu­te bin ich der ers­te«, mein­te er.

      »Ja – ich konn­te nicht frü­her.« – Rosa blieb vor Her­weg ste­hen und strich sich das Haar an den Schlä­fen glatt.

      »Ha, ha – die Alte?« frag­te er.

      Rosa nick­te. Her­weg sah sie prü­fend an: »Ja, ja, die Alte, die hat schar­fe Au­gen. Aber warum set­zen Sie sich nicht?« Rosa setz­te sich auf die Bank. »Ich habe heu­te den Di­rek­tor gut an­ge­führt«, fuhr Her­weg fort, Rosa aber un­ter­brach ihn: »Was un­ter­neh­men Sie heu­te abend?« –

      »Nichts Be­son­de­res. Ich weiß nicht. Vi­el­leicht kommt eine klei­ne Knei­pe­rei zu­stan­de.«

      »Ach so, das ist dann et­was an­de­res.«

      »Nein«, rief Her­weg schnell, »es ist nichts be­stimmt. Ge­wiss! Woll­ten Sie et­was, Rosa?«

      »Wenn Sie frei sind«, sag­te Rosa mit nie­der­ge­schla­ge­nen Au­gen, »könn­ten wir, so dach­te ich, heu­te abend zu­sam­men­kom­men!«

      »O ge­wiss!«

      »Das heißt, um neun Uhr. Sie könn­ten mich un­ten am Fluss, Sie wis­sen? er­war­ten, wir wä­ren dann bei­sam­men, dach­te ich mir.« Her­weg er­rö­te­te und rief in der has­ti­gen Wei­se, die Kna­ben an­zu­neh­men pfle­gen, wenn sie be­fan­gen sind: »Das geht!« Er lehn­te sich zu­rück, kreuz­te die Arme über der Brust, kniff die Au­gen zu­sam­men und mach­te ein be­däch­ti­ges Ge­sicht, als müss­te er al­les zu­vor ernst­lich er­wä­gen: »Ja, das geht. Das wird hübsch.«

      »Nicht wahr?« sag­te Rosa und er­hob sich schnell, als hät­te sie einen plötz­li­chen Ent­schluss ge­fasst. Sie blieb aber ru­hig vor Her­weg ste­hen. »Ich mein­te, es wür­de Ih­nen Freu­de ma­chen.« Scheu blick­te Her­weg zu dem Mäd­chen em­por; vor­sich­tig fass­te er den grau­en Man­tel, lang­te dann zu den gel­ben Zöp­fen hin­auf mit di­cken, un­ge­len­ken Schü­ler­fin­gern. Rosa ließ es ge­sche­hen. Ihre Au­gen wur­den dunk­ler und hat­ten ein un­ru­hi­ges, in­ten­si­ves Licht. Plötz­lich, mit ei­ner schnel­len, ecki­gen Be­we­gung, fass­te sie nach Her­wegs Haar und ließ ihre Fin­ger durch das rote Ge­strüpp glei­ten. Bei­de wa­ren ernst und stumm. Her­weg hielt sei­nen Kopf re­gungs­los und blin­zel­te mit den Au­gen, wie eine Kat­ze, der man die Ohren krault, wäh­rend Rosa zu Bo­den schau­te. Ein bun­tes Ge­flecht von Licht und Schat­ten be­deck­te den Kies mit grau und gol­de­nen Mus­tern. Durch die Zwei­ge drang das Licht wie blan­ker Staub in die Däm­me­rung der Lau­be. »Max! Max!« er­scholl wie­der die kläg­li­che Stim­me der al­ten Dame. Has­tig zog Rosa ihre Hand zu­rück; Her­weg aber hielt sie fest, drück­te die in­ne­re Hand­flä­che auf sei­nen Mund und küss­te sie laut.

      »Also, Sie wol­len, Koll­hardt?« frag­te Rosa, sich frei ma­chend.

      »Ja, lie­be, gute Rosa!«

      »Gut denn; auf heu­te abend! Ade!« Und sie lief da­von.

      Her­weg schlen­der­te ge­mäch­lich durch den Gar­ten nach Hau­se. Er ver­such­te es, sein Ge­sicht in ru­hi­ge, erns­te Fal­ten zu le­gen, wie es ein Mann tut, der sol­che Lie­bes­tri­um­phe ge­wohnt ist. Stolz reck­te er sei­ne mäch­ti­ge Ge­stalt und schritt durch den Son­nen­schein da­hin mit der gan­zen Breit­spu­rig­keit sei­nes Schü­ler­hoch­mu­tes.

