Название: Gesammelte Werke
Автор: Фридрих Вильгельм Ðицше
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962815295
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Nun tauchte er in das kalte Bad seiner furchtbaren Abstraktionen. Das, was wahrhaft ist, muß in ewiger Gegenwart sein, von ihm kann nicht gesagt werden »es war«, »es wird sein«. Das Seiende kann nicht geworden sein: denn woraus hätte es werden können? Aus dem Nichtseienden? Aber das ist nicht und kann Nichts hervorbringen. Aus dem Seienden? Dies würde nichts Anderes als sich selbst erzeugen. Ebenso steht es mit dem Vergehn; es ist ebenso unmöglich wie das Werden, wie jede Veränderung, wie jeder Zuwachs, jede Abnahme. Überhaupt gilt der Satz: Alles, von Dem gesagt werden kann »es ist gewesen« oder »es wird sein«, ist nicht, vom Seienden aber kann nie gesagt werden »es ist nicht«. Das Seiende ist untheilbar, denn wo ist die zweite Macht, die es Heilen sollte? Es ist unbeweglich, denn wohin sollte es sich bewegen? Es kann weder unendlich groß, noch unendlich klein sein, denn es ist vollendet und eine vollendet gegebene Unendlichkeit ist ein Widerspruch. So schwebt es, begrenzt, vollendet, unbeweglich, überall im Gleichgewicht in jedem Punkte gleich vollkommen, wie eine Kugel, aber nicht in einem Raume: denn sonst wäre dieser Raum ein zweites Seiendes. Es kann aber nicht mehrere Seiende geben, denn um sie zu trennen müßte Etwas da sein, das nicht seiend wäre: eine Annahme. die sich selbst aufhebt. So giebt es nur die ewige Einheit.
Wenn jetzt aber Parmenides seinen Blick zurückwandte zur Welt des Werdens, deren Existenz er früher durch so sinnreiche Combinationen zu begreifen gesucht hatte, so zürnte er seinem Auge, daß es das Werden überhaupt sehe, seinem Ohre, daß es dasselbe höre. »Folgt nur nicht dem blöden Auge«, so lautet jetzt sein Imperativ, »nicht dem schallenden Gehöre oder der Zunge, sondern prüft allein mit des Gedankens Kraft!« Damit vollzog er die überaus wichtige, wenn auch noch so unzulängliche und in ihren Folgen verhängnisvolle erste Kritik des Erkenntnißapparats: dadurch, daß er die Sinne und die Befähigung, Abstraktionen zu denken, also die Vernunft jäh auseinanderriß, als ob es zwei durchaus getrennte Vermögen seien, hat er den Intellekt selbst zertrümmert und zu jener gänzlich irrthümlichen Scheidung von »Geist« und »Körper« aufgemuntert, die, besonders seit Plato, wie ein Fluch auf der Philosophie liegt. Alle Sinneswahrnehmungen, urtheilt Parmenides, geben nur Täuschungen; und ihre Haupttäuschung ist eben, daß sie Vorspiegeln, auch das Nichtseiende sei, auch das Werden habe ein Sein. Alle jene Vielheit und Buntheit der erfahrungsmäßig bekannten Welt, der Wechsel ihrer Qualitäten, die Ordnung in ihrem Auf und Nieder, wird erbarmungslos als ein bloßer Schein und Wahn bei Seite geworfen; von dorther ist Nichts zu lernen, also ist jede Mühe verschwendet, die man sich mit dieser erlogenen, durch und durch nichtigen und durch die Sinne gleichsam erschwindelten Welt giebt. Wer so im Ganzen urtheilt, wie dies Parmenides that, hört damit auf, ein Naturforscher im Einzelnen zu sein; seine Theilnahme für die Phänomene dorrt ab, es bildet sich selbst ein Haß, diesen ewigen Trug der Sinne nicht loswerden zu können. Nur in den verblaßtesten, abgezogensten Allgemeinheiten, in den leeren Hülsen der unbestimmtesten Worte soll jetzt die Wahrheit, wie in einem Gehäuse aus Spinnefäden, wohnen: und neben einer solchen »Wahrheit« sitzt nun der Philosoph, ebenfalls blutlos wie eine Abstraktion und rings in Formeln eingesponnen. Die Spinne will doch das Blut ihrer Opfer; aber der parmenideische Philosoph haßt gerade das Blut seiner Opfer, das Blut der von ihm geopferten Empirie.
