Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше страница 159

СКАЧАТЬ und äu­ße­ren Sin­nen bloß in der Auf­fas­sung des in­ne­ren Sin­nes existiren? That­sa­che ist eben, daß man die Rea­li­tät der Ver­än­de­rung durch­aus nicht ab­leug­nen kann. Wird sie zum Fens­ter hin­aus ge­wie­sen, so schlüpft sie durch das Schlüs­sel­loch wie­der her­ein. Man sage: »Es scheint mir bloß, daß Zu­stän­de und Vor­stel­lun­gen wech­seln«, – so ist doch die­ser Schein selbst et­was ob­jek­tiv Vor­han­de­nes und in ihm hat die Suc­ces­si­on un­zwei­fel­haft ob­jek­ti­ve Rea­li­tät, es folgt dar­in Et­was wirk­lich auf­ein­an­der. – Au­ßer­dem muß man be­mer­ken, daß die gan­ze Kri­tik der Ver­nunft ja nur un­ter der Voraus­set­zung Grund und Recht ha­ben kann, daß uns uns­re Vor­stel­lun­gen selbst so er­schei­nen, wie sie sind. Denn wenn auch die Vor­stel­lun­gen uns an­ders er­schie­nen, als sie wirk­lich sind, so wür­de man auch über die­se kei­ne gül­ti­ge Be­haup­tung auf­stel­len, also kei­ne Er­kennt­niß­theo­rie und kei­ne »transscen­den­ta­le« Un­ter­su­chung von ob­jek­ti­ver Gül­tig­keit zu Stan­de brin­gen kön­nen. Nun steht es aber au­ßer Zwei­fel, daß uns uns­re Vor­stel­lun­gen selbst als suc­ces­siv er­schei­nen.«

