Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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СКАЧАТЬ Der Un­ver­stand der Mas­se, durch spie­le­ri­sche An­ti­no­mi­en glo­ri­fi­cirt und als Spit­ze al­ler Er­kennt­niß ge­prie­sen, war ihm ein schmerz­li­ches und un­be­greif­li­ches Er­leb­niß.

      Nun tauch­te er in das kal­te Bad sei­ner furcht­ba­ren Abstrak­tio­nen. Das, was wahr­haft ist, muß in ewi­ger Ge­gen­wart sein, von ihm kann nicht ge­sagt wer­den »es war«, »es wird sein«. Das Sei­en­de kann nicht ge­wor­den sein: denn wor­aus hät­te es wer­den kön­nen? Aus dem Nicht­sei­en­den? Aber das ist nicht und kann Nichts her­vor­brin­gen. Aus dem Sei­en­den? Dies wür­de nichts An­de­res als sich selbst er­zeu­gen. Eben­so steht es mit dem Ver­gehn; es ist eben­so un­mög­lich wie das Wer­den, wie jede Ver­än­de­rung, wie je­der Zu­wachs, jede Ab­nah­me. Über­haupt gilt der Satz: Al­les, von Dem ge­sagt wer­den kann »es ist ge­we­sen« oder »es wird sein«, ist nicht, vom Sei­en­den aber kann nie ge­sagt wer­den »es ist nicht«. Das Sei­en­de ist un­t­heil­bar, denn wo ist die zwei­te Macht, die es Hei­len soll­te? Es ist un­be­weg­lich, denn wo­hin soll­te es sich be­we­gen? Es kann we­der un­end­lich groß, noch un­end­lich klein sein, denn es ist vollen­det und eine vollen­det ge­ge­be­ne Unend­lich­keit ist ein Wi­der­spruch. So schwebt es, be­grenzt, vollen­det, un­be­weg­lich, über­all im Gleich­ge­wicht in je­dem Punk­te gleich voll­kom­men, wie eine Ku­gel, aber nicht in ei­nem Rau­me: denn sonst wäre die­ser Raum ein zwei­tes Sei­en­des. Es kann aber nicht meh­re­re Sei­en­de ge­ben, denn um sie zu tren­nen müß­te Et­was da sein, das nicht sei­end wäre: eine An­nah­me. die sich selbst auf­hebt. So giebt es nur die ewi­ge Ein­heit.

      Wenn jetzt aber Par­me­ni­des sei­nen Blick zu­rück­wand­te zur Welt des Wer­dens, de­ren Exis­tenz er frü­her durch so sinn­rei­che Com­bi­na­tio­nen zu be­grei­fen ge­sucht hat­te, so zürn­te er sei­nem Auge, daß es das Wer­den über­haupt sehe, sei­nem Ohre, daß es das­sel­be höre. »Folgt nur nicht dem blö­den Auge«, so lau­tet jetzt sein Im­pe­ra­tiv, »nicht dem schal­len­den Ge­hö­re oder der Zun­ge, son­dern prüft al­lein mit des Ge­dan­kens Kraft!« Da­mit voll­zog er die über­aus wich­ti­ge, wenn auch noch so un­zu­läng­li­che und in ih­ren Fol­gen ver­häng­nis­vol­le ers­te Kri­tik des Er­kennt­niß­ap­pa­rats: da­durch, daß er die Sin­ne und die Be­fä­hi­gung, Abstrak­tio­nen zu den­ken, also die Ver­nunft jäh aus­ein­an­der­riß, als ob es zwei durch­aus ge­trenn­te Ver­mö­gen sei­en, hat er den In­tel­lekt selbst zer­trüm­mert und zu je­ner gänz­lich irr­t­hüm­li­chen Schei­dung von »Geist« und »Kör­per« auf­ge­mun­tert, die, be­son­ders seit Pla­to, wie ein Fluch auf der Phi­lo­so­phie liegt. Alle Sin­nes­wahr­neh­mun­gen, urt­heilt Par­me­ni­des, ge­ben nur Täu­schun­gen; und ihre Haupt­täu­schung ist eben, daß sie Vor­spie­geln, auch das Nicht­sei­en­de sei, auch das Wer­den habe ein Sein. Alle jene Viel­heit und Bunt­heit der er­fah­rungs­mä­ßig be­kann­ten Welt, der Wech­sel ih­rer Qua­li­tä­ten, die Ord­nung in ih­rem Auf und Nie­der, wird er­bar­mungs­los als ein blo­ßer Schein und Wahn bei Sei­te ge­wor­fen; von dort­her ist Nichts zu ler­nen, also ist jede Mühe ver­schwen­det, die man sich mit die­ser er­lo­ge­nen, durch und durch nich­ti­gen und durch die Sin­ne gleich­sam er­schwin­del­ten Welt giebt. Wer so im Gan­zen urt­heilt, wie dies Par­me­ni­des that, hört da­mit auf, ein Na­tur­for­scher im Ein­zel­nen zu sein; sei­ne Theil­nah­me für die Phä­no­me­ne dorrt ab, es bil­det sich selbst ein Haß, die­sen ewi­gen Trug der Sin­ne nicht los­wer­den zu kön­nen. Nur in den ver­blaß­tes­ten, ab­ge­zo­gens­ten All­ge­mein­hei­ten, in den lee­ren Hül­sen der un­be­stimm­tes­ten Wor­te soll jetzt die Wahr­heit, wie in ei­nem Ge­häu­se aus Spin­ne­fä­den, woh­nen: und ne­ben ei­ner sol­chen »Wahr­heit« sitzt nun der Phi­lo­soph, eben­falls blut­los wie eine Abstrak­ti­on und rings in For­meln ein­ge­spon­nen. Die Spin­ne will doch das Blut ih­rer Op­fer; aber der par­me­ni­de­i­sche Phi­lo­soph haßt ge­ra­de das Blut sei­ner Op­fer, das Blut der von ihm ge­op­fer­ten Em­pi­rie.

