Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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СКАЧАТЬ war, die Über­win­dung des Chris­tent­hums an sei­nem Sitz –, ver­stand sein Haß aus die­sem Schau­spiel nur sei­ne Nah­rung zu ziehn. Ein re­li­gi­öser Mensch denkt nur an sich. – Luther sah die Ver­derb­niß des Papst­t­hums, wäh­rend ge­ra­de das Ge­gent­heil mit Hän­den zu grei­fen war: die alte Ver­derb­niß, das pec­ca­tum ori­gi­na­le, das Chris­tent­hum saß nicht mehr auf dem Stuhl des Paps­tes! Son­dern das Le­ben! Son­dern der Tri­umph des Le­bens! Son­dern das große Ja zu al­len ho­hen, schö­nen, ver­we­ge­nen Din­gen! … Und Luther stell­te die Kir­che wie­der her: er griff sie an… Die Re­naissance – ein Er­eigniß ohne Sinn, ein großes Um­sonst! – Ah die­se Deut­schen, was sie uns schon ge­kos­tet ha­ben! Um­sonst – das war im­mer das Werk der Deut­schen. – Die Re­for­ma­ti­on; Leib­niz; Kant und die so­ge­nann­te deut­sche Phi­lo­so­phie; die »Frei­heits«-Krie­ge; das Reich – je­des­mal ein Um­sonst für Et­was, das be­reits da war, für et­was Un­wie­der­bring­li­ches … Es sind mei­ne Fein­de, ich be­ken­ne es, die­se Deut­schen: ich ver­ach­te in ih­nen jede Art von Be­griffs- und Werth-Unsau­ber­keit, von Feig­heit vor je­dem recht­schaff­nen Ja und Nein. Sie ha­ben, seit ei­nem Jahr­tau­send bei­na­he, Al­les ver­filzt und ver­wirrt, wor­an sie mit ih­ren Fin­gern rühr­ten, sie ha­ben alle Halb­hei­ten – Drei-Ach­tels­hei­ten! – auf dem Ge­wis­sen, an de­nen Eu­ro­pa krank ist, – sie ha­ben auch die un­sau­bers­te Art Chris­tent­hum, die es giebt, die un­heil­bars­te, die un­wi­der­leg­bars­te, den Pro­tes­tan­tis­mus auf dem Ge­wis­sen … Wenn man nicht fer­tig wird mit dem Chris­tent­hum, die Deut­schen wer­den dar­an schuld sein …

      *

      62.

      – Hier­mit bin ich am Schluß und spre­che mein Urt­heil. Ich ver­urt­hei­le das Chris­tent­hum, ich er­he­be ge­gen die christ­li­che Kir­che die furcht­bars­te al­ler An­kla­gen, die je ein An­klä­ger in den Mund ge­nom­men hat. Sie ist mir die höchs­te al­ler denk­ba­ren Cor­rup­tio­nen, sie hat den Wil­len zur letz­ten auch nur mög­li­chen Cor­rup­ti­on ge­habt. Die christ­li­che Kir­che ließ Nichts mit ih­rer Ver­derb­niß un­be­rührt, sie hat aus je­dem Werth einen Un­werth, aus je­der Wahr­heit eine Lüge, aus je­der Recht­schaf­fen­heit eine See­len-Nie­der­tracht ge­macht. Man wage es noch, mir von ih­ren »hu­ma­ni­tär­en« Seg­nun­gen zu re­den! Ir­gend einen Noth­stand ab­schaf­fen gieng wi­der ihre tiefs­te Nütz­lich­keit: sie leb­te von Noth­stän­den, sie schuf Noth­stän­de, um sich zu ver­ewi­gen… Der Wurm der Sün­de zum Bei­spiel: mit die­sem Noth­stan­de hat erst die Kir­che die Mensch­heit be­rei­chert! – Die »Gleich­heit der See­len vor Gott«, die­se Falsch­heit, die­ser Vor­wand für die ran­cu­ne al­ler Nied­rig­ge­sinn­ten, die­ser Spreng­stoff von Be­griff, der end­lich Re­vo­lu­ti­on, mo­der­ne Idee und Nie­der­gangs-Prin­cip der gan­zen Ge­sell­schafts-Ord­nung ge­wor­den ist, – ist christ­li­cher Dy­na­mit… »Hu­ma­ni­täre« Seg­nun­gen des Chris­tent­hums! Aus der hu­ma­ni­tas einen Selbst-Wi­der­spruch, eine Kunst der Selbst­schän­dung, einen Wil­len zur Lüge um je­den Preis, einen Wi­der­wil­len, eine Ver­ach­tung al­ler gu­ten und recht­schaff­nen In­stink­te her­aus­zu­züch­ten! Das wä­ren mir Seg­nun­gen des Chris­tent­hums! – Der Pa­ra­si­tis­mus als ein­zi­ge Pra­xis der Kir­che; mit ih­rem Bleich­suchts-, ih­rem »Hei­lig­keits«-Idea­le je­des Blut, jede Lie­be, jede Hoff­nung zum Le­ben aus­trin­kend: das Jen­seits als Wil­le zur Ver­nei­nung je­der Rea­li­tät; das Kreuz als Er­ken­nungs­zei­chen für die un­ter­ir­dischs­te Ver­schwö­rung, die es je ge­ge­ben hat, – ge­gen Ge­sund­heit, Schön­heit, Wohl­ge­rat­hen­heit, Tap­fer­keit, Geist, Güte der See­le, ge­gen das Le­ben selbst …