11.
Und das war ein Grieche, dessen Blüthe ungefähr dem Ausbruche der ionischen Revolution gleichzeitig ist. Einem Griechen war es damals möglich, aus der überreichen Wirklichkeit wie aus einem bloßen gauklerischen Schematismus der Einbildungskräfte zu flüchten – nicht etwa, wie Plato, in das Land der ewigen Ideen, in die Werkstätte des Weltenbildners, um unter den makellosen unzerbrechlichen Urformen der Dinge das Auge zu weiden – sondern in die starre Todesruhe des kältesten, nichtssagenden Begriffs, des Seins. Wir wollen uns ja davor hüten, eine solche merkwürdige Thatsache nach falschen Analogien zu deuten. Jene Flucht war nicht eine Weltflucht im Sinne indischer Philosophen, zu ihr forderte nicht die tiefe religiöse Überzeugung von der Verderbtheit, Vergänglichkeit und Unseligkeit des Daseins auf, jenes letzte Ziel, die Ruhe im Sein, wurde nicht erstrebt als das mystische Versenktsein in eine allgenügende entzückende Vorstellung, die dem gemeinen Menschen ein Räthsel und ein Ärgernis; ist. Das Denken des Parmenides trägt gar Nichts von dem berauschenden dunklen Duft des Indischen an sich, der vielleicht an Pythagoras und Empedokles nicht gänzlich unwahrnehmbar ist: das Wunderliche an jener Thatsache, um diese Zeit, ist vielmehr gerade das Duftlose, Farblose, Seelenlose, Angeformte, der gänzliche Mangel an Blut, Religiosität und ethischer Wärme, das Abstrakt-Schematische – bei einem Griechen! – vor Allem aber die furchtbare Energie des Strebens nach Gewißheit, in einem mythisch denkenden und höchst beweglich-phantastischen Zeitalter. »Nur eine Gewißheit gewährt mir, ihr Götter!« ist das Gebet des Parmenides »und sei sie auf dem Meere des Ungewissen nur ein Brett, breit genug, um darauf zu liegen! Alles Werdende, Üppige, Bunte, Blühende, Täuschende, Reizende, Lebendige, alles Dies nehmt nur für euch: und gebt mir nur die einzige arme leere Gewißheit!«
In der Philosophie des Parmenides präludirt das Thema der Ontologie. Die Erfahrung bot ihm nirgends ein Sein, wie er es sich dachte, aber daraus, daß er es denken konnte, erschloß er, daß es existiren müsse: ein Schluß, der auf der Voraussetzung beruht, daß wir ein Organ der Erkenntnis; haben, das in’s Wesen der Dinge reicht und unabhängig von der Erfahrung ist. Der Stoff unseres Denkens ist nach Parmenides gar nicht in der Anschauung vorhanden, sondern wird anderswoher hinzugebracht, aus einer außersinnlichen Welt, zu der wir durch das Denken einen direkten Zugang haben. Nun hat Aristoteles gegen alle ähnlichen Schlußverfahren bereits geltend gemacht, daß die Existenz nie zur Essenz, das Dasein nie zum Wesen des Dinges gehöre. Gerade deshalb ist aus dem Begriffe »Sein« – dessen essentia eben nur das Sein ist – gar nicht auf eine existentia des Seins zu schließen. Die logische Wahrheit jenes Gegensatzes »Sein« und »Nichtsein« ist vollkommen leer, wenn nicht der zu Grunde liegende Gegenstand, wenn nicht die Anschauung gegeben werden kann, aus der dieser Gegensatz, durch Abstraktion, abgeleitet ist, sie ist, ohne dies Zurückgehn auf die Anschauung, nur ein Spiel mit Vorstellungen, durch das in der That gar Nichts erkannt wird. Denn das bloß logische Kriterium der Wahrheit, wie Kant lehrt, nämlich die Übereinstimmung СКАЧАТЬ