Название: Gesammelte Werke
Автор: Фридрих Вильгельм Ðицше
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962815295
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Von solchen Unzufriednen rühren auch die zahlreichen Klagen über die Dunkelheit des heraklitischen Stils her: wahrscheinlich hat nie ein Mensch heller und leuchtender geschrieben. Freilich sehr kurz, und deshalb allerdings für die lesenden Schnellläufer dunkel. Wie aber ein Philosoph undeutlich, mit Absicht, schreiben sollte – was man Heraklit nachzusagen pflegt – ist völlig unerklärlich: falls er nicht Grund hat, Gedanken zu verbergen, oder Schelm genug ist, seine Gedankenlosigkeit unter Worten zu verstecken. Muß man doch sogar, wie Schopenhauer sagt, in Angelegenheiten des gewöhnlichen praktischen Lebens sorgfältig, durch Deutlichkeit, möglichen Mißverständnissen vorbeugen; wie denn sollte man im schwierigsten, abstrusesten, kaum erreichbaren Gegenstande des Denkens, den Aufgaben der Philosophie, sich unbestimmt, ja räthselhaft ausdrücken dürfen? Was aber die Kürze anbetrifft, so giebt Jean Paul eine gute Lehre. »Im Ganzen ist es recht, wenn alles Große – von vielem Sinn für einen seltnen Sinn – nur kurz und (daher) dunkel ausgesprochen wird, damit der kahle Geist es lieber für Unsinn erkläre, als in seinen Leersinn übersetze. Denn die gemeinen Geister haben eine häßliche Geschicklichkeit, im tiefsten und reichsten Spruch nichts zu sehen als ihre eigne alltägliche Meinung«. Übrigens und trotzdem ist Heraklit den »kahlen Geistern« nicht entgangen; bereits die Stoiker haben ihn in’s Flache umgedeutet und seine ästhetische Grundperception vom Spiel der Welt zu der gemeinen Rücksicht auf Zweckmäßigkeiten der Welt und zwar für die Vortheile der Menschen herabgezogen: so daß aus seiner Physik, in jenen Köpfen, ein cruder Optimismus, mit der fortwährenden Aufforderung an Hinz und Kunz zum plaudite amici, geworden ist.
8.
Heraklit war stolz: und wenn es bei einem Philosophen zum Stolz kommt, dann giebt es einen großen Stolz. Sein Wirken weist ihn nie auf ein »Publikum«, auf den Beifall der Massen und den zujauchzenden Chorus der Zeitgenossen hin. Einsam die Straße zu ziehn gehört zum Wesen des Philosophen. Seine Begabung ist die seltenste, in einem gewissen Sinne unnatürlichste, dabei selbst gegen die gleichartigen Begabungen ausschließend und feindselig. Die Mauer seiner Selbstgenügsamkeit muß von Diamant sein, wenn sie nicht zerstört und zerbrochen werden soll, denn Alles ist gegen ihn in Bewegung. Seine Reise zur Unsterblichkeit ist beschwerlicher und behinderter als jede andre; und doch kann Niemand sicherer glauben als gerade der Philosoph, auf ihr zum Ziele zu kommen – weil er gar nicht weiß, wo er stehen soll, wenn nicht auf den weit ausgebreiteten Fittichen aller Zeiten; denn die Nichtachtung des Gegenwärtigen und Augenblicklichen liegt im Wesen der großen philosophischen Natur. Er hat die Wahrheit: mag das Rad der Zeit rollen, wohin es will, nie wird es der Wahrheit entfliehen können. Es ist wichtig, von solchen Menschen zu erfahren, daß sie einmal gelebt haben. Nie würde man sich zum Beispiel den Stolz des Heraklit, als eine müßige Möglichkeit, imaginiren können. An sich scheint jedes Streben nach Erkenntniß, seinem Wesen nach, ewig unbefriedigt und unbefriedigend. Deshalb wird Niemand, wenn er nicht durch die Historie belehrt ist, an eine so königliche Selbstachtung und Überzeugtheit, der einzige beglückte Freier der Wahrheit zu sein, glauben mögen. Solche Menschen leben in ihrem eignen Sonnensystem; darin muß man sie aufsuchen. Auch ein Pythagoras, ein Empedokles behandelten sich selbst mit einer übermenschlichen Schätzung, ja mit fast religiöser Scheu; aber das Band des Mitleidens, an die große Überzeugung von der Seelenwanderung und der Einheit alles Lebendigen geknüpft, führte sie wieder zu den anderen Menschen, zu deren Heil und Errettung, hin. Von dem Gefühl der Einsamkeit aber, das den ephesischen Einsiedler des Artemis-Tempels durchdrang, kann man nur in der wildesten Gebirgsöde erstarrend Etwas ahnen. Kein übermächtiges Gefühl mitleidiger Erregungen, kein Begehren, helfen, heilen und retten zu wollen, strömt von ihm aus. Er ist ein Gestirn ohne Atmosphäre. Sein Auge, lodernd nach innen gerichtet, blickt erstorben und eisig, wie zum Scheine nur, nach außen. Rings um ihn, unmittelbar an die Feste seines Stolzes, schlagen die Wellen des Wahns und der Verkehrtheit: mit Ekel wendet er sich davon ab. Aber auch die Menschen mit fühlender Brust weichen einer solchen wie aus Erz gegossnen Larve aus; in einem abgelegnen Heiligthum, unter Götterbildern, neben kalter, ruhig-erhabener Architektur mag so ein Wesen begreiflicher erscheinen. Unter Menschen war Heraklit, СКАЧАТЬ