Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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СКАЧАТЬ un­ter Frei­heit den när­ri­schen An­spruch, sei­ne es­sen­tia nach Will­kür wie ein Kleid wech­seln zu kön­nen, ver­steht, einen An­spruch, den jede erns­te Phi­lo­so­phie bis­her mit dem ge­büh­ren­den Hoh­ne zu­rück­ge­wie­sen hat. Daß so we­nig Men­schen mit Be­wußt­sein in dem Lo­gos und in Ge­mäß­heit des Al­les über­schau­en­den Künst­lerau­ges le­ben, das rührt da­her, daß ihre See­len naß sind und daß des Men­schen Au­gen und Ohren, über­haupt ihr In­tel­lekt ein schlech­ter Zeu­ge ist, wenn »feuch­ter Schlamm ihre See­len ein­nimmt«. Wa­rum das so ist, wird nicht ge­fragt, eben­so we­nig, warum Feu­er zu Was­ser und Erde wird, Hera­klit hat ja kei­nen Grund, nach­wei­sen zu müs­sen (wie ihn Leib­niz hat­te), daß die­se Welt so­gar die al­ler­bes­te sei, es ge­nügt ihm, daß sie das schö­ne un­schul­di­ge Spiel des Aeon ist. Der Mensch gilt ihm so­gar im All­ge­mei­nen als ein un­ver­nünf­ti­ges We­sen: wo­mit nicht strei­tet, daß sich in al­lem sei­nem We­sen das Ge­setz der all­wal­ten­den Ver­nunft er­füllt. Er nimmt gar nicht eine be­son­ders be­vor­zug­te Stel­lung in der Na­tur ein, de­ren höchs­te Er­schei­nung das Feu­er, zum Bei­spiel als Gestirn, ist, aber nicht der ein­fäl­ti­ge Mensch. Hat die­ser am Feu­er einen Ant­heil durch die No­thwen­dig­keit er­hal­ten, so ist er et­was ver­nünf­ti­ger, so­weit er aus Was­ser und Erde be­steht, steht es schlimm mit sei­ner Ver­nunft. Eine Ver­pflich­tung, daß er den Lo­gos er­ken­nen müs­se, weil er Mensch sei, existirt nicht. Wa­rum giebt es aber Was­ser, warum giebt es Erde? Dies ist für Hera­klit ein viel erns­te­res Pro­blem, als zu fra­gen, warum die Men­schen so dumm und schlecht sei­en. In dem höchs­ten und in dem ver­kehr­tes­ten Men­schen of­fen­bart sich die glei­che im­ma­nen­te Ge­setz­mä­ßig­keit und Ge­rech­tig­keit. Wenn man aber Hera­klit die Fra­ge vor­rücken woll­te: warum ist das Feu­er nicht im­mer Feu­er, warum ist es jetzt Was­ser, jetzt Erde?, so wür­de er eben nur ant­wor­ten »es ist ein Spiel, nehm­t’s nicht zu pa­the­tisch, und vor Al­lem nicht mo­ra­lisch!« Hera­klit be­schreibt nur die vor­hand­ne Welt und hat an ihr das be­schau­li­che Wohl­ge­fal­len, mit dem der Künst­ler auf sein wer­den­des Werk schaut. Düs­ter, schwer­müthig, thrä­nen­reich, fins­ter, schwarz­gal­lig, pes­si­mis­tisch und über­haupt has­sens­wür­dig fin­den ihn nur Die, wel­che mit sei­ner Na­tur­be­schrei­bung des Men­schen nicht zu­frie­den zu sein Ur­sa­che ha­ben. Die­se aber wür­de er, sammt ih­ren An­ti­pa­thi­en und Sym­pa­thi­en, ih­rem Haß und ih­rer Lie­be, für gleich­gül­tig hal­ten und ih­nen etwa mit sol­chen Be­leh­run­gen die­nen »die Hun­de bel­len Je­den an, den sie nicht ken­nen« oder »dem Esel ist Spreu lie­ber als Gold«.

      Von sol­chen Un­zu­fried­nen rüh­ren auch die zahl­rei­chen Kla­gen über die Dun­kel­heit des he­ra­kli­ti­schen Stils her: wahr­schein­lich hat nie ein Mensch hel­ler und leuch­ten­der ge­schrie­ben. Frei­lich sehr kurz, und des­halb al­ler­dings für die le­sen­den Schnell­läu­fer dun­kel. Wie aber ein Phi­lo­soph un­deut­lich, mit Ab­sicht, schrei­ben soll­te – was man Hera­klit nach­zu­sa­gen pflegt – ist völ­lig un­er­klär­lich: falls er nicht Grund hat, Ge­dan­ken zu ver­ber­gen, oder Schelm ge­nug ist, sei­ne Ge­dan­ken­lo­sig­keit un­ter Wor­ten zu ver­ste­cken. Muß man doch so­gar, wie Scho­pen­hau­er sagt, in An­ge­le­gen­hei­ten des ge­wöhn­li­chen prak­ti­schen Le­bens sorg­fäl­tig, durch Deut­lich­keit, mög­li­chen Miß­ver­ständ­nis­sen vor­beu­gen; wie denn soll­te man im schwie­rigs­ten, ab­stru­ses­ten, kaum er­reich­ba­ren Ge­gen­stan­de des Den­kens, den Auf­ga­ben der Phi­lo­so­phie, sich un­be­stimmt, ja räth­sel­haft aus­drücken dür­fen? Was aber die Kür­ze an­be­trifft, so giebt Jean Paul eine gute Leh­re. »Im Gan­zen ist es recht, wenn al­les Gro­ße – von vie­lem Sinn für einen selt­nen Sinn – nur kurz und (da­her) dun­kel aus­ge­spro­chen wird, da­mit der kah­le Geist es lie­ber für Un­sinn er­klä­re, als in sei­nen Leer­sinn über­set­ze. Denn die ge­mei­nen Geis­ter ha­ben eine häß­li­che Ge­schick­lich­keit, im tiefs­ten und reichs­ten Spruch nichts zu se­hen als ihre eig­ne all­täg­li­che Mei­nung«. Üb­ri­gens und trotz­dem ist Hera­klit den »kah­len Geis­tern« nicht ent­gan­gen; be­reits die Stoi­ker ha­ben ihn in’s Fla­che um­ge­deu­tet und sei­ne äs­the­ti­sche Grund­per­cep­ti­on vom Spiel der Welt zu der ge­mei­nen Rück­sicht auf Zweck­mä­ßig­kei­ten der Welt und zwar für die Vort­hei­le der Men­schen her­ab­ge­zo­gen: so daß aus sei­ner Phy­sik, in je­nen Köp­fen, ein cru­der Op­ti­mis­mus, mit der fort­wäh­ren­den Auf­for­de­rung an Hinz und Kunz zum plau­di­te ami­ci, ge­wor­den ist.

