Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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СКАЧАТЬ er aber aus die­sem Ora­kel her­aus­hör­te, das hielt er für un­s­terb­li­che und ewig deu­tens­wert­he Weis­heit, von un­be­grenz­ter Wir­kung in die Fer­ne, nach dem Vor­bild der pro­phe­ti­schen Re­den der Si­byl­le. Es ist ge­nug für die spä­tes­te Mensch­heit: mag sie es nur wie Ora­kel­sprü­che sich deu­ten las­sen, was er wie der del­phi­sche Gott »we­der aus­sagt, noch ver­birgt«. Ob es gleich von ihm »ohne Lä­cheln, Putz und Sal­ben­duft«, viel­mehr wie mit »schäu­men­dem Mun­de« ver­kün­det wird, es muß zu den tau­sen­den Jah­ren der Zu­kunft drin­gen. Denn die Welt braucht ewig die Wahr­heit, also braucht sie ewig Hera­klit: ob­schon er ih­rer nicht be­darf. Was geht ihn sein Ruhm an? Der Ruhm bei »im­mer fort flie­ßen­den Sterb­li­chen«! wie er höh­nisch aus­ruft. Sein Ruhm geht die Men­schen Et­was an, nicht ihn, die Uns­terb­lich­keit der Mensch­heit braucht ihn, nicht er die Uns­terb­lich­keit des Men­schen Hera­klit. Das, was er schau­te, die Leh­re vom Ge­setz im Wer­den und vom Spiel in der No­thwen­dig­keit, muß von jetzt ab ewig ge­schaut wer­den: er hat von die­sem größ­ten Schau­spiel den Vor­hang auf­ge­zo­gen.

      9.

      Wäh­rend in je­dem Wor­te Hera­klit’s der Stolz und die Ma­je­stät der Wahr­heit, aber der in In­tui­tio­nen er­faß­ten, nicht der an der Strick­lei­ter der Lo­gik er­klet­ter­ten Wahr­heit, sich aus­spricht, wäh­rend er in si­byl­len­haf­ter Ver­zückung schaut, aber nicht späht, er­kennt, aber nicht rech­net: ist ihm in sei­nem Zeit­ge­nos­sen Par­me­ni­des ein Ge­gen­bild an die Sei­te ge­stellt, eben­falls mit dem Ty­pus ei­nes Pro­phe­ten der Wahr­heit, aber gleich­sam aus Eis und nicht aus Feu­er ge­formt und kal­tes ste­chen­des Licht um sich aus­gie­ßend,

      Par­me­ni­des hat, wahr­schein­lich erst in sei­nem hö­he­ren Al­ter, ein­mal einen Mo­ment der al­lerr­eins­ten, durch jede Wirk­lich­keit un­ge­trüb­ten und völ­lig blut­lo­sen Abstrak­ti­on ge­habt; die­ser Mo­ment – un­grie­chisch wie kein and­rer in den zwei Jahr­hun­der­ten des tra­gi­schen Zeit­al­ters –, des­sen Er­zeug­nis die Leh­re vom Sein ist, wur­de für sein ei­ge­nes Le­ben zum Grenz­stein, der es in zwei Pe­ri­oden trenn­te: zu­gleich aber zert­heilt der­sel­be Mo­ment das vor­so­kra­ti­sche Den­ken in zwei Hälf­ten, de­ren ers­te die ana­xi­man­dri­sche, de­ren zwei­te ge­ra­de­zu die par­me­ni­de­i­sche ge­nannt wer­den mag. Die ers­te äl­te­re Pe­ri­ode im eig­nen Phi­lo­so­phi­ren des Par­me­ni­des trägt, eben­falls noch die Si­gna­tur Ana­xi­man­der’s; sie brach­te ein durch­ge­führ­tes phi­lo­so­phisch-phy­si­ka­li­sches Sys­tem, als Ant­wort auf die Fra­gen Ana­xi­man­der’s, her­vor. Als ihn spä­ter je­ner ei­si­ge Abstrak­ti­ons-Schau­der er­faß­te und der ein­fachs­te vom Sein und Nicht­sein re­den­de Satz von ihm hin­ge­stellt wur­de, da war un­ter den vie­len, durch ihn der Ver­nich­tung zu­ge­worf­nen äl­te­ren Leh­ren auch sein eig­nes Sys­tem. Doch scheint er nicht alle vä­ter­li­che Pie­tät ge­gen das kräf­ti­ge und wohl­ge­stal­te­te Kind sei­ner Ju­gend ver­lo­ren zu ha­ben und er half sich des­halb zu sa­gen: »Zwar giebt es nur einen rich­ti­gen Weg; wenn man aber ein­mal auf einen an­dern sich be­ge­ben will, so ist mei­ne äl­te­re An­sicht, ih­rer Güte und Con­se­quenz nach, al­lein im Recht.« Mit die­ser Wen­dung sich schüt­zend hat er sei­nem frü­he­ren phy­si­ka­li­schen Sys­te­me einen wür­di­gen und aus­ge­dehn­ten Raum selbst in je­nem großen Ge­dicht über die Na­tur ge­gönnt, das ei­gent­lich die neue Ein­sicht, als den ein­zi­gen Weg­wei­ser zur Wahr­heit, pro­kla­mi­ren soll­te. Es ist die­se vä­ter­li­che Rück­sicht, selbst wenn durch sie ein Irr­thum ein­ge­schli­chen sein soll­te, ein Rest von mensch­li­cher Emp­fin­dung, bei ei­ner durch lo­gi­sche Starr­heit ganz pe­tri­fi­cir­ten und fast in eine Denk­ma­schi­ne ver­wan­del­ten Na­tur.

