Eduard von Keyserling – Gesammelte Werke. Eduard von Keyserling
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Название: Eduard von Keyserling – Gesammelte Werke

Автор: Eduard von Keyserling

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962814601

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СКАЧАТЬ und war­ten.

      Die Fir­ma war sich ih­res Wer­tes viel zu sehr be­wusst, um auf äu­ße­ren Glanz et­was zu ge­ben; die­ser­halb war das Ge­schäfts­lo­kal ein en­ges, fins­te­res, un­rein­li­ches Zim­mer. Das ab­ge­rie­be­ne, von der Son­ne ge­bleich­te Schild vor der Türe zeig­te einen ent­setz­li­chen Ne­ger, der einen wei­ßen Zucker­hut in den Ar­men hielt.

      Rosa öff­ne­te die nied­ri­ge Gla­stü­re, die in das Lan­in­sche Ver­kaufs­lo­kal führ­te, und setz­te da­bei eine hei­se­re Glo­cke in Be­we­gung. Ein star­ker Ge­ruch von Oran­gen, Fisch, feuch­tem Stroh schlug ihr ent­ge­gen. Fäs­ser und Kis­ten türm­ten sich bis zur De­cke auf; schwarz an­ge­stri­che­ne Holz­leis­ten lie­fen an den Wän­den hin und tru­gen mäch­ti­ge Pa­ke­te, in blau­es, gel­bes, grau­es Pa­pier gehüllt, halb von Däm­me­rung und Staub ver­bor­gen. Hin­ter dem La­den­tisch stand Kon­rad Lurch, der Die­ner der Fir­ma. Sein lan­ges, sehr schma­les Ge­sicht war über und über mit Som­mer­spros­sen be­deckt. Sei­ne Au­gen hat­ten die mat­te, gelb­li­che Far­be des Ge­sich­tes und schie­nen mit die­sem in­ein­an­der­ge­flos­sen. Er trug einen wei­ten Rock von glän­zen­dem Som­mer­stoff, wie schwar­zes Pack­pa­pier, und rot­gel­be Bein­klei­der, die in der Far­be mit dem Pa­pier Ähn­lich­keit hat­ten, in das man Stea­rin­ker­zen packt – acht auf ein Pfund.

      »Ah, Fräu­lein Rosa!« sag­te er lei­se, als Rosa ein­trat.

      »Gu­ten Tag, Herr Lurch«, er­wi­der­te sie. »Wie geht es Ih­nen? Ist Sal­ly zu Hau­se?«

      Lurch blick­te nicht auf und kau­te an ei­nem Bind­fa­den, der von der an der De­cke be­fes­tig­ten Rol­le nie­der­hing. »Gu­ten Tag, Fräu­lein Rosa«, sag­te er, »mir geht es gut; ich hof­fe, Ih­nen gleich­falls, Fräu­lein Rosa? Was Fräu­lein Sal­ly be­trifft, so war sie die gan­ze Zeit über hier. Sie se­hen noch dort auf der Reis­kis­te das Buch, in dem sie las. Plötz­lich ging sie hin­aus; warum, weiß ich Ih­nen nicht zu sa­gen; ich ver­mu­te, sie wird gleich wie­der hier sein.«

      »Also Sie mei­nen, ich soll hier war­ten? Wie?«

      »Ja, Fräu­lein Rosa, das wird das bes­te sein. Sie set­zen sich un­ter­des­sen viel­leicht dort auf die He­ring­ston­ne?«

      »Ich dan­ke, wenn Sie kei­nen bes­se­ren Platz ha­ben. Ich sit­ze nicht gern auf He­ring­ston­nen.«

      »Ja so! Na­tür­lich! Es ist auch nicht an­ge­nehm, ob­gleich das ein sel­te­ner Ar­ti­kel ist! Schot­ti­sche Fett- oder Kö­nigs-He­rin­ge. Aber dort die Licht­kis­te? Sie ist viel­leicht nicht ganz rein? Neh­men Sie mein Ta­schen­tuch und set­zen Sie sich dar­auf.«

      Lurch bot Rosa ein ganz klein zu­sam­men­ge­ball­tes Tuch an. Sie lehn­te es je­doch mit dem schril­len, kur­z­en La­chen sieb­zehn­jäh­ri­ger Mäd­chen ab und setz­te sich auf die Licht­kis­te.

      »Soll­ten Sie nicht ei­ni­ge Ko­rin­then neh­men, Fräu­lein Rosa?« be­gann Lurch nach ei­ner Pau­se.

