Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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СКАЧАТЬ die Kunst! Es geht ihr wie mir, wir sind un­ter Bar­ba­ren ver­schla­gen und wis­sen nicht mehr uns zu ret­ten. Hier fehlt uns, es ist wahr, je­des gute Recht: aber die Rich­ter, vor de­nen wir Recht fin­den, rich­ten auch über euch und wer­den euch sa­gen: Habt erst eine Cul­tur, dann sollt ihr auch er­fah­ren, was die Phi­lo­so­phie will und kann.« –

      1 Von *) bis *) vgl. Vom Nut­zen und Nacht­heil der His­to­rie für das Le­ben, Bd. II S. 146/47. <<<

      3.

      Die grie­chi­sche Phi­lo­so­phie scheint mit ei­nem un­ge­reim­ten Ein­fal­le zu be­gin­nen, mit dem Sat­ze: daß das Was­ser der Ur­sprung und der Mut­ter­schooß al­ler Din­ge sei. Ist es wirk­lich nö­thig, hier­bei stil­le zu ste­hen und ernst zu wer­den? Ja, und aus drei Grün­den: ers­tens weil der Satz Et­was vom Ur­sprung der Din­ge aus­sagt; zwei­tens weil er dies ohne Bild und Fa­be­lei thut; und end­lich drit­tens, weil in ihm, wenn­gleich nur im Zu­stan­de der Ver­pup­pung, der Ge­dan­ke ent­hal­ten ist »Al­les ist Eins«. Der erst­ge­nann­te Grund läßt Tha­les noch in der Ge­mein­schaft mit Re­li­gi­ösen und Aber­gläu­bi­schen, der zwei­te aber nimmt ihn aus die­ser Ge­sell­schaft und zeigt uns ihn als Na­tur­for­scher, aber ver­mö­ge des drit­ten Grun­des gilt Tha­les als der ers­te grie­chi­sche Phi­lo­soph. Hät­te er ge­sagt: aus Was­ser wird Erde, so hät­ten wir nur eine wis­sen­schaft­li­che Hy­po­the­se, eine falsche, aber doch schwer wi­der­leg­ba­re. Aber er gieng über das Wis­sen­schaft­li­che hin­aus. Tha­les hat in der Dar­stel­lung die­ser Ein­heits-Vor­stel­lung durch die Hy­po­the­se vom Was­ser den nied­ri­gen Stand der phy­si­ka­li­schen Ein­sich­ten sei­ner Zeit nicht über­wun­den, son­dern höchs­tens über­sprun­gen. Die dürf­ti­gen und un­ge­ord­ne­ten Beo­b­ach­tun­gen em­pi­ri­scher Art, die Tha­les über das Vor­kom­men und die Ver­wand­lun­gen des Was­sers oder, ge­nau­er, des Feuch­ten, ge­macht hat­te, hät­ten am we­nigs­ten eine sol­che un­ge­heu­re Ver­all­ge­mei­ne­rung er­laubt oder gar an­ge­rat­hen; Das, was zu die­ser trieb, war ein me­ta­phy­si­scher Glau­bens­satz, der sei­nen Ur­sprung in ei­ner mys­ti­schen In­tui­ti­on hat und dem wir bei al­len Phi­lo­so­phien, sammt den im­mer er­neu­ten Ver­su­chen, ihn bes­ser aus­zu­drücken, be­geg­nen: – der Satz » Al­les ist Eins«.

      Es ist merk­wür­dig, wie ge­walt­her­risch ein sol­cher Glau­be mit al­ler Em­pi­rie ver­fährt: ge­ra­de an Tha­les kann man ler­nen, wie es die Phi­lo­so­phie, zu al­len Zei­ten, ge­macht hat, wenn sie zu ih­rem ma­gisch an­zie­hen­den Zie­le, über die He­cken der Er­fah­rung hin­weg, hin­über­woll­te. Sie springt auf leich­ten Stüt­zen vor­aus: die Hoff­nung und die Ah­nung be­flü­geln ih­ren Fuß. Schwer­fäl­lig keucht der rech­nen­de Ver­stand hin­ter­drein und sucht bes­se­re Stüt­zen, um auch selbst je­nes lo­cken­de Ziel zu er­rei­chen, an dem der gött­li­che­re Ge­fähr­te schon an­ge­langt ist. Man glaubt, zwei Wan­de­rer an ei­nem wil­den, Stei­ne mit sich fort­wäl­zen­den Wald­bach zu se­hen: der eine springt leicht­fü­ßig hin­über, die Stei­ne be­nut­zend und sich auf ih­nen im­mer wei­ter schwin­gend, ob sie auch jäh hin­ter ihm in die Tie­fe sin­ken. Der an­de­re steht alle Au­gen­bli­cke hül­f­los da, er muß sich erst Fun­da­men­te bau­en, die sei­nen schwe­ren, be­däch­ti­gen Schritt er­tra­gen, mit­un­ter geht dies nicht, und dann hilft ihm kein Gott über den Bach. Was bringt also das phi­lo­so­phi­sche Den­ken so schnell an sein Ziel? Un­ter­schei­det es sich von dem rech­nen­den und ab­mes­sen­den Den­ken etwa nur durch das ra­sche­re Durch­flie­gen großer Räu­me? Nein, denn es hebt sei­nen Fuß eine frem­de, un­lo­gi­sche Macht, die Phan­ta­sie. Durch sie ge­ho­ben, springt es wei­ter von Mög­lich­keit zu Mög­lich­keit, die einst­wei­len als Si­cher­hei­ten ge­nom­men wer­den: hier und da er­greift es selbst Si­cher­hei­ten im Flu­ge. Ein ge­nia­li­sches Vor­ge­fühl zeigt sie ihm, es er­räth von fer­ne, daß an die­sem Punk­te be­weis­ba­re Si­cher­hei­ten sind. Be­son­ders aber ist die Kraft der Phan­ta­sie mäch­tig im blitz­ar­ti­gen Er­fas­sen und Be­leuch­ten von Ähn­lich­kei­ten: die Re­fle­xi­on bringt nach­her ihre Maß­stä­be und Scha­blo­nen her­an und sucht die Ähn­lich­kei­ten durch Gleich­hei­ten, das Ne­ben­ein­an­der-Ge­schau­te durch Cau­sa­li­tä­ten zu er­set­zen. Aber selbst, wenn dies nie mög­lich sein soll­te, selbst im Fal­le des Tha­les hat das un­be­weis­ba­re Phi­lo­so­phi­ren noch einen Werth; sind auch alle Stüt­zen ge­bro­chen, wenn die Lo­gik und die Starr­heit der Em­pi­rie hin­über will zu dem Sat­ze »Al­les ist Was­ser«, so bleibt im­mer noch, nach Zer­trüm­me­rung des wis­sen­schaft­li­chen Bau­es, ein Rest üb­rig; und ge­ra­de in die­sem Res­te liegt eine trei­ben­de Kraft und gleich­sam die Hoff­nung zu­künf­ti­ger Frucht­bar­keit.