      Par­me­ni­des, des­sen per­sön­li­cher Um­gang mit Ana­xi­man­der mir nicht un­glaub­lich scheint, des­sen Aus­ge­hen von Ana­xi­man­der’s Leh­re nicht nur glaub­lich, son­dern evi­dent ist, hat­te das­sel­be Miß­trau­en ge­gen die voll­kom­me­ne Tren­nung ei­ner Welt, die nur ist, und ei­ner Welt, die nur wird, wel­ches auch Hera­klit er­faßt und zur Leug­nung des Seins über­haupt ge­führt hat­te. Bei­de such­ten einen Aus­weg aus je­nem Ge­gen­über und Aus­ein­an­der ei­ner dop­pel­ten Wel­t­ord­nung. Je­ner Sprung in’s Un­be­stimm­te, Un­be­stimm­ba­re, durch den Ana­xi­man­der ein- für al­le­mal dem Rei­che des Wer­dens und sei­nen em­pi­risch ge­ge­be­nen Qua­li­tä­ten ent­flo­hen war, wur­de so selb­stän­dig ge­ar­te­ten Köp­fen, wie de­nen Hera­klit’s und Par­me­ni­des’, nicht leicht; sie such­ten erst zu ge­hen, so­weit sie konn­ten, und be­hiel­ten sich den Sprung für jene Stel­le vor, wo der Fuß nicht mehr Halt fin­det und man sprin­gen muß, um nicht zu fal­len. Bei­de schau­ten wie­der­holt eben jene Welt an, die Ana­xi­man­der so me­lan­cho­lisch ver­urt­heilt und als Ort des Fre­vels und zu­gleich als Buß­stät­te für die Un­ge­rech­tig­keit des Wer­dens er­klärt hat­te. In ih­rem An­schau­en ent­deck­te Hera­klit, wie wir be­reits wis­sen, wel­che wun­der­ba­re Ord­nung, Re­gel­mä­ßig­keit und Si­cher­heit in je­dem Wer­den sich of­fen­bart: dar­aus schloß er, daß das Wer­den selbst nichts Fre­vel­haf­tes und Un­ge­rech­tes sein kön­ne. Ei­nen ganz ver­schied­nen Blick that Par­me­ni­des; er ver­glich die Qua­li­tä­ten mit ein­an­der und glaub­te zu fin­den, daß sie nicht alle gleich­ar­tig sei­en, son­dern in zwei Ru­bri­ken ein­ge­ord­net wer­den müß­ten. Ver­g­lich er zum Bei­spiel Licht und Dun­kel, so war die zwei­te Qua­li­tät er­sicht­lich nur die Ne­ga­ti­on der ers­ten; und so un­ter­schied er po­si­ti­ve und ne­ga­ti­ve Qua­li­tä­ten, ernst­haft be­müht, je­nen Grund­ge­gen­satz im gan­zen Rei­che der Na­tur wie­der­zu­fin­den und zu ver­zeich­nen. Sei­ne Metho­de hier­bei war fol­gen­de: er nahm ein paar Ge­gen­sät­ze, zum Bei­spiel leicht und schwer, dünn und dicht, thä­tig und lei­dend, und hielt sie an je­nen vor­bild­li­chen Ge­gen­satz von Licht und Dun­kel: was dem Lich­ten ent­sprach, war die po­si­ti­ve, was dem Dunklen, die ne­ga­ti­ve Ei­gen­schaft. Nahm er etwa das Schwe­re und das Leich­te, so fiel das Leich­te auf die Sei­te des Lich­ten, das Schwe­re auf die Sei­te des Dunklen: und so galt ihm das Schwe­re nur als die Ne­ga­ti­on des Leich­ten, das Leich­te aber als eine po­si­ti­ve Ei­gen­schaft. Schon aus die­ser Metho­de er­giebt sich eine trot­zen­de, ge­gen die Ein­flüs­te­run­gen der Sin­ne ver­schlos­se­ne Be­fä­hi­gung zur ab­strakt-lo­gi­schen Pro­ce­dur. Das Schwe­re scheint sich ja recht ein­dring­lich den Sin­nen als po­si­ti­ve Qua­li­tät dar­zu­bie­ten; das hielt Par­me­ni­des nicht ab, es zu ei­ner Ne­ga­ti­on zu stem­peln. Eben­so be­zeich­ne­te er die Erde im Ge­gen­satz zum Feu­er, das Kal­te im Ge­gen­satz zum War­men, das Dich­te im Ge­gen­satz zum Dün­nen, das Weib­li­che im Ge­gen­satz zum Männ­li­chen, das Lei­den­de im Ge­gen­satz zum Thä­ti­gen, nur als Ne­ga­tio­nen: so daß vor sei­nem Bli­cke sich uns­re em­pi­ri­sche Welt in zwei ge­trenn­te Sphä­ren schied, in die der po­si­ti­ven Ei­gen­schaf­ten – mit ei­nem lich­ten feu­ri­gen war­men leich­ten dün­nen thä­tig-männ­li­chen Cha­rak­ter – und in die der ne­ga­ti­ven Ei­gen­schaf­ten. Letz­te­re drücken ei­gent­lich nur den Man­gel, die Ab­we­sen­heit der an­de­ren, po­si­ti­ven aus; er be­schrieb also die Sphä­re, in der die po­si­ti­ven Ei­gen­schaf­ten feh­len, als dun­kel, er­dig, kalt, schwer, dicht, und über­haupt als weib­lich-pas­si­ven Cha­rak­ters. Statt der Aus­drücke »po­si­tiv« und »ne­ga­tiv« ge­brauch­te er den fes­ten Ter­mi­nus »sei­end« und »nicht-sei­end« und war da­mit СКАЧАТЬ