Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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СКАЧАТЬ das Wort ge­sagt, das man seit Jahr­tau­sen­den nö­thig ge­habt hät­te, – Za­ra­thustra.

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      Blut­zei­chen schrie­ben sie auf den Weg, den sie gien­gen, und ihre Thor­heit lehr­te, daß man mit Blut Wahr­heit be­wei­se.

      Aber Blut ist der schlech­tes­te Zeu­ge der Wahr­heit; Blut ver­gif­tet die reins­te Leh­re noch zu Wahn und Haß der Her­zen.

      Und wenn Ei­ner durch­’s Feu­er gien­ge für sei­ne Leh­re, – was be­weist dies! Mehr ist’s wahr­lich, daß aus eig­nem Bran­de die eig­ne Leh­re kommt. (VI, 134.)

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      54.

      Man las­se sich nicht ir­re­füh­ren: große Geis­ter sind Skep­ti­ker. Za­ra­thustra ist ein Skep­ti­ker. Die Stär­ke, die Frei­heit aus der Kraft und Über­kraft des Geis­tes be­weist sich durch Skep­sis. Men­schen der Über­zeu­gung kom­men für al­les Grund­sätz­li­che von Werth und Un­werth gar nicht in Be­tracht. Über­zeu­gun­gen sind Ge­fäng­nis­se. Das sieht nicht weit ge­nug, das sieht nicht un­ter sich: aber um über Werth und Un­werth mit­re­den zu dür­fen, muß man fünf­hun­dert Über­zeu­gun­gen un­ter sich sehn, – hin­ter sich sehn … Ein Geist der Gro­ßes will, der auch die Mit­tel dazu will, ist mit No­thwen­dig­keit Skep­ti­ker. Die Frei­heit von je­der Art Über­zeu­gun­gen ge­hört zur Stär­ke, das Frei-Bli­cken- kön­nen… Die große Lei­den­schaft, der Grund und die Macht sei­nes Seins, noch auf­ge­klär­ter, noch des­po­ti­scher, als er selbst es ist, nimmt sei­nen gan­zen In­tel­lekt in Dienst; sie macht un­be­denk­lich; sie giebt ihm Muth so­gar zu un­hei­li­gen Mit­teln; sie gönnt ihm un­ter Um­stän­den Über­zeu­gun­gen. Die Über­zeu­gung als Mit­tel: Vie­les er­reicht man nur mit­telst ei­ner Über­zeu­gung. Die große Lei­den­schaft braucht, ver­braucht Über­zeu­gun­gen, sie un­ter­wirft sich ih­nen nicht, – sie weiß sich sou­ver­ain. – Um­ge­kehrt: das Be­dürf­niß nach Glau­ben, nach ir­gend et­was Un­be­ding­tem von Ja und Nein, der Car­ly­lis­mus, wenn man mir dies Wort nach­sehn will, ist ein Be­dürf­niß der Schwä­che. Der Mensch des Glau­bens, der »Gläu­bi­ge« je­der Art ist nothwen­dig ein ab­hän­gi­ger Mensch, – ein sol­cher, der sich nicht als Zweck, der von sich aus über­haupt nicht Zwe­cke an­set­zen kann. Der »Gläu­bi­ge« ge­hört sich nicht, er kann nur Mit­tel sein, er muß ver­braucht wer­den, er hat Je­mand nö­thig, der ihn ver­braucht. Sein In­stinkt giebt ei­ner Moral der Ent­selbs­tung die höchs­te Ehre: zu ihr über­re­det ihn Al­les, sei­ne Klug­heit, sei­ne Er­fah­rung, sei­ne Ei­tel­keit. Jede Art Glau­be ist selbst ein Aus­druck von Ent­selbs­tung, von Selbst-Ent­frem­dung… Er­wägt man, wie nothwen­dig den Al­ler­meis­ten ein Re­gu­la­tiv ist, das sie von au­ßen her bin­det und fest macht, wie der Zwang, in ei­nem hö­he­ren Sinn die Skla­ve­rei, die ein­zi­ge und letz­te Be­din­gung ist, un­ter der der wil­lens­schwä­che­re Mensch, zu­mal das Weib, ge­deiht: so ver­steht man auch die Über­zeu­gung, den »Glau­ben«. Der Mensch der Über­zeu­gung hat in ihr sein Rück­grat. Vie­le Din­ge nicht sehn, in kei­nem Punk­te un­be­fan­gen sein, Par­tei sein durch und durch, eine stren­ge und not­wen­di­ge Op­tik in al­len Wert­hen ha­ben – das al­lein be­dingt es, daß eine sol­che Art Mensch über­haupt be­steht. Aber da­mit ist sie der Ge­gen­satz, der Ant­ago­nist des Wahr­haf­ti­gen, – der Wahr­heit … Dem Gläu­bi­gen steht es nicht frei, für die Fra­ge »wahr« und »un­wahr« über­haupt ein Ge­wis­sen zu ha­ben: recht­schaf­fen sein an die­ser Stel­le wäre so­fort sein Un­ter­gang. Die pa­tho­lo­gi­sche Be­dingt­heit sei­ner Op­tik macht aus dem Über­zeug­ten den Fa­na­ti­ker – Sa­vo­na­ro­la, Luther, Rous­seau, Ro­be­spi­er­re, Saint-Si­mon –, den Ge­gen­satz-Ty­pus des star­ken, des frei­ge­w­ord­nen Geis­tes. Aber die große At­ti­tü­de die­ser kran­ken Geis­ter, die­ser Epi­lep­ti­ker des Be­griffs, wirkt auf die große Mas­se, – die Fa­na­ti­ker sind pit­to­resk, die Mensch­heit sieht Ge­bär­den lie­ber, als daß sie Grün­de hört …

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      55.