      Fünftes Kapitel

      Herr Herz emp­fing sei­ne Toch­ter heu­te be­son­ders zärt­lich; er strei­chel­te ihr die Wan­gen und be­merk­te: »Hübsch bist du heu­te, mein Kind.« Als Rosa sich mür­risch in ei­nem Ses­sel aus­streck­te, schlich er von hin­ten her­an, um ihre Stir­ne zu küs­sen. Sie schenk­te dem Al­ten we­nig Auf­merk­sam­keit; flüch­tig streif­ten ihre Fin­ger ein­mal die Hand ih­res Va­ters, als Er­wi­de­rung sei­ner Lieb­ko­sun­gen; dann frag­te sie nach dem Es­sen.

      »Ja, das Es­sen«, er­wi­der­te Herr Herz. »Ich weiß nicht, was die Ag­nes so lan­ge macht.« Er schau­te in das Spei­se­zim­mer hin­über, wo Ag­nes Stock­mai­er mit großer Ge­nau­ig­keit das Tisch­tuch über den Tisch deck­te.

      »Ag­nes«, mahn­te Herr Herz freund­lich, »die Rosa ist hung­rig.« Da Ag­nes kei­ne Ant­wort gab, be­gann er mit klei­nen Schrit­ten im Ge­mach auf und ab zu ge­hen. Er rück­te die Sä­chel­chen auf der Kom­mo­de zu­recht, sah sich in dem Spie­gel und warf zu­wei­len einen ver­stoh­le­nen Blick zu sei­ner Toch­ter hin­über. Die­se hat­te den Kopf auf die Stuhl­leh­ne zu­rück­ge­bo­gen, die Füße von sich ge­streckt und war in tie­fes Sin­nen ver­lo­ren. End­lich blieb Herr Herz am Fens­ter ste­hen, schau­te auf die Stra­ße hin­ab und be­merk­te so ne­ben­her: »Fräu­lein Schank war hier.«

      »Wann?« frag­te Rosa scharf.

      »Kurz eh’ du kamst, ging sie.«

      »Dann woll­te sie sich wohl über mich be­kla­gen?«

      Herr Herz wand­te sich schnell um: »Nein! Siehst du, lie­bes Kind, be­kla­gen – das nicht. Sie ist dir gut. Ge­wiss! Sie ist dir sehr gut. Nur habt ihr heu­te et­was mit­ein­an­der ge­habt. – Eine fran­zö­si­sche Fa­bel, nicht? – So et­was; und dann bist du fort­ge­gan­gen.«

      »Ich bin fort­ge­gan­gen!« rief Rosa und stell­te sich ge­ra­de vor ih­rem Va­ter auf »Sie kann es nicht ver­lan­gen, dass ich blei­be, wenn sie mir sol­che Din­ge sagt – und vor all den an­dern.«

      »So schlimm wird es ja nicht sein«, schal­te­te Herr Herz ein und lä­chel­te er­schro­cken. »Sie ist viel­leicht hef­tig ge­we­sen. Du darfst ihr das nicht an­rech­nen. Du selbst hat­test viel­leicht auch ein we­nig Schuld.«

      »Und weißt du, was sie mir ge­sagt hat?«

      »Gott, ja, lie­bes Kind.« Herrn Herz war die Si­tua­ti­on pein­lich.

      »Sie sag­te«, fuhr Rosa mit stei­gen­der Ent­rüs­tung fort, »ich lebe von an­de­rer Leu­te Barm­her­zig­keit, ich zah­le nur hal­b­es Schul­geld. Das sagt sie vor all den Mäd­chen, die­se Alte!«

      »Sie wird das wohl nicht so ge­sagt ha­ben. Ich will mit ihr spre­chen.« Herr Herz lach­te, als han­del­te es sich um einen un­wich­ti­gen Ge­gen­stand. Er streck­te bei­de Hän­de aus, um Ro­sas Kopf zu fas­sen, sie aber wand­te ihm den Rücken und kehr­te zu ih­rem Ses­sel zu­rück.

      Herr Herz ver­barg sei­ne Hän­de in sei­nen Rock­ta­schen und sah be­fan­gen und hilf­los drein. Er wand­te dem Fens­ter den Rücken zu, und sein Haupt ward von ei­ner hel­len Lichtau­reo­le um­ge­ben. Die wei­ßen Haa­re flim­mer­ten und lie­ßen СКАЧАТЬ