Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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СКАЧАТЬ An­de­res zu thun. Sie muss erst Scho­pen­hau­er stu­di­ren; sie muss das vier­te Buch der "Welt als Wil­le und Vor­stel­lung" in Ver­se brin­gen. Wa­gner war er­löst … Al­len Erns­tes, dies war eine Er­lö­sung. Die Wohl­that, die Wa­gner Scho­pen­hau­ern ver­dankt, ist un­er­mess­lich. Erst der Phi­lo­soph der dé­ca­dence gab dem Künst­ler der dé­ca­dence sich selbst – –

      Dem Künst­ler der dé­ca­dence – da steht das Wort. Und da­mit be­ginnt mein Ernst. Ich bin fer­ne da­von, harm­los zu­zu­schau­en, wenn die­ser dé­ca­dent uns die Ge­sund­heit verdirbt – und die Mu­sik dazu! Ist Wa­gner über­haupt ein Mensch? Ist er nicht eher eine Krank­heit? Er macht Al­les krank, wor­an er rührt, – er hat die Mu­sik krank ge­macht –

      Ein ty­pi­scher dé­ca­dent, der sich nothwen­dig in sei­nem ver­derb­ten Ge­schmack fühlt, der mit ihm einen hö­he­ren Ge­schmack in An­spruch nimmt, der sei­ne Ver­derb­niss als Ge­setz, als Fort­schritt, als Er­fül­lung in Gel­tung zu brin­gen weiss.

      Und man wehrt sich nicht. Sei­ne Ver­füh­rungs­kraft steigt in’s Un­ge­heu­re, es qualmt um ihn von Weih­rauch, das Miss­ver­ständ­niss über ihn heisst sich "Evan­ge­li­um" – er hat durch­aus nicht bloss die Ar­men des Geis­tes zu sich über­re­det!

      Ich habe Lust, ein we­nig die Fens­ter auf­zu­ma­chen. Luft! Mehr Luft! – –

      Dass man sich in Deutsch­land über Wa­gner be­trügt, be­frem­det mich nicht. Das Ge­gent­heil wür­de mich be­frem­den. Die Deut­schen ha­ben sich einen Wa­gner zu­recht ge­macht, den sie ver­eh­ren kön­nen: sie wa­ren noch nie Psy­cho­lo­gen, sie sind da­mit dank­bar, dass sie miss­ver­stehn. Aber dass man sich auch in Pa­ris über Wa­gner be­trügt! wo man bei­na­he nichts Andres mehr ist als Psy­cho­log. Und in Sankt-Pe­ters­burg! wo man Din­ge noch er­räth, die selbst in Pa­ris nicht er­rat­hen wer­den. Wie ver­wandt muss Wa­gner der ge­samm­ten eu­ro­päi­schen dé­ca­dence sein, dass er von ihr nicht als dé­ca­dent emp­fun­den wird! Er ge­hört zu ihr: er ist ihr Pro­tago­nist, ihr grös­ster Name … Man ehrt sich, wenn man ihn in die Wol­ken hebt. – Denn dass man nicht ge­gen ihn sich wehrt, das ist selbst schon ein Zei­chen von dé­ca­dence. Der In­stinkt ist ge­schwächt. Was man zu scheu­en hät­te, das zieht an. Man setzt an die Lip­pen, was noch schnel­ler in den Ab­grund treibt. – Will man ein Bei­spiel? Aber man hat nur das ré­gime zu be­ob­ach­ten, das sich Anämi­sche oder Gich­ti­sche oder Dia­be­ti­ker selbst ver­ord­nen. De­fi­ni­ti­on des Ve­ge­ta­ri­ers: ein We­sen, das eine cor­ro­bor­i­ren­de Diät nö­thig hat. Das Schäd­li­che als schäd­lich emp­fin­den, sich et­was Schäd­li­ches ver­bie­ten kön­nen ist ein Zei­chen noch von Ju­gend, von Le­bens­kraft. Den Er­schöpf­ten lockt das Schäd­li­che: den Ve­ge­ta­ri­er das Ge­mü­se. Die Krank­heit selbst kann ein Sti­mu­lans des Le­bens sein: nur muss man ge­sund ge­nug für dies Sti­mu­lans sein! – Wa­gner ver­mehrt die Er­schöp­fung: des­halb zieht er die Schwa­chen und Er­schöpf­ten an. Oh über das Klap­per­schlan­gen-Glück des al­ten Meis­ters, da er ge­ra­de im­mer "die Kind­lein" zu sich kom­men sah! –