      Ich mei­ne na­tür­lich nicht, daß der Ge­dan­ke, in ir­gend ei­ner Be­schrän­kung oder Ab­schwä­chung, oder als Al­le­go­rie, viel­leicht noch eine Art »Wahr­heit« be­hal­te: etwa wenn man sich den bil­den­den Künst­ler am Was­ser­fal­le ste­hend denkt, und er in den ihm ent­ge­gen­sprin­gen­den For­men ein künst­le­risch vor­bil­den­des Spiel des Was­sers mit Men­schen» und Thier­lei­bern, Mas­ken, Pflan­zen, Fel­sen, Nym­phen, Grei­fen, über­haupt mit al­len vor­han­de­nen Ty­pen sieht: so daß für ihn der Satz »Al­les ist Was­ser« be­stä­tigt wäre. Der Ge­dan­ke des Tha­les hat viel­mehr ge­ra­de dar­in sei­nen Werth – auch nach der Er­kennt­niß, daß er un­be­weis­bar ist –, daß er je­den­falls un­my­thisch und unal­le­go­risch ge­meint war. Die Grie­chen, un­ter de­nen Tha­les plötz­lich so be­merk­bar wur­de, wa­ren dar­in das Ge­gen­stück al­ler Rea­lis­ten, als sie ei­gent­lich nur an die Rea­li­tät von Men­schen und Göt­tern glaub­ten und die gan­ze Na­tur gleich­sam nur als Ver­klei­dung, Mas­ke­ra­de und Me­ta­mor­pho­se die­ser Göt­ter-Men­schen be­trach­te­ten. Der Mensch war ih­nen die Wahr­heit und der Kern der Din­ge, al­les And­re nur Er­schei­nung und täu­schen­des Spiel. Eben­des­halb mach­te es ih­nen un­glaub­li­che Be­schwer­de, die Be­grif­fe als Be­grif­fe zu fas­sen: und um­ge­kehrt wie bei den Neue­ren auch das Per­sön­lichs­te sich zu Abstrak­tio­nen sub­li­mirt, rann bei ih­nen das Abstrak­tes­te im­mer wie­der zu ei­ner Per­son zu­sam­men. Tha­les aber sag­te: »nicht der Mensch, son­dern das Was­ser ist die Rea­li­tät der Din­ge«, er fängt an, der Na­tur zu glau­ben, so­fern er doch we­nigs­tens an das Was­ser glaubt. Als Ma­the­ma­ti­ker und Astro­nom hat­te er sich ge­gen al­les My­thi­sche und Al­le­go­ri­sche er­käl­tet, und wenn es ihm nicht ge­lang, bis zu der rei­nen Abstrak­ti­on »Al­les ist Eins« er­nüch­tert zu wer­den, und er bei ei­nem phy­si­ka­li­schen Aus­dru­cke ste­hen blieb, so war er doch, un­ter den Grie­chen sei­ner Zeit, eine be­fremd­li­che Sel­ten­heit. Vi­el­leicht be­sa­ßen die höchst auf­fäl­li­gen Or­phi­ker die Fä­hig­keit, Abstrak­tio­nen zu fas­sen und un­elas­tisch zu den­ken, in ei­nem noch hö­he­ren Gra­de als er: nur daß ih­nen der Aus­druck der­sel­ben al­lein in der Form der Al­le­go­rie ge­lang. Auch Phe­reky­des aus Sy­ros, der Tha­les in der Zeit und in man­chen phy­si­ka­li­schen Con­cep­tio­nen nahe steht, schwebt mit sei­nem Aus­dru­cke der­sel­ben in je­ner Mit­tel­re­gi­on, in der der My­thus sich mit der Al­le­go­rie gat­tet: so daß er zum Bei­spiel wagt, die Erde mit ei­ner ge­flü­gel­ten Ei­che zu ver­glei­chen, die mit aus­ge­brei­te­ten Fit­ti­gen in der Luft hängt und der Zeus, nach Über­wäl­ti­gung des Kro­nos, ein pracht­vol­les Ehren­ge­wand um­legt, in das СКАЧАТЬ