Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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СКАЧАТЬ Ab­falls-Ele­men­te al­ler Art (– die­se wol­len mit dem Chris­tent­hum zur Macht). Sie drückt nicht den Nie­der­gang ei­ner Ras­se aus, sie ist eine Ag­gre­gat-Bil­dung sich zu­sam­mendrän­gen­der und sich su­chen­der dé­ca­dence-For­men von Über­all. Es ist nicht, wie man glaubt, die Kor­rup­ti­on des Al­ter­thums selbst, des vor­neh­men Al­ter­thums, was das Chris­tent­hum er­mög­lich­te: man kann dem ge­lehr­ten Idio­tis­mus, der auch heu­te noch so Et­was auf­recht er­hält, nicht hart ge­nug wi­der­spre­chen. In der Zeit, wo die kran­ken, ver­dor­be­nen Tschan­da­la-Schich­ten im gan­zen Im­pe­ri­um sich chris­tia­ni­sir­ten, war ge­ra­de der Ge­gen­ty­pus, die Vor­nehm­heit, in ih­rer schöns­ten und reifs­ten Ge­stalt vor­han­den. Die große Zahl wur­de Herr; der De­mo­kra­tis­mus der christ­li­chen In­stink­te sieg­te … Das Chris­tent­hum war nicht »na­tio­nal«, nicht ras­se­be­dingt, – es wen­de­te sich an jede Art von Ent­erb­ten des Le­bens, es hat­te sei­ne Ver­bün­de­ten über­all. Das Chris­tent­hum hat die Ran­cu­ne der Kran­ken auf dem Grun­de, den In­stinkt ge­gen die Ge­sun­den, ge­gen die Ge­sund­heit ge­rich­tet. Al­les Wohl­ge­rat­he­ne, Stol­ze, Über­müthi­ge, die Schön­heit vor Al­lem thut ihm in Ohren und Au­gen weh. Noch­mals er­inn­re ich an das un­schätz­ba­re Wort des Pau­lus: »Was schwach ist vor der Welt, was thö­richt ist vor der Welt, das Uned­le und Ver­ach­te­te vor der Welt hat Gott er­wäh­let«: das war die For­mel, in hoc si­gno sieg­te die dé­ca­dence. – Gott am Kreu­ze – ver­steht man im­mer noch die furcht­ba­re Hin­ter­ge­dank­lich­keit die­ses Sym­bols nicht? – Al­les was lei­det, Al­les was am Kreu­ze hängt, ist gött­lich … Wir Alle hän­gen am Kreu­ze, folg­lich sind wir gött­lich … Wir al­lein sind gött­lich … Das Chris­tent­hum war ein Sieg, eine vor­neh­me­re Ge­sin­nung gieng an ihm zu Grun­de,– das Chris­tent­hum war bis­her das größ­te Un­glück der Mensch­heit. – –

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      52.

