Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше страница 148

СКАЧАТЬ Ari­sto­te­les sagt mit Recht: »Das, was Tha­les und Ana­xa­go­ras wis­sen, wird man un­ge­wöhn­lich, er­staun­lich, schwie­rig, gött­lich nen­nen, aber un­nütz, weil es ih­nen nicht um die mensch­li­chen Gü­ter zu thun war.« Durch die­ses Aus­wäh­len und Aus­schei­den des Un­ge­wöhn­li­chen, Er­staun­li­chen, Schwie­ri­gen, Gött­li­chen grenzt sich die Phi­lo­so­phie ge­gen die Wis­sen­schaft eben­so ab, wie sie durch das Her­vor­he­ben des Un­nüt­zen sich ge­gen die Klug­heit ab­grenzt. Die Wis­sen­schaft stürzt sich, ohne sol­ches Aus­wäh­len, ohne sol­chen Fein­ge­schmack, auf al­les Wiß­ba­re, in der blin­den Be­gier­de, Al­les um je­den Preis er­ken­nen zu wol­len; das phi­lo­so­phi­sche Den­ken da­ge­gen ist im­mer auf der Fähr­te der Wis­sens­wür­digs­ten Din­ge, der großen und wich­tigs­ten Er­kennt­nis­se, Nun ist der Be­griff der Grö­ße wan­del­bar, so­wohl im mo­ra­li­schen als äs­the­ti­schen Be­rei­che: so be­ginnt die Phi­lo­so­phie mit ei­ner Ge­setz­ge­bung der Grö­ße, ein Na­men­ge­ben ist mit ihr ver­bun­den. »Das ist groß« sagt sie und da­mit er­hebt sie den Men­schen über das blin­de un­ge­bän­dig­te Be­geh­ren sei­nes Er­kennt­niß­trie­bes. Durch den Be­griff der Grö­ße bän­digt sie die­sen Trieb: und am meis­ten da­durch, daß sie die größ­te Er­kennt­niß, vom We­sen und Kern der Din­ge, als er­reich­bar und als er­reicht be­trach­tet. Wenn Tha­les sagt »Al­les ist Was­ser«, so zuckt der Mensch em­por aus dem wur­mar­ti­gen Be­tas­ten und He­rum­krie­chen der ein­zel­nen Wis­sen­schaf­ten, er ahnt die letz­te Lö­sung der Din­ge und über­win­det, durch die­se Ah­nung, die ge­mei­ne Be­fan­gen­heit der nie­de­ren Er­kennt­niß­gra­de. Der Phi­lo­soph sucht den Ge­sammt­klang der Welt, in sich nach­tö­nen zu las­sen und ihn aus sich her­aus­zu­stel­len in Be­grif­fen: wäh­rend er be­schau­lich ist wie der bil­den­de Künst­ler, mit­lei­dend wie der Re­li­gi­öse, nach Zwe­cken und Cau­sa­li­tä­ten spä­hend wie der wis­sen­schaft­li­che Mensch, wäh­rend er sich zum Ma­kro­kos­mos auf­schwel­len fühlt, be­hält er da­bei die Be­son­nen­heit, sich, als den Wie­der­schein der Welt, kalt zu be­trach­ten, jene Be­son­nen­heit, die der dra­ma­ti­sche Künst­ler be­sitzt, wenn er sich in and­re Lei­ber ver­wan­delt, aus ih­nen re­det und doch die­se Ver­wand­lung nach au­ßen hin, in ge­schrie­be­nen Ver­sen zu pro­ji­ci­ren weiß. Was hier der Vers für den Dich­ter ist, ist für den Phi­lo­so­phen das dia­lek­ti­sche Den­ken: nach ihm greift er, um sich sei­ne Ver­zau­be­rung fest­zu­hal­ten, um sie zu pe­tri­fi­ci­ren. Und wie für den Dra­ma­ti­ker Wort und Vers mir das Stam­meln in ei­ner frem­den Spra­che sind, um in ihr zu sa­gen, was er leb­te und schau­te und was er di­rekt nur durch die Ge­bär­de und die Mu­sik ver­kün­den kann, so ist der Aus­druck je­der tie­fen phi­lo­so­phi­schen In­tui­ti­on durch Dia­lek­tik und wis­sen­schaft­li­ches Re­flek­ti­ren zwar ei­ner­seits das ein­zi­ge Mit­tel, um das Ge­schau­te mit­zut­hei­len, aber ein küm­mer­li­ches Mit­tel, ja im Grun­de eine me­ta­pho­ri­sche, ganz und gar un­ge­treue Über­tra­gung in eine ver­schie­de­ne Sphä­re und Spra­che. So schau­te Tha­les die Ein­heit des Sei­en­den: und wie er sich mit­t­hei­len woll­te, re­de­te er vom Was­ser!

      4.