      Die Be­trach­tung die­ser zwei­fel­los si­che­ren Suc­ces­si­on und Be­wegt­heit hat nun Ana­xa­go­ras zu ei­ner denk­wür­di­gen Hy­po­the­se ge­drängt. Er­sicht­lich be­weg­ten die Vor­stel­lun­gen sich selbst, wur­den nicht ge­scho­ben und hat­ten kei­ne Ur­sa­che der Be­we­gung au­ßer sich. Also giebt es Et­was, sag­te er sich, was den Ur­sprung und den An­fang der Be­we­gung in sich selbst trägt; zwei­tens aber be­ach­tet er, daß die­se Vor­stel­lung nicht nur sich selbst, son­dern auch noch et­was ganz Ver­schied­nes be­we­ge, den Leib. Er ent­deckt also, in der un­mit­tel­bars­ten Er­fah­rung, eine Wir­kung von Vor­stel­lun­gen auf aus­ge­dehn­te Ma­te­rie, die sich als Be­we­gung der letz­te­ren zu er­ken­nen giebt. Das galt ihm als That­sa­che; erst ne­ben­bei reiz­te es ihn, auch die­se That­sa­che zu er­klä­ren. Ge­nug, er hat­te ein re­gu­la­ti­ves Sche­ma für die Be­we­gung in der Welt, die er jetzt ent­we­der als eine Be­we­gung der wah­ren, iso­lir­ten We­sen­hei­ten durch das Vor­stel­len­de, den Nous, oder als Be­we­gung durch be­reits Be­weg­tes dach­te. Daß die letz­te­re Art, die me­cha­ni­sche Über­tra­gung von Be­we­gun­gen und Stö­ßen, bei sei­ner Grun­d­an­nah­me eben­falls ein Pro­blem in sich ent­hal­te, ist ihm wahr­schein­lich ent­gan­gen: die Ge­mein­heit und All­täg­lich­keit der Wir­kung durch Stoß stumpf­te wohl sei­nen Blick ge­gen die Räth­sel­haf­tig­keit des­sel­ben ab. Da­ge­gen emp­fand er recht wohl die pro­ble­ma­ti­sche, ja wi­der­spruchs­vol­le Na­tur ei­ner Wir­kung von Vor­stel­lun­gen auf an sich sei­en­de Sub­stan­zen und such­te des­halb auch die­se Wir­kung auf ein me­cha­ni­sches, ihm als er­klär­lich gel­ten­des Schie­ben und Sto­ßen zu­rück­zu­füh­ren. Der Nous war ja je­den­falls auch eine sol­che an sich sei­en­de Sub­stanz und wur­de von ihm als ganz zar­te und fei­ne Ma­te­rie, mit der spe­ci­fi­schen Qua­li­tät Den­ken, cha­rak­te­ri­sirt. Bei ei­nem sol­cher­ma­ßen an­ge­nom­me­nen Cha­rak­ter muß­te frei­lich die Wir­kung die­ser Ma­te­rie auf die and­re Ma­te­rie ganz der­sel­ben Art sein, wie die, wel­che eine and­re Sub­stanz auf eine drit­te aus­übt, das heißt eine me­cha­ni­sche, durch Druck und Stoß be­we­gen­de. Im­mer­hin hat­te er jetzt eine Sub­stanz, wel­che sich selbst be­wegt und An­de­res be­wegt, de­ren Be­we­gung nicht nun au­ßen kommt und von Nie­man­dem sonst ab­hängt: wäh­rend es fast gleich­gül­tig schi­en, wie nun die­se Selbst­be­we­gung zu den­ken sei, etwa ähn­lich wie das Sich-Hin- und -Her­schie­ben von ganz zar­ten und klei­nen run­den Queck­sil­ber-Kü­gel­chen. Un­ter al­len Fra­gen, die die Be­we­gung be­tref­fen, giebt es kei­ne läs­ti­ge­re als die Fra­ge nach dem An­fang der Be­we­gung. Wenn man sich näm­lich alle üb­ri­gen Be­we­gun­gen als Fol­gen und Wir­kun­gen den­ken darf, so müß­te doch im­mer die ers­te ur­an­fäng­li­che er­klärt wer­den; für die me­cha­ni­schen Be­we­gun­gen kann aber je­den­falls das ers­te Glied der Ket­te nicht in ei­ner me­cha­ni­schen Be­we­gung lie­gen, da dies so viel hei­ßen wür­de, als auf den wi­der­sin­ni­gen Be­griff der cau­sa sui re­curr­i­ren. Den ewi­gen un­be­ding­ten Din­gen aber ei­ge­ne Be­we­gung, gleich­sam von An­fang, als Mit­gift ih­res Da­seins, bei­zu­le­gen, geht eben­falls nicht an. Denn Be­we­gung ist nicht ohne eine Rich­tung wo­hin und wor­auf, also nur als Be­zie­hung und Be­din­gung vor­zu­stel­len; ein Ding ist aber nicht mehr an sich sei­end und un­be­dingt, wenn es sich sei­ner Na­tur nach not­wen­dig auf et­was au­ßer ihm Existiren­des be­zieht. In die­ser Ver­le­gen­heit ver­mein­te Ana­xa­go­ras eine au­ßer­or­dent­li­che Hül­fe und Ret­tung in je­nem sich selbst be­we­gen­den und sonst un­ab­hän­gi­gen Nous zu fin­den: als des­sen We­sen ge­ra­de dun­kel und ver­schlei­ert ge­nug ist, um dar­über täu­schen zu kön­nen, daß auch sei­ne An­nah­me im Grun­de jene ver­bo­te­ne cau­sa sui in­vol­virt. Für die em­pi­ri­sche Be­trach­tung ist es so­gar aus­ge­macht, daß das Vor­stel­len nicht eine cau­sa sui, son­dern die Wir­kung des Ge­hir­n­es ist, ja ihr muß es als eine wun­der­li­che Aus­schwei­fung gel­ten, den »Geist«, das Ge­hirn­er­zeug­niß, von sei­ner cau­sa zu tren­nen und nach die­ser Los­lö­sung noch als existirend zu wäh­nen. Dies that Ana­xa­go­ras; er ver­gaß das Ge­hirn, sei­ne er­staun­li­che Künst­lich­keit, die Zart­heit und Ver­schlun­gen­heit sei­ner Win­dun­gen und Gän­ge und de­kre­tir­te den »Geist an sich«. Die­ser »Geist an sich« hat­te Will­kür, al­lein von al­len Sub­stan­zen Will­kür – eine herr­li­che Er­kennt­niß! Er konn­te ir­gend­wann ein­mal mit der Be­we­gung der Din­ge au­ßer ihm an­fan­gen, un­ge­heu­re Zei­ten da­ge­gen sich mit sich selbst be­schäf­ti­gen, – kurz, Ana­xa­go­ras durf­te einen ers­ten Be­we­gungs­mo­ment in ei­ner Ur­zeit an­neh­men, als den Keim­punkt al­les so­ge­nann­ten Wer­dens, das heißt al­ler Ver­än­de­rung, näm­lich al­ler Ver­schie­bung und Um­stel­lung der ewi­gen Sub­stan­zen und ih­rer Theil­chen. Wenn auch der Geist selbst ewig ist, so ist er doch kei­nes­wegs ge­zwun­gen, sich seit Ewig­kei­ten mit dem Her­um­schie­ben der Ma­te­ri­en-Kör­ner zu quä­len: und je­den­falls gab es eine Zeit und einen Zu­stand je­ner Ma­te­ri­en – gleich­gül­tig ob von kur­z­er oder lan­ger Dau­er –, in dem der Nous noch nicht auf sie ein­ge­wirkt hat­te, in dem sie noch un­be­wegt wa­ren. Dies ist die Pe­ri­ode des ana­xa­go­ri­schen Cha­os.

      16.

      Das ana­xa­go­ri­sche Cha­os ist kei­ne so­fort ein­leuch­ten­de Con­cep­ti­on: um sie zu fas­sen, muß man die Vor­stel­lung ver­stan­den ha­ben, die un­ser Phi­lo­soph von dem so­ge­nann­ten »Wer­den« sich ge­bil­det hat. Denn an sich er­gä­be der Zu­stand al­ler ver­schie­den­ar­ti­gen Ele­men­tar-Exis­ten­zen vor al­ler Be­we­gung noch kei­nes­falls nothwen­dig eine ab­so­lu­te Mi­schung al­ler »Sa­men der Din­ge«, wie der Aus­druck des Ana­xa­go­ras lau­tet, eine Mi­schung, die er sich als ein selbst bis zu den kleins­ten Thei­len voll­stän­di­ges Durchein­an­der ima­gi­nir­te, nach­dem alle jene Ele­men­tar-Exis­ten­zen wie in ei­nem Mör­ser zer­sto­ßen und zu Stau­ba­to­men auf­ge­löst wa­ren, so daß sie nun in je­nem Cha­os wie in ei­nem Misch­krug durch­ein­an­der ge­rührt wer­den konn­ten. Man könn­te sa­gen, daß die­se Cha­os-Con­cep­ti­on nichts No­thwen­di­ges habe; man brau­che viel­mehr nur eine be­lie­bi­ge zu­fäl­li­ge Lage al­ler je­ner Exis­ten­zen, aber nicht ein un­end­li­ches Zert­heilt­sein der­sel­ben an­zu­neh­men; ein СКАЧАТЬ