      Das Chris­tent­hum steht auch im Ge­gen­satz zu al­ler geis­ti­gen Wohl­ge­rat­hen­heit, – es kann nur die kran­ke Ver­nunft als christ­li­che Ver­nunft brau­chen, es nimmt die Par­tei al­les Idio­ti­schen, es spricht den Fluch aus ge­gen den »Geist«, ge­gen die su­per­bia­des ge­sun­den Geis­tes. Weil die Krank­heit zum We­sen des Chris­tent­hums ge­hört, muß auch der ty­pisch-christ­li­che Zu­stand, »der Glau­be«, eine Krank­heits­form sein, müs­sen alle ge­ra­den, recht­schaff­nen, wis­sen­schaft­li­chen Wege zur Er­kennt­nis von der Kir­che als ver­bo­te­ne Wege ab­ge­lehnt wer­den. Der Zwei­fel be­reits ist eine Sün­de … Der voll­komm­ne Man­gel an psy­cho­lo­gi­scher Rein­lich­keit beim Pries­ter – im Blick sich ver­rat­hend – ist eine Fol­ge­er­schei­nung der dé­ca­dence– man hat die hys­te­ri­schen Frau­en­zim­mer, and­rer­seits rha­chi­tisch an­ge­leg­te Kin­der dar­auf hin zu be­ob­ach­ten, wie re­gel­mä­ßig Falsch­heit aus In­stinkt, Lust zu lü­gen, um zu lü­gen, Un­fä­hig­keit zu ge­ra­den Bli­cken und Schrit­ten der Aus­druck von dé­ca­dence ist. »Glau­be« heißt Nicht-wis­sen- wol­len, was wahr ist. Der Pie­tist, der Pries­ter bei­der­lei Ge­schlechts, ist falsch, weil er krank ist: sein In­stinkt ver­langt, daß die Wahr­heit an kei­nem Punkt zu Rech­te kommt. »Was krank macht, ist gut; was aus der Fül­le, aus dem Über­fluß, aus der Macht kommt, ist böse«: so emp­fin­det der Gläu­bi­ge. Die Un­frei­heit zur Lüge – dar­an er­rat­he ich je­den vor­her­be­stimm­ten Theo­lo­gen. – Ein andres Ab­zei­chen des Theo­lo­gen ist sein Un­ver­mö­gen zur Phi­lo­lo­gie. Un­ter Phi­lo­lo­gie soll hier, in ei­nem sehr all­ge­mei­nen Sin­ne, die Kunst, gut zu le­sen, ver­stan­den wer­den, – That­sa­chen ab­le­sen kön­nen, ohne sie durch In­ter­pre­ta­ti­on zu fäl­schen, ohne im Ver­lan­gen nach Ver­ständ­niß die Vor­sicht, die Ge­duld, die Fein­heit zu ver­lie­ren. Phi­lo­lo­gie als Ephe­xis in der In­ter­pre­ta­ti­on: hand­le es sich nun um Bü­cher, um Zei­tungs-Neu­ig­kei­ten, um Schick­sa­le oder Wet­ter-That­sa­chen, – nicht zu re­den vom »Heil der See­le« … Die Art, wie ein Theo­log, gleich­gül­tig ob in Ber­lin oder in Rom, ein »Schrift­wort« aus­legt oder ein Er­leb­niß, einen Sieg des va­ter­län­di­schen Heers zum Bei­spiel un­ter der hö­he­ren Be­leuch­tung der Psal­men Da­vi­d’s, ist im­mer der­ge­stalt kühn, daß ein Phi­lo­log da­bei an al­len Wän­den em­por­läuft. Und was soll er gar an­fan­gen, wenn Pie­tis­ten und and­re Kühe aus dem Schwa­ben­lan­de den arm­se­li­gen All­tag und Stu­ben­rauch ih­res Da­seins mit dem »Fin­ger Got­tes« zu ei­nem Wun­der von »Gna­de«, von »Vor­se­hung«, von »Heil­ser­fah­run­gen« zu­recht ma­chen! Der be­schei­dens­te Auf­wand von Geist, um nicht zu sa­gen von An­stand, muß­te die­se In­ter­pre­ten doch dazu brin­gen, sich des voll­kom­men Kin­di­schen und Un­wür­di­gen ei­nes sol­chen Miß­brauchs der gött­li­chen Fin­ger­fer­tig­keit zu über­füh­ren. Mit ei­nem noch so klei­nen Maa­ße von Fröm­mig­keit im Lei­be soll­te uns ein Gott, der zur rech­ten Zeit vom Schnup­fen cur­irt, oder der uns in ei­nem Au­gen­blick in die Kut­sche stei­gen heißt, wo ge­ra­de ein großer Re­gen los­bricht, ein so ab­sur­der Gott sein, daß man ihn ab­schaf­fen müß­te, selbst wenn er existir­te. Ein Gott als Dienst­bo­te, als Brief­trä­ger, als Ka­len­der­mann, – im Grun­de ein Wort für die dümms­te Art al­ler Zu­fäl­le … Die »gött­li­che Vor­se­hung«, wie sie heu­te noch un­ge­fähr je­der drit­te Mensch im »ge­bil­de­ten Deutsch­land« glaubt, wäre ein Ein­wand ge­gen Gott, wie er stär­ker gar nicht ge­dacht wer­den konn­te. Und in je­dem Fall ist er ein Ein­wand ge­gen Deut­sche! …

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      53.

      – Daß Mär­ty­rer Et­was für die Wahr­heit ei­ner Sa­che be­wei­sen, ist so we­nig wahr, daß ich leug­nen möch­te, es habe je ein Mär­ty­rer über­haupt Et­was mit der Wahr­heit zu thun ge­habt. In dem Tone, mit dem ein Mär­ty­rer sein Für-wahr-hal­ten der Welt an den Kopf wirft, drückt sich be­reits ein so nied­ri­ger Grad in­tel­lek­tu­el­ler Recht­schaf­fen­heit, eine sol­che Stumpf­heit für die Fra­ge »Wahr­heit« aus, daß man einen Mär­ty­rer nie zu wi­der­le­gen braucht. Die Wahr­heit ist Nichts, was Ei­ner hät­te und ein And­rer nicht hät­te: so kön­nen höchs­tens Bau­ern oder Bau­ern-Apos­tel nach Art Luther’s über die Wahr­heit den­ken. Man darf si­cher sein, daß je nach dem Gra­de der Ge­wis­sen­haf­tig­keit in Din­gen des Geis­tes die Be­schei­den­heit, die Be­schei­dung in die­sem Punk­te im­mer grö­ßer wird. In fünf Sa­chen wis­sen, und mit zar­ter Hand es ab­leh­nen, sonst zu wis­sen … »Wahr­heit«, wie das Wort je­der Pro­phet, je­der Sek­ti­rer, je­der Frei­geist, je­der So­cia­list, je­der Kir­chen­mann ver­steht, ist ein voll­komm­ner Be­weis da­für, daß auch noch nicht ein­mal der An­fang mit je­ner Zucht des Geis­tes und Selb­st­über­win­dung ge­macht ist, die zum Fin­den ir­gend ei­ner klei­nen, noch so klei­nen Wahr­heit noch thut. – Die Mär­ty­rer-Tode, an­bei ge­sagt, sind ein großes Un­glück in der Ge­schich­te ge­we­sen: sie ver­führ­ten … Der Schluß al­ler Idio­ten, Weib und Voll ein­ge­rech­net, daß es mit ei­ner Sa­che, für die Je­mand in den Tod geht (oder die gar, wie das ers­te Chris­tent­hum, tod­süch­ti­ge Epi­de­mi­en er­zeugt), Et­was auf sich habe, – die­ser Schluß ist der Prü­fung, dem Geist der Prü­fung und Vor­sicht un­säg­lich zum Hemm­schuh ge­wor­den. Die Mär­ty­rer scha­de­ten der Wahr­heit … Auch heu­te noch be­darf es nur ei­ner Cru­di­tät der Ver­fol­gung, um ei­ner an sich noch so gleich­gül­ti­gen Sek­ti­re­rei einen eh­ren­haf­ten СКАЧАТЬ