      8.

      Hera­klit war stolz: und wenn es bei ei­nem Phi­lo­so­phen zum Stolz kommt, dann giebt es einen großen Stolz. Sein Wir­ken weist ihn nie auf ein »Pub­li­kum«, auf den Bei­fall der Mas­sen und den zu­jauch­zen­den Cho­rus der Zeit­ge­nos­sen hin. Ein­sam die Stra­ße zu ziehn ge­hört zum We­sen des Phi­lo­so­phen. Sei­ne Be­ga­bung ist die sel­tens­te, in ei­nem ge­wis­sen Sin­ne un­na­tür­lichs­te, da­bei selbst ge­gen die gleich­ar­ti­gen Be­ga­bun­gen aus­schlie­ßend und feind­se­lig. Die Mau­er sei­ner Selbst­ge­nüg­sam­keit muß von Dia­mant sein, wenn sie nicht zer­stört und zer­bro­chen wer­den soll, denn Al­les ist ge­gen ihn in Be­we­gung. Sei­ne Rei­se zur Uns­terb­lich­keit ist be­schwer­li­cher und be­hin­der­ter als jede and­re; und doch kann Nie­mand si­che­rer glau­ben als ge­ra­de der Phi­lo­soph, auf ihr zum Zie­le zu kom­men – weil er gar nicht weiß, wo er ste­hen soll, wenn nicht auf den weit aus­ge­brei­te­ten Fit­ti­chen al­ler Zei­ten; denn die Nicht­ach­tung des Ge­gen­wär­ti­gen und Au­gen­blick­li­chen liegt im We­sen der großen phi­lo­so­phi­schen Na­tur. Er hat die Wahr­heit: mag das Rad der Zeit rol­len, wo­hin es will, nie wird es der Wahr­heit ent­flie­hen kön­nen. Es ist wich­tig, von sol­chen Men­schen zu er­fah­ren, daß sie ein­mal ge­lebt ha­ben. Nie wür­de man sich zum Bei­spiel den Stolz des Hera­klit, als eine mü­ßi­ge Mög­lich­keit, ima­gi­ni­ren kön­nen. An sich scheint je­des Stre­ben nach Er­kennt­niß, sei­nem We­sen nach, ewig un­be­frie­digt und un­be­frie­di­gend. Des­halb wird Nie­mand, wenn er nicht durch die His­to­rie be­lehrt ist, an eine so kö­nig­li­che Selb­st­ach­tung und Über­zeugt­heit, der ein­zi­ge be­glück­te Frei­er der Wahr­heit zu sein, glau­ben mö­gen. Sol­che Men­schen le­ben in ih­rem eig­nen Son­nen­sys­tem; dar­in muß man sie auf­su­chen. Auch ein Py­tha­go­ras, ein Em­pe­do­kles be­han­del­ten sich selbst mit ei­ner über­mensch­li­chen Schät­zung, ja mit fast re­li­gi­öser Scheu; aber das Band des Mit­lei­dens, an die große Über­zeu­gung von der See­len­wan­de­rung und der Ein­heit al­les Le­ben­di­gen ge­knüpft, führ­te sie wie­der zu den an­de­ren Men­schen, zu de­ren Heil und Er­ret­tung, hin. Von dem Ge­fühl der Ein­sam­keit aber, das den ephe­si­schen Ein­sied­ler des Ar­te­mis-Tem­pels durch­drang, kann man nur in der wil­des­ten Ge­birgsö­de er­star­rend Et­was ah­nen. Kein über­mäch­ti­ges Ge­fühl mit­lei­di­ger Er­re­gun­gen, kein Be­geh­ren, hel­fen, hei­len und ret­ten zu wol­len, strömt von ihm aus. Er ist ein Gestirn ohne At­mo­sphä­re. Sein Auge, lo­dernd nach in­nen ge­rich­tet, blickt er­stor­ben und ei­sig, wie zum Schei­ne nur, nach au­ßen. Rings um ihn, un­mit­tel­bar an die Fes­te sei­nes Stol­zes, schla­gen die Wel­len des Wahns und der Ver­kehrt­heit: mit Ekel wen­det er sich da­von ab. Aber auch die Men­schen mit füh­len­der Brust wei­chen ei­ner sol­chen wie aus Erz ge­goss­nen Lar­ve aus; in ei­nem ab­ge­leg­nen Hei­ligt­hum, un­ter Göt­ter­bil­dern, ne­ben kal­ter, ru­hig-er­ha­be­ner Archi­tek­tur mag so ein We­sen be­greif­li­cher er­schei­nen. Un­ter Men­schen war Hera­klit, СКАЧАТЬ