Название: Gesammelte Werke
Автор: Фридрих Вильгельм Ðицше
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962815295
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Sich über eine solche Argumentation hinwegzusetzen, wurden jene Gegner der eleatischen unbewegten Einheit durch ein aus der Sinnlichkeit stammendes Vorurtheil verführt. Es scheint so unwiderleglich, daß jedes wahrhaft Seiende ein raumfüllender Körper sei, ein Klumpen Materie, groß oder klein, aber jedenfalls räumlich ausgedehnt: so daß zwei und mehrere solcher Klumpen nicht in einem Raume sein können. Unter dieser Voraussetzung nahm Anaxagoras wie später Demokrit an daß sie sich stoßen müßten, wenn sie in ihren Bewegungen auf einander geriethen, daß sie sich den gleichen Raum streitig machen würden, und daß dieser Kampf eben alle Veränderung verursache. Mit andern Worten: jene ganz isolirten, durch und durch verschiedenartigen und ewig unveränderlichen Substanzen waren doch nicht absolut verschiedenartig gedacht, sondern hatten sämmtlich, außer einer specifischen, ganz besonderen Qualität, doch ein ganz und gar gleichartiges Substrat, ein Stück raumfüllender Materie. In der Theilnahme an der Materie standen sie Alle gleich und konnten deshalb auf einander wirken, d. h. sich stoßen. Überhaupt hieng alle Veränderung ganz und gar nicht ab von der Verschiedenartigkeit jener Substanzen, sondern von ihrer Gleichartigkeit, als Materie. Es liegt hier in den Annahmen des Anaxagoras ein logisches Versehen zu Grunde: denn das wahrhaft an sich Seiende muß gänzlich unbedingt und einheitlich sein, darf somit Nichts als seine Ursache voraussetzen – während alle jene anaxagorischen Substanzen doch noch ein Bedingendes, die Materie haben und deren Existenz bereits voraussetzen: die Substanz »Roth« zum Beispiel war für Anaxagoras eben nicht nur roth an sich, sondern außerdem, verschwiegenerweise, ein Stück qualitätenloser Materie. Nur mit dieser wirkte das »Roth an sich« auf andere Substanzen, nicht mit dem Rothen, sondern mit Dem, was nicht roth, nicht gefärbt, überhaupt nicht qualitativ bestimmt ist. Wäre das Roth als Roth streng genommen worden, als die eigentliche Substanz selbst, also ohne jenes Substrat, so würde Anaxagoras gewiß nicht gewagt haben, von einer Wirkung des Roth auf andre Substanzen zu reden, etwa gar mit der Wendung, daß das »Roth an sich« die vom »Fleischigen an sich« empfangene Bewegung durch Stoß weiterpflanze. Dann würde es klar sein, daß ein solches wahrhaft Seiendes nie bewegt werden könnte.
15.
Man muß auf die Gegner der Eleaten blicken, um die außerordentlichen Vorzüge in der Annahme des Parmenides zu würdigen. Welche Verlegenheiten – denen Parmenides entgangen war – erwarteten Anaxagoras und Alle, welche an eine Vielheit der Substanzen glaubten, bei der Frage: »wie viel Substanzen?« Anaxagoras machte den Sprung, schloß die Augen und sagte: »unendlich viele«: so war er wenigstens über den unglaublich mühseligen Nachweis einer bestimmten Anzahl von Elementarstoffen hinausgeflogen. Da diese unendlich vielen ohne Zuwachs und unverändert, seit Ewigkeiten existiren müßten, so war in jener Annahme der Widerspruch einer abgeschlossen und vollendet zu denkenden Unendlichkeit gegeben. Kurz, die Vielheit, die Bewegung, die Unendlichkeit, von Parmenides durch den staunenswürdigen Satz vom einen Sein in die Flucht geschlagen, lehrten aus der Verbannung zurück und warfen auf die Gegner des Parmenides ihre Geschosse, um mit ihnen Wunden zu verursachen, für die es keine Heilung giebt. Offenbar haben jene Gegner kein sicheres Bewußtsein von der furchtbaren Kraft jener eleatischen Gedanken »es kann keine Zeit, keine Bewegung, keinen Raum geben, denn diese Alle können wir uns nur unendlich denken, und zwar einmal unendlich groß, sodann unendlich theilbar; alles Unendliche aber hat kein Sein, existirt nicht«, was Niemand bezweifelt, der den Sinn des Wortes »Sein« streng faßt und der die Existenz von etwas Widerspruchsvollem, zum Beispiel von einer absolvirten Unendlichkeit für unmöglich hält. Wenn aber gerade die Wirklichkeit uns Alles nur unter der Form der vollendeten Unendlichkeit zeigt, so fällt es in die Augen, daß sie sich selbst widerspricht, also keine wahre Realität hat. Wenn jene Gegner aber einwenden wollten: »aber in eurem Denken selbst giebt es doch Succession, also könnte auch euer Denken nicht real sein und somit auch Nichts beweisen können«, so würde Parmenides vielleicht ähnlich wie Kant in einem ähnlichen Falle, bei einem gleichen Vorwurfe, geantwortet haben: »ich kann zwar sagen, meine Vorstellungen folgen einander: aber das heißt nur: wir sind uns ihrer als in einer Zeitfolge, d. h. nach der Form des inneren Sinnes bewußt. Die Zeit ist deshalb nicht Etwas an sich, auch keine den Dingen objektiv anhängende Bestimmung.« Es wäre also zwischen dem reinen Denken, das zeitlos wäre wie das eine parmenideische Sein, und dem Bewußtsein von diesem Denken zu unterscheiden, und Letzteres übersetzte bereits das Denken in die Form des Scheins, also der Succession, der Vielheit und der Bewegung. Es ist wahrscheinlich, daß sich Parmenides dieses Auswegs bedient haben würde: übrigens müßte dann gegen ihn Dasselbe eingewendet werden, was A. Spir (Denken und Wirklichkeit 2. Aufl. Band I S. 209 f.) gegen Kant einwendet. »Nun ist es aber erstens klar, daß ich von einer Succession als solcher Nichts СКАЧАТЬ