      – Ei­nen Schritt wei­ter in der Psy­cho­lo­gie der Über­zeu­gung, des »Glau­bens«. Es ist schon lan­ge von mir zur Er­wä­gung an­heim­ge­ge­ben wor­den, ob nicht die Über­zeu­gun­gen ge­fähr­li­che­re Fein­de der Wahr­heit sind als die Lü­gen (Men­sch­li­ches, All­zu­mensch­li­ches I, Apho­ris­mus 483). Dies­mal möch­te ich die ent­schei­den­de Fra­ge thun: be­steht zwi­schen Lüge und Über­zeu­gung über­haupt ein Ge­gen­satz? – Alle Welt glaubt es; aber was glaubt nicht alle Welt! – Eine jede Über­zeu­gung hat ihre Ge­schich­te, ihre Ver­son­nen, ihre Ten­ta­ti­ven und Fehl­grif­fe: sie wird Über­zeu­gung, nach­dem sie es lan­ge nicht ist, nach­dem sie es noch lan­ger kaum ist. Wie? könn­te un­ter die­sen Em­bryo­nal –For­men der Über­zeu­gung nicht auch die Lüge sein? – Mit­un­ter be­darf es bloß ei­nes Per­so­nen–Wech­sels: im Sohn wird Über­zeu­gung, was im Va­ter noch Lüge war. –Ich nen­ne Lüge: Et­was nicht sehn wol­len, das man sieht, Et­was nicht so sehn wol­len, wie man es sieht: ob die Lüge vor Zeu­gen oder ohne Zeu­gen statt hat, kommt nicht in Be­tracht. Die ge­wöhn­lichs­te Lüge ist die, mit der man sich selbst be­lügt; das Be­lü­gen And­rer ist re­la­tiv der Aus­nah­me­fall, – Nun ist dies Nicht–­sehn–wol­len, was man sieht, dies Nicht–­so–­sehn–wol­len, wie man es steht, bei­na­he die ers­te Be­din­gung für Alle, die Par­tei sind, in ir­gend wel­chem Sin­ne: der Par­tei­mensch wird mit Not­wen­dig­keit Lüg­ner. Die deut­sche Ge­schichts­schrei­bung zum Bei­spiel ist über­zeugt, daß Rom der Des­po­tis­mus war, daß die Ger­ma­nen den Geist der Frei­heit in die Welt ge­bracht ha­ben: wel­cher Un­ter­schied ist zwi­schen die­ser Über­zeu­gung und ei­ner Lüge? Darf man sich noch dar­über wun­dern, wenn, aus In­stinkt, alle Par­tei­en, auch die deut­schen His­to­ri­ker, die großen Wor­te der Moral im Mun­de ha­ben, – daß die Moral bei­na­he da­durch fort­be­steht, daß der Par­tei­mensch je­der Art je­den Au­gen­blick sie nö­thig hat? – »Dies ist uns­re Über­zeu­gung: wir be­ken­nen sie vor al­ler Welt, wir le­ben und ster­ben für sie, – Re­spekt vor Al­lem, was Über­zeu­gun­gen hat!« – der­glei­chen habe ich so­gar aus dem Mund von An­ti­se­mi­ten ge­hört. Im Ge­gent­heil, mei­ne Herrn! Ein An­ti­se­mit wird da­durch durch­aus nicht an­stän­di­ger, daß er aus Grund­satz lügt … Die Pries­ter, die in sol­chen Din­gen sei­ner sind und den Ein­wand sehr gut ver­stehn, der im Be­griff ei­ner Über­zeu­gung, das heißt ei­ner grund­sätz­li­chen, weil zweck­dien­li­chen Ver­lo­gen­heit liegt, ha­ben von den Ju­den her die Klug­heit über­kom­men, an die­ser Stel­le den Be­griff »Gott«, »Wil­le Got­tes«, »Of­fen­ba­rung Got­tes« ein­zu­schie­ben. Auch Kant, mit sei­nem ka­te­go­ri­schen Im­pe­ra­tiv, war auf dem glei­chen Wege: sei­ne Ver­nunft wur­de hier­in prak­tisch. – Es giebt Fra­gen, wo über Wahr­heit und Un­wahr­heit dem Men­schen die Ent­schei­dung nicht zu­steht; alle obers­ten Fra­gen, alle obers­ten Wert­h–Pro­ble­me sind jen­seits der mensch­li­chen Ver­nunft … Die Gren­zen der Ver­nunft be­grei­fen, – das erst ist wahr­haft Phi­lo­so­phie… Wozu gab Gott dem Men­schen die Of­fen­ba­rung? Wür­de Gott et­was Über­flüs­si­ges gethan ha­ben? Der Mensch kann von sich nicht sel­ber wis­sen, was gut und böse ist, dar­um lehr­te ihn Gott sei­nen Wil­len… Moral: der Pries­ter lügt nicht, – die Fra­ge »wahr« oder »un­wahr« giebt es nicht in sol­chen Din­gen, von de­nen Pries­ter re­den; die­se Din­ge er­lau­ben СКАЧАТЬ