Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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СКАЧАТЬ rech­net es un­serm Geis­te zu, wenn wir mit Klän­gen viel zu rat­hen ge­ben! Agaçi­ren wir die Ner­ven, schla­gen wir sie todt, hand­ha­ben wir Blitz und Don­ner, – das wirft um …

      Vor Al­lem aber wirft die Lei­den­schaft um. – Ver­ste­hen wir uns über die Lei­den­schaft. Nichts ist wohl­fei­ler als die Lei­den­schaft! Man kann al­ler Tu­gen­den des Con­tra­punk­tes ent­rat­hen, man braucht Nichts ge­lernt zu ha­ben, – die Lei­den­schaft kann man im­mer! Die Schön­heit ist schwie­rig: hü­ten wir uns vor der Schön­heit! … Und gar die Me­lo­die! Ver­leum­den wir, mei­ne Freun­de, ver­leum­den wir, wenn an­ders es uns ernst ist mit dem Idea­le, ver­leum­den wir die Me­lo­die! Nichts ist ge­fähr­li­cher als eine schö­ne Me­lo­die! Nichts verdirbt si­che­rer den Ge­schmack! Wir sind ver­lo­ren, mei­ne Freun­de, wenn man wie­der schö­ne Me­lo­di­en liebt! …

      Grund­satz: die Me­lo­die ist un­mo­ra­lisch. Be­weis: Pa­le­stri­na. Nutz­an­wen­dung: Par­si­fal. Der Man­gel an Me­lo­die hei­ligt selbst …

      Und dies ist die De­fi­ni­ti­on der Lei­den­schaft. Lei­den­schaft – oder die Gym­nas­tik des Häss­li­chen auf dem Sei­le der En­har­mo­nik. – Wa­gen wir es, mei­ne Freun­de, häss­lich zu sein! Wa­gner hat es ge­wagt! Wäl­zen wir un­ver­zagt den Schlamm der wid­rigs­ten Har­mo­ni­en vor uns her! Scho­nen wir uns­re Hän­de nicht! Erst da­mit wer­den wir na­tür­lich…

      Ei­nen letz­ten Rath! Vi­el­leicht fasst er Al­les in Eins. – Sei­en wir Idea­lis­ten! – Dies ist, wenn nicht das Klügs­te, so doch das Wei­ses­te, was wir thun kön­nen. Um die Men­schen zu er­he­ben, muss man selbst er­ha­ben sein. Wan­deln wir über Wol­ken, ha­ran­gui­ren wir das Unend­li­che, stel­len wir die gros­sen Sym­bo­le um uns her­um! Sur­sum! Bum­bum! – es giebt kei­nen bes­se­ren Rath. Der "ge­ho­be­ne Bu­sen" sei un­ser Ar­gu­ment, das "schö­ne Ge­fühl" un­ser Für­spre­cher. Die Tu­gend be­hält Recht noch ge­gen den Con­tra­punkt. "Wer uns ver­bes­sert, wie soll­te der nicht selbst gut sein?" so hat die Mensch­heit im­mer ge­schlos­sen. Ver­bes­sern wir also die Mensch­heit! – da­mit wird man gut (da­mit wird man selbst "Klas­si­ker": – Schil­ler wur­de "Klas­si­ker"). Das Ha­schen nach nie­de­rem Sin­nes­reiz, nach der so­ge­nann­ten Schön­heit hat den Ita­liä­ner ent­nervt: blei­ben wir deutsch! Selbst Mo­zar­t’s Ver­hält­niss zur Mu­sik – Wa­gner hat es uns zum Trost ge­sagt! – war im Grun­de fri­vol … Las­sen wir nie­mals zu, dass die Mu­sik "zur Er­ho­lung die­ne"; dass sie "er­hei­te­re"; dass sie "Ver­gnü­gen ma­che". Ma­chen wir nie Ver­gnü­gen! – wir sind ver­lo­ren, wenn man von der Kunst wie­der he­do­nis­tisch denkt … Das ist schlech­tes acht­zehn­tes Jahr­hun­dert … Nichts da­ge­gen dürf­te räth­li­cher sein, bei Sei­te ge­sagt, als eine Do­sis – Mu­cker thum, sit ve­nia ver­bo. Das giebt Wür­de. – Und wäh­len wir die Stun­de, wo es sich schickt, schwarz zu bli­cken, öf­fent­lich zu seuf­zen, christ­lich zu seuf­zen, das gros­se christ­li­che Mit­lei­den zur Schau zu stel­len. Der Mensch ist ver­derbt: wer er­löst ihn? "was er­löst ihn?" – Ant­wor­ten wir nicht. Sei­en wir vor­sich­tig. Be­kämp­fen wir un­sern Ehr­geiz, wel­cher Re­li­gio­nen stif­ten möch­te. Aber Nie­mand darf zwei­feln, dass wir ihn er­lö­sen, dass uns­re Mu­sik al­lein er­löst … (Wa­gner’s Auf­satz "Re­li­gi­on und Kunst".)