      Ich stel­le die­sen Ge­sichts­punkt vor­an: Wa­gner’s Kunst ist krank. Die Pro­ble­me, die er auf die Büh­ne bringt – lau­ter Hys­te­ri­ker-Pro­ble­me –, das Con­vul­si­vi­sche sei­nes Af­fekts, sei­ne über­reiz­te Sen­si­bi­li­tät, sein Ge­schmack, der nach im­mer schär­fern Wür­zen ver­lang­te, sei­ne In­sta­bi­li­tät, die er zu Prin­ci­pi­en ver­klei­de­te, nicht am we­nigs­ten die Wahl sei­ner Hel­den und Hel­din­nen, die­se als phy­sio­lo­gi­sche Ty­pen be­trach­tet (– eine Kran­ken-Ga­le­rie! –): Al­les zu­sam­men stellt ein Krank­heits­bild dar, das kei­nen Zwei­fel lässt. Wa­gner est une névro­se. Nichts ist viel­leicht heu­te bes­ser be­kannt, Nichts je­den­falls bes­ser stu­dirt als der Pro­teus-Cha­rak­ter der De­ge­ne­re­scenz, der hier sich als Kunst und Künst­ler ver­puppt. Uns­re Aerz­te und Phy­sio­lo­gen ha­ben in Wa­gner ih­ren in­ter­essan­tes­ten Fall, zum Min­des­ten einen sehr voll­stän­di­gen. Gera­de, weil Nichts mo­der­ner ist als die­se Ge­samm­ter­kran­kung, die­se Spät­heit und Über­reizt­heit der ner­vö­sen Ma­schi­ne­rie, ist Wa­gner der mo­der­ne Künst­ler par ex­cel­lence, der Cagliostro der Mo­der­ni­tät. In sei­ner Kunst ist auf die ver­füh­re­ri­sche­s­te Art ge­mischt, was heu­te alle Welt am nö­thigs­ten hat, – die drei gros­sen Sti­mu­lan­tia der Er­schöpf­ten, das Bru­ta­le, das Künst­li­che und das Un­schul­di­ge (Idio­ti­sche).

      Wa­gner ist ein gros­ser Ver­derb für die Mu­sik. Er hat in ihr das Mit­tel er­rat­hen, müde Ner­ven zu rei­zen, – er hat die Mu­sik da­mit krank ge­macht. Sei­ne Er­fin­dungs­ga­be ist kei­ne klei­ne in der Kunst, die Er­schöpf­tes­ten wie­der auf­zu­sta­cheln, die Halb­tod­ten in’s Le­ben zu ru­fen. Er ist der Meis­ter hyp­no­ti­scher Grif­fe, er wirft die Stärks­ten noch wie Stie­re um. Der Er­folg Wa­gner’s – sein Er­folg bei den Ner­ven und folg­lich bei den Frau­en – hat die gan­ze ehr­gei­zi­ge Mu­si­ker-Welt zu Jün­gern sei­ner Ge­heim­kunst ge­macht. Und nicht nur die ehr­gei­zi­ge, auch die klu­ge … Man macht heu­te nur Geld mit kran­ker Mu­sik; uns­re gros­sen Thea­ter le­ben von Wa­gner.

      – Ich ge­stat­te mir wie­der eine Er­hei­te­rung. Ich set­ze den Fall, dass der Er­folg Wa­gner’s leib­haft wür­de, Ge­stalt an­näh­me, dass er, ver­klei­det zum men­schen­freund­li­chen Mu­sik­ge­lehr­ten, sich un­ter jun­ge Künst­ler misch­te. Wie mei­nen Sie wohl, dass er sich da ver­laut­bar­te? –

      Mei­ne Freun­de, wür­de er sa­gen, re­den wir fünf Wor­te un­ter uns. Es ist leich­ter, schlech­te Mu­sik zu ma­chen als gute. Wie? wenn es aus­ser­dem auch noch vort­heil­haf­ter wäre? wir­kungs­vol­ler, über­re­den­der, be­geis­tern­der, zu­ver­läs­si­ger? wag­ne­ri­scher? … Pulchrum est pau­corum ho­mi­num. Schlimm ge­nug! Wir ver­stehn La­tein, wir ver­stehn viel­leicht auch un­sern Vort­heil. Das Schö­ne hat sei­nen Ha­ken: wir wis­sen das. Wozu also Schön­heit? Wa­rum nicht lie­ber das Gros­se, das Er­hab­ne, das Gi­gan­ti­sche, Das, was die Mas­sen be­wegt? – Und noch­mals: es ist leich­ter, gi­gan­tisch zu sein als schön; wir wis­sen das …

      Wir ken­nen die Mas­sen, wir ken­nen das Thea­ter. Das Bes­te, was dar­in sitzt, deut­sche Jüng­lin­ge, ge­hörn­te Sieg­frie­de und and­re Wa­gne­ria­ner, be­darf des Er­ha­be­nen, des Tie­fen, des Über­wäl­ti­gen­den. So viel ver­mö­gen wir noch. Und das And­re, das auch noch dar­in sitzt, die Bil­dungs-Cre­tins, die klei­nen Bla­sir­ten, die Ewig-Weib­li­chen, die Glück­lich-Ver­dau­en­den, kurz das Volk – be­darf eben­falls des Er­ha­be­nen, des Tie­fen, des Über­wäl­ti­gen­den. Das hat Al­les ei­ner­lei Lo­gik. "Wer uns um­wirft, der ist stark; wer uns er­hebt, der ist gött­lich; wer uns ah­nen macht, der ist tief." – Ent­sch­lies­sen wir uns, mei­ne Herrn Mu­si­ker: wir wol­len sie um­wer­fen, wir wol­len sie er­he­ben, wir wol­len sie ah­nen ma­chen. So viel ver­mö­gen wir noch.

      Was das Ah­nen-ma­chen be­trifft: so nimmt hier un­ser Be­griff "Stil" sei­nen Aus­gangs­punkt. Vor Al­lem kein Ge­dan­ke! Nichts ist com­pro­mit­ti­ren­der als ein Ge­dan­ke! Son­dern der Zu­stand vor dem Ge­dan­ken, das Ge­dräng der noch nicht ge­bo­re­nen Ge­dan­ken, das Ver­spre­chen СКАЧАТЬ