      Die­se ewi­ge An­kla­ge des Chris­tent­hums will ich an alle Wän­de schrei­ben, wo es nur Wän­de giebt, – ich habe Buch­sta­ben, um auch Blin­de se­hend zu ma­chen… Ich hei­ße das Chris­tent­hum den Ei­nen großen Fluch, die Eine große in­ner­lichs­te Ver­dor­ben­heit, den Ei­nen großen In­stinkt der Ra­che, dem kein Mit­tel gif­tig, heim­lich, un­ter­ir­disch, klein ge­nug ist, – ich hei­ße es den Ei­nen un­s­terb­li­chen Schand­fleck der Mensch­heit …

      Und man rech­net die Zeit nach dem dies ne­fas­tus, mit dem dies Ver­häng­niß an­hob, – nach dem ers­ten Tag des Chris­tent­hums! – Wa­rum nicht lie­ber nach sei­nem letz­ten? – Nach Heu­te? – Um­wer­thung al­ler Wert­he!…

Der Fall Wagner

      Ich ma­che mir eine klei­ne Er­leich­te­rung. Es ist nicht nur die rei­ne Bos­heit, wenn ich in die­ser Schrift Bi­zet auf Kos­ten Wa­gner’s lobe. Ich brin­ge un­ter vie­len Späs­sen eine Sa­che vor, mit der nicht zu spas­sen ist. Wa­gnern den Rücken zu keh­ren war für mich ein Schick­sal; ir­gend Et­was nach­her wie­der gern zu ha­ben ein Sieg. Nie­mand war viel­leicht ge­fähr­li­cher mit der Wa­gne­rei ver­wach­sen, Nie­mand hat sich här­ter ge­gen sie ge­wehrt, Nie­mand sich mehr ge­freut, von ihr los zu sein. Eine lan­ge Ge­schich­te! – Will man ein Wort da­für? – Wenn ich Mora­list wäre, wer weiss, wie ich’s nen­nen wür­de! Vi­el­leicht Selb­st­über­win­dung. – Aber der Phi­lo­soph liebt die Mora­lis­ten nicht … er liebt auch die schö­nen Wor­te nicht….

      Was ver­langt ein Phi­lo­soph am ers­ten und letz­ten von sich? Sei­ne Zeit in sich zu über­win­den, "zeit­los" zu wer­den. Wo­mit also hat er sei­nen här­tes­ten Strauss zu be­stehn? Mit dem, worin ge­ra­de er das Kind sei­ner Zeit ist. Wohl­an! Ich bin so gut wie Wa­gner das Kind die­ser Zeit, will sa­gen ein dé­ca­dent: nur dass ich das be­griff, nur dass ich mich da­ge­gen wehr­te. Der Phi­lo­soph in mir wehr­te sich da­ge­gen.

      Was mich am tiefs­ten be­schäf­tigt hat, das ist in der That das Pro­blem der dé­ca­dence, – ich habe Grün­de dazu ge­habt. "Gut und Böse" ist nur eine Spiel­art je­nes Pro­blems. Hat man sich für die Ab­zei­chen des Nie­der­gangs ein Auge ge­macht, so ver­steht man auch die Moral, – man ver­steht, was sich un­ter ih­ren hei­ligs­ten Na­men und Wert­h­for­meln ver­steckt: das ver­arm­te Le­ben, der Wil­le zum Ende, die gros­se Mü­dig­keit. Moral ver­neint das Le­ben … Zu ei­ner sol­chen Auf­ga­be war mir eine Selbst­dis­ci­plin von Nö­then: – Par­tei zu neh­men ge­gen al­les Kran­ke an mir, ein­ge­rech­net Wa­gner, ein­ge­rech­net Scho­pen­hau­er, ein­ge­rech­net die gan­ze mo­der­ne "Men­sch­lich­keit". – Eine tie­fe Ent­frem­dung, Er­käl­tung, Er­nüch­te­rung ge­gen al­les Zeit­li­che, Zeit­ge­mäs­se: und als höchs­ten Wunsch das Auge Za­ra­thustra’s, ein Auge, das die gan­ze That­sa­che Mensch aus un­ge­heu­rer Fer­ne über­sieht, – un­ter sich sieht … Ei­nem sol­chen Zie­le – wel­ches Op­fer wäre ihm nicht ge­mä­ss? wel­che "Selbst-Über­win­dung"! wel­che "Selbst-Ver­leug­nung"!

      Mein gröss­tes Er­leb­niss war eine Ge­ne­sung. Wa­gner ge­hört bloss zu mei­nen Krank­hei­ten.

      Nicht dass ich ge­gen die­se Krank­heit un­dank­bar sein möch­te. Wenn ich mit die­ser Schrift den Satz auf­recht hal­te, dass Wa­gner schäd­lich ist, so will ich nicht we­ni­ger auf­recht hal­ten, wem er trotz­dem un­ent­behr­lich ist – dem Phi­lo­so­phen. Sonst kann man viel­leicht ohne Wa­gner aus­kom­men: dem Phi­lo­so­phen aber steht es nicht frei, Wa­gner’s zu ent­rat­hen. Er hat das schlech­te Ge­wis­sen sei­ner Zeit zu sein, – dazu muss er de­ren СКАЧАТЬ