      11.

      Und das war ein Grie­che, des­sen Blü­the un­ge­fähr dem Aus­bru­che der io­ni­schen Re­vo­lu­ti­on gleich­zei­tig ist. Ei­nem Grie­chen war es da­mals mög­lich, aus der über­rei­chen Wirk­lich­keit wie aus ei­nem blo­ßen gauk­le­ri­schen Sche­ma­tis­mus der Ein­bil­dungs­kräf­te zu flüch­ten – nicht etwa, wie Pla­to, in das Land der ewi­gen Ide­en, in die Werk­stät­te des Wel­ten­bild­ners, um un­ter den ma­kel­lo­sen un­zer­brech­li­chen Ur­for­men der Din­ge das Auge zu wei­den – son­dern in die star­re To­des­ru­he des käl­tes­ten, nichts­sa­gen­den Be­griffs, des Seins. Wir wol­len uns ja da­vor hü­ten, eine sol­che merk­wür­di­ge That­sa­che nach falschen Ana­lo­gi­en zu deu­ten. Jene Flucht war nicht eine Welt­flucht im Sin­ne in­di­scher Phi­lo­so­phen, zu ihr for­der­te nicht die tie­fe re­li­gi­öse Über­zeu­gung von der Ver­derbt­heit, Ver­gäng­lich­keit und Un­se­lig­keit des Da­seins auf, je­nes letz­te Ziel, die Ruhe im Sein, wur­de nicht er­strebt als das mys­ti­sche Ver­senkt­sein in eine all­ge­nü­gen­de ent­zücken­de Vor­stel­lung, die dem ge­mei­nen Men­schen ein Räth­sel und ein Är­ger­nis; ist. Das Den­ken des Par­me­ni­des trägt gar Nichts von dem be­rau­schen­den dunklen Duft des In­di­schen an sich, der viel­leicht an Py­tha­go­ras und Em­pe­do­kles nicht gänz­lich un­wahr­nehm­bar ist: das Wun­der­li­che an je­ner That­sa­che, um die­se Zeit, ist viel­mehr ge­ra­de das Duft­lo­se, Farb­lo­se, See­len­lo­se, An­ge­form­te, der gänz­li­che Man­gel an Blut, Re­li­gio­si­tät und ethi­scher Wär­me, das Abstrakt-Sche­ma­ti­sche – bei ei­nem Grie­chen! – vor Al­lem aber die furcht­ba­re Ener­gie des Stre­bens nach Ge­wiß­heit, in ei­nem my­thisch den­ken­den und höchst be­weg­lich-phan­tas­ti­schen Zeit­al­ter. »Nur eine Ge­wiß­heit ge­währt mir, ihr Göt­ter!« ist das Ge­bet des Par­me­ni­des »und sei sie auf dem Mee­re des Un­ge­wis­sen nur ein Brett, breit ge­nug, um dar­auf zu lie­gen! Al­les Wer­den­de, Üp­pi­ge, Bun­te, Blü­hen­de, Täu­schen­de, Rei­zen­de, Le­ben­di­ge, al­les Dies nehmt nur für euch: und gebt mir nur die ein­zi­ge arme lee­re Ge­wiß­heit!«

      In der Phi­lo­so­phie des Par­me­ni­des prä­lu­dirt das The­ma der On­to­lo­gie. Die Er­fah­rung bot ihm nir­gends ein Sein, wie er es sich dach­te, aber dar­aus, daß er es den­ken konn­te, er­schloß er, daß es existiren müs­se: ein Schluß, der auf der Voraus­set­zung be­ruht, daß wir ein Or­gan der Er­kennt­nis; ha­ben, das in’s We­sen der Din­ge reicht und un­ab­hän­gig von der Er­fah­rung ist. Der Stoff un­se­res Den­kens ist nach Par­me­ni­des gar nicht in der An­schau­ung vor­han­den, son­dern wird an­ders­wo­her hin­zu­ge­bracht, aus ei­ner au­ßer­sinn­li­chen Welt, zu der wir durch das Den­ken einen di­rek­ten Zu­gang ha­ben. Nun hat Ari­sto­te­les ge­gen alle ähn­li­chen Schluß­ver­fah­ren be­reits gel­tend ge­macht, daß die Exis­tenz nie zur Es­senz, das Da­sein nie zum We­sen des Din­ges ge­hö­re. Gera­de des­halb ist aus dem Be­grif­fe »Sein« – des­sen es­sen­tia eben nur das Sein ist – gar nicht auf eine exis­ten­tia des Seins zu schlie­ßen. Die lo­gi­sche Wahr­heit je­nes Ge­gen­sat­zes »Sein« und »Nicht­sein« ist voll­kom­men leer, wenn nicht der zu Grun­de lie­gen­de Ge­gen­stand, wenn nicht die An­schau­ung ge­ge­ben wer­den kann, aus der die­ser Ge­gen­satz, durch Abstrak­ti­on, ab­ge­lei­tet ist, sie ist, ohne dies Zu­rück­gehn auf die An­schau­ung, nur ein Spiel mit Vor­stel­lun­gen, durch das in der That gar Nichts er­kannt wird. Denn das bloß lo­gi­sche Kri­te­ri­um der Wahr­heit, wie Kant lehrt, näm­lich die Über­ein­stim­mung СКАЧАТЬ