      Wäh­rend der all­ge­mei­ne Ty­pus des Phi­lo­so­phen an dem Bil­de des Tha­les sich nur wie aus Ne­beln her­aus­hebt, spricht schon das Bild sei­nes großen Nach­fol­gers viel deut­li­cher zu uns. Ana­xi­man­der aus Mi­let, der ers­te phi­lo­so­phi­sche Schrift­stel­ler der Al­ten, schreibt so, wie der ty­pi­sche Phi­lo­soph eben schrei­ben wird, so lan­ge ihm noch nicht durch be­frem­den­de An­for­de­run­gen die Un­be­fan­gen­heit und die Nai­ve­tät ge­raubt sind: in groß­sti­li­sir­ter Stein­schrift, Satz für Satz Zeu­ge ei­ner neu­en Er­leuch­tung und Aus­druck des Ver­wei­lens in er­ha­be­nen Con­tem­pla­tio­nen. Der Ge­dan­ke und sei­ne Form sind Mei­len­stei­ne auf dem Pfa­de zu je­ner höchs­ten Weis­heit. In sol­cher la­pi­da­ri­schen Ein­dring­lich­keit sagt Ana­xi­man­der ein­mal: »Wo­her die Din­ge ihre Ent­ste­hung ha­ben, da­hin müs­sen sie auch zu Grun­de ge­hen, nach der No­thwen­dig­keit; denn sie müs­sen Buße zah­len und für ihre Un­ge­rech­tig­kei­ten ge­rich­tet wer­den, ge­mäß der Ord­nung der Zeit«, Räth­sel­haf­ter Auss­pruch ei­nes wah­ren Pes­si­mis­ten, Ora­ke­lauf­schrift am Grenz­stei­ne grie­chi­scher Phi­lo­so­phie, wie wer­den wir dich deu­ten?

      Der ein­zi­ge ernst­ge­sinn­te Sit­ten­leh­rer un­se­res Sae­cu­lum legt uns in den Pa­rer­gis (Band II, Ca­pi­tel 12, Nach­trä­ge zur Leh­re vom Lei­den der Welt, An­hang ver­wand­ter Stel­len) eine ähn­li­che Be­trach­tung an’s Herz, »Der rech­te Maß­stab zur Beurt­hei­lung ei­nes je­den Men­schen ist, daß er ei­gent­lich ein We­sen sei, wel­ches gar nicht existiren soll­te, son­dern sein Da­sein ab­büßt durch viel­ge­stal­te­tes Lei­den und Tod: – was kann man von ei­nem sol­chen er­war­ten? Sind wir denn nicht Alle zum Tode ver­urt­heil­te Sün­der? Wir bü­ßen un­se­re Ge­burt erst­lich durch das Le­ben und zwei­tens durch das Ster­ben ab.« Wer die­se Leh­re aus der Phy­sio­gno­mie un­se­res all­ge­mei­nen Men­schen­loo­ses her­aus­liest und die schlech­te Grund­be­schaf­fen­heit ei­nes je­den Men­schen­le­bens schon dar­in er­kennt, daß kei­nes ver­trägt auf­merk­sam und in nächs­ter Nähe be­trach­tet zu wer­den, – ob­schon un­se­re an die bio­gra­phi­sche Seu­che ge­wöhn­te Zeit an­ders und statt­li­cher über die Wür­de des Men­schen zu den­ken scheint –; wer, wie Scho­pen­hau­er, auf den »Hö­hen der in­di­schen Lüf­te« das hei­li­ge Wort von dem mo­ra­li­schen Wert­he des Da­seins ge­hört hat, der wird schwer da­von ab­zu­hal­ten sein, eine höchst an­thro­po­mor­phi­sche Me­ta­pher zu ma­chen und jene schwer­müthi­ge Leh­re aus der Be­schrän­kung auf das Men­schen­le­ben her­aus­zu­zie­hen und sie auf den all­ge­mei­nen Cha­rak­ter al­les Da­seins, durch Über­tra­gung, an­zu­wen­den. Es mag nicht lo­gisch sein, ist aber je­den­falls recht mensch­lich, und über­dies recht im Sti­le des frü­her ge­schil­der­ten phi­lo­so­phi­schen Sprin­gens, jetzt mit Ana­xi­man­der al­les Wer­den wie eine straf­wür­di­ge Eman­ci­pa­ti­on vom ewi­gen Sein an­zu­sehn, als ein Un­recht, das mit dem Un­ter­gan­ge zu bü­ßen ist. Al­les, was ein­mal ge­wor­den ist, ver­geht auch wie­der, ob wir nun da­bei an das Men­schen­le­ben oder an das Was­ser oder an Warm und Kalt den­ken: über­all, wo be­stimm­te Ei­gen­schaf­ten wahr­zu­neh­men sind, dür­fen wir auf den Un­ter­gang die­ser Ei­gen­schaf­ten, nach ei­nem un­ge­heu­ren Er­fah­rungs-Be­weis, pro­phe­zei­en. Nie kann also ein We­sen, das be­stimm­te Ei­gen­schaf­ten be­sitzt und aus ih­nen be­steht, Ur­sprung und Prin­cip der Din­ge sein; das wahr­haft Sei­en­de, schloß Ana­xi­man­der, kann kei­ne be­stimm­ten Ei­gen­schaf­ten be­sit­zen, sonst wür­de es, wie alle an­dern Din­ge, ent­stan­den sein und zu Grun­de gehn müs­sen. Da­mit das Wer­den nicht auf­hört, muß das Ur­we­sen un­be­stimmt sein. Die Uns­terb­lich­keit und Ewig­keit des Ur­we­sens liegt nicht in ei­ner Unend­lich­keit und Unaus­schöpf­bar­keit – wie ge­mein­hin die Er­klä­rer des Ana­xi­man­der an­neh­men –, son­dern dar­in, daß es der be­stimm­ten, zum Un­ter­gan­ge füh­ren­den Qua­li­tä­ten bar ist; wes­halb es auch sei­nen Na­men, als »das Un­be­stimm­te« trägt. Das so be­nann­te Ur­we­sen ist über das Wer­den er­ha­ben und ver­bürgt eben des­halb die Ewig­keit und den un­ge­hemm­ten Ver­lauf des Wer­dens. Die­se letz­te Ein­heit in je­nem »Un­be­stimm­ten«, der Mut­ter­schooß al­ler Din­ge, kann frei­lich von dem Men­schen nur ne­ga­tiv СКАЧАТЬ