      »Nein, ich mag mir nicht im­mer von Ih­nen Ko­rin­then schen­ken las­sen.«

      »Oh! Fräu­lein Rosa – Ko­rin­then, Ko­rin­then –« Lurch war sicht­lich ver­le­gen. »Ko­rin­then sind doch nur ganz klei­ne Ro­si­nen.«

      »Das macht nichts«, ver­setz­te Rosa ener­gisch; dann füg­te sie sanf­ter hin­zu: »Herr Lurch! Ge­stat­ten Sie es nicht, dass wir Sie Ko­rin­then-Kon­rad nen­nen?«

      »Ge­wiss, Fräu­lein Rosa! Wenn der Name Ih­nen ge­fällt; ich hof­fe, er ist kei­ne Ver­höh­nung mei­nes Be­ru­fes; ich den­ke, er ist es nicht?«

      »Durchaus nicht! Nur der Ko­rin­then we­gen, wis­sen Sie.«

      »Oh, dann – warum nicht?« Ja, Lurch schi­en der Name so­gar zu ge­fal­len, denn ein öli­ges Lä­cheln zeig­te sich auf sei­nem Ge­sich­te.

      End­lich trat Sal­ly La­nin durch eine Hin­ter­tü­re des La­dens ein.

      »Ach Rosa! Lie­bes Herz! Du bist es!« rief sie in al­ler­liebs­ter Freu­de aus, hüpf­te auf Rosa zu, küss­te sie auf die Lip­pen, setz­te sich mit ei­ner flin­ken, schmieg­sa­men Be­weg­lich­keit auf die Kis­te und schlang ih­ren Arm um Ro­sas Tail­le. »Wie gut, dass du kamst!«

      Sal­ly La­nin trau­er­te um einen ge­lieb­ten On­kel und trug da­her ein schwar­zes Kleid und eine schwar­ze Hals­krau­se. Auf den Schul­ter­blät­tern sa­ßen zwei wei­ße Kalk­fle­cken, und auch sonst war an dem Klei­de viel von dem Staub der Kis­ten hän­gen ge­blie­ben, was dem Gan­zen ein et­was schä­bi­ges Aus­se­hen ver­lieh. Ei­gent­lich hübsch war Fräu­lein La­nin nicht; ei­ni­ge klei­ne Feh­ler stör­ten den Ein­druck des Ge­sich­tes; so schiel­ten die schö­nen, va­nil­le­brau­nen Pu­pil­len der Au­gen ein we­nig, und die Nase war oft an der Spit­ze rot.

      Fräu­lein La­nin leg­te ihr Köpf­chen auf die Schul­ter ih­rer Freun­din und seufz­te: »Liebs­te Rosa! Ich habe dir viel zu er­zäh­len.«

      »Wirk­lich? Er­zähl doch!« dräng­te Rosa mit großer Teil­nah­me. »Ich habe wohl da­von ge­hört – aber…«

      »Ja, ja –« sag­te Sal­ly be­wegt. Dann rief sie träu­me­risch: »Lie­ber Lurch!«

      »Fräu­lein Sal­ly!« er­wi­der­te die­ser.

      »Lie­ber Lurch! Ge­ben Sie auf einen Au­gen­blick die Büch­se mit den trock­nen Pflau­men her.«

      »Ja, Fräu­lein Sal­ly. Es ist je­doch nicht viel mehr dar­in.«

      »Die trock­nen Pflau­men, Lurch«, wie­der­hol­te Sal­ly be­stimmt.

      »Ge­wiss, Fräu­lein Sal­ly; warum auch nicht? Hier!« Und er hielt ihr eine hohe Büch­se hin.

      »Ja Rosa, du hast von uns ge­hört«, be­gann Fräu­lein Sal­ly, ohne die Büch­se an­zu­se­hen, in die sie ihre Hand tief ver­senk­te.

      »Der Va­ter sprach von euch, ich hör­te aber nicht recht hin. Was ist es denn?« frag­te Rosa.

      Sal­ly brach­te jetzt eine Pflau­me zum Vor­schein, be­trach­te­te sie und er­wi­der­te dann: »Ein zwei­ter jun­ger Mensch kommt ins Ge­schäft.« Dann steck­te sie die Pflau­me in den Mund.

      »Ein Ver­wand­ter von dir?«

      »Lie­ber Lurch«, un­ter­brach Sal­ly ihre Freun­din, »stel­len Sie die Büch­se her und ge­hen Sie ein we­nig in den Hin­ter­grund. Ich habe mit mei­ner Freun­din zu spre­chen.«

      Lurch ge­horch­te und rief aus der Dun­kel­heit kläg­lich her­vor: »Ist es so weit ge­nug, Fräu­lein Sal­ly?« – »Ja, Lurch! Ich dan­ke. Siehst du, Rosa«, nahm sie das Ge­spräch wie­der auf, »er ist ein schlech­ter jun­ger Mensch.«

      »Du meinst na­tür­lich den Neu­en«, schal­te­te Rosa ein.

      »Ja, СКАЧАТЬ