      Ge­nug! Ge­nug! Man wird, fürch­te ich, zu deut­lich nur un­ter mei­nen hei­tern Stri­chen die si­nis­tre Wirk­lich­keit wie­der­er­kannt ha­ben – das Bild ei­nes Ver­falls der Kunst, ei­nes Ver­falls auch der Künst­ler. Der letz­te­re, ein Cha­rak­ter-Ver­fall, käme viel­leicht mit die­ser For­mel zu ei­nem vor­läu­fi­gen Aus­druck: der Mu­si­ker wird jetzt zum Schau­spie­ler, sei­ne Kunst ent­wi­ckelt sich im­mer mehr als ein Ta­lent zu lü­gen. Ich wer­de eine Ge­le­gen­heit ha­ben (in ei­nem Ca­pi­tel mei­nes Haupt­werks, das den Ti­tel führt "Zur Phy­sio­lo­gie der Kunst"), des Nä­he­ren zu zei­gen, wie die­se Ge­sammt­ver­wand­lung der Kunst in’s Schau­spie­le­ri­sche eben so be­stimmt ein Aus­druck phy­sio­lo­gi­scher De­ge­ne­re­scenz (ge­nau­er, eine Form des Hys­te­ris­mus) ist, wie jede ein­zel­ne Ver­derb­niss und Ge­brech­lich­keit der durch Wa­gner in­au­gur­ir­ten Kunst: zum Bei­spiel die Un­ru­he ih­rer Op­tik, die dazu nö­thigt, in je­dem Au­gen­blick die Stel­lung vor ihr zu wech­seln. Man ver­steht Nichts von Wa­gner, so lan­ge man in ihm nur ein Na­tur­spiel, eine Will­kür und Lau­ne, eine Zu­fäl­lig­keit sieht. Er war kein "lücken­haf­tes", kein "ver­un­glück­tes", kein "con­tra­dik­to­ri­sches" Ge­nie, wie man wohl ge­sagt hat. Wa­gner war et­was Voll­komm­nes, ein ty­pi­scher dé­ca­dent, bei dem je­der "freie Wil­le" fehlt, je­der Zug No­thwen­dig­keit hat. Wenn ir­gend Et­was in­ter­essant ist an Wa­gner, so ist es die Lo­gik, mit der ein phy­sio­lo­gi­scher Miss­stand als Prak­tik und Pro­ze­dur, als Neue­rung in den Prin­ci­pi­en, als Kri­sis des Ge­schmacks Schluss für Schluss, Schritt für Schritt macht.

      Ich hal­te mich dies Mal nur bei der Fra­ge des Stils auf. – Wo­mit kenn­zeich­net sich jede lit­te­ra­ri­sche dé­ca­dence? Da­mit, dass das Le­ben nicht mehr im Gan­zen wohnt. Das Wort wird sou­ver­ain und springt aus dem Satz hin­aus, der Satz greift über und ver­dun­kelt den Sinn der Sei­te, die Sei­te ge­winnt Le­ben auf Un­kos­ten des Gan­zen – das Gan­ze ist kein Gan­zes mehr. Aber das ist das Gleich­niss für je­den Stil der dé­ca­dence: je­des Mal An­ar­chie der Ato­me, Dis­gre­ga­ti­on des Wil­lens, "Frei­heit des In­di­vi­du­ums", mo­ra­lisch ge­re­det, – zu ei­ner po­li­ti­schen Theo­rie er­wei­tert "glei­che Rech­te für Alle". Das Le­ben, die glei­che Le­ben­dig­keit, die Vi­bra­ti­on und Exu­be­ranz des Le­bens in die kleins­ten Ge­bil­de zu­rück­ge­drängt, der Rest arm an Le­ben. über­all Läh­mung, Müh­sal, Er­star­rung oder Feind­schaft und Cha­os: bei­des im­mer mehr in die Au­gen sprin­gend, in je hö­he­re For­men der Or­ga­ni­sa­ti­on man auf­steigt. Das Gan­ze lebt über­haupt nicht mehr: es ist zu­sam­men­ge­setzt, ge­rech­net, künst­lich, ein Ar­te­fakt. –

      Bei Wa­gner steht im An­fang die Hal­lu­ci­na­ti­on: nicht von Tö­nen, son­dern von Ge­bär­den. Zu ih­nen sucht er erst die Ton-Se­mio­tik. Will man ihn be­wun­dern, so sehe man ihn hier an der Ar­beit: wie er hier trennt, wie er klei­ne Ein­hei­ten ge­winnt, wie er die­se be­lebt, her­aus­treibt, sicht­bar macht. Aber dar­an er­schöpft sich sei­ne Kraft: der Rest taugt Nichts. Wie arm­se­lig, wie ver­le­gen, wie lai­en­haft ist sei­ne Art zu "ent­wi­ckeln", sein Ver­such, Das, was nicht aus­ein­an­der ge­wach­sen ist, we­nigs­tens durch­ein­an­der zu ste­cken! Sei­ne Ma­nie­ren da­bei er­in­nern an die auch sonst für Wa­gner’s Stil her­an­zieh­ba­ren fréres de Gon­court: man hat eine Art Er­bar­men mit so­viel Noth­stand. Dass Wa­gner sei­ne Un­fä­hig­keit zum or­ga­ni­schen Ge­stal­ten in ein Prin­cip ver­klei­det hat, dass er einen dra­ma­ti­schen Stil" sta­tu­irt, wo wir bloss sein Un­ver­mö­gen zum Stil über­haupt sta­tu­i­ren, ent­spricht ei­ner küh­nen Ge­wohn­heit, die Wa­gnern durch­’s gan­ze Le­ben be­glei­tet hat: er setzt ein Prin­cip an, wo ihm ein Ver­mö­gen fehlt (– sehr ver­schie­den hier­in, an­bei ge­sagt, vom al­ten Kant, der eine and­re Kühn­heit lieb­te: näm­lich über­all, wo ihm ein Prin­cip fehl­te, ein "Ver­mö­gen" da­für im Men­schen an­zu­set­zen … ). Noch­mals ge­sagt: be­wun­de­rungs­wür­dig, lie­bens­wür­dig ist Wa­gner nur in der Er­fin­dung des Kleins­ten, in der Aus­dich­tung des De­tails, – man hat al­les Recht auf sei­ner СКАЧАТЬ