Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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СКАЧАТЬ Net­zen und Stri­cken ver­fan­gen muß­te.

      Da­ge­gen ha­ben die Grie­chen es ver­stan­den, zur rech­ten Zeit an­zu­fan­gen, und die­se Leh­re, wann man zu Phi­lo­so­phi­ren an­fan­gen müs­se, ge­ben sie so deut­lich, wie kein an­de­res Volk. Nicht näm­lich erst in der Trüb­sal: was wohl Ei­ni­ge ver­mei­nen, die die Phi­lo­so­phie aus der Ver­drieß­lich­keit ab­lei­ten. Son­dern im Glück, in ei­ner rei­fen Mann­bar­keit, mit­ten her­aus aus der feu­ri­gen Hei­ter­keit des tap­fe­ren und sieg­rei­chen Man­nes­al­ters. Daß in die­ser Zeit die Grie­chen phi­lo­so­phirt ha­ben, be­lehrt uns eben­so über Das, was die Phi­lo­so­phie ist und was sie soll, als über die Grie­chen selbst. Wä­ren jene da­mals sol­che nüch­ter­ne und alt­klu­ge Prak­ti­ker und Hei­ter­lin­ge ge­we­sen, wie es sich der ge­lehr­te Phi­lis­ter un­se­rer Tage wohl ima­gi­nirt, oder hät­ten sie nur in ei­nem schwel­ge­ri­schen Schwe­ben, Klin­gen, Ath­men und Füh­len ge­lebt, wie es wohl der un­ge­lehr­te Phan­tast ger­ne an­nimmt, so wäre die Quel­le der Phi­lo­so­phie gar nicht bei ih­nen an’s Licht ge­kom­men. Höchs­tens hät­te es einen bald im San­de ver­rie­seln­den oder zu Ne­beln ver­duns­ten­den Bach ge­ge­ben, nim­mer­mehr aber je­nen brei­ten, mit stol­zem Wel­len­schla­ge sich er­gie­ßen­den Strom, den wir als die grie­chi­sche Phi­lo­so­phie ken­nen.

      Zwar hat man mit Ei­fer dar­auf hin­ge­zeigt, wie viel die Grie­chen im ori­en­ta­li­schen Aus­lan­de fin­den und ler­nen konn­ten, und wie man­cher­lei sie wohl von dort ge­holt ha­ben. Frei­lich gab es ein wun­der­li­ches Schau­spiel, wenn man die an­geb­li­chen Leh­rer aus dem Ori­ent und die mög­li­chen Schü­ler aus Grie­chen­land zu­sam­men­brach­te und jetzt Zo­roas­ter ne­ben Hera­klit, die In­der ne­ben den Elea­ten, die Ägyp­ter ne­ben Em­pe­do­kles, oder gar Ana­xa­go­ras un­ter den Ju­den und Py­tha­go­ras un­ter den Chi­ne­sen zur Schau stell­te. Im Ein­zel­nen ist we­nig aus­ge­macht wor­den; aber den gan­zen Ge­dan­ken lie­ßen wir uns schon ge­fal­len, wenn man uns nur nicht mit der Fol­ge­rung be­schwert, daß die Phi­lo­so­phie so­mit in Grie­chen­land nur im­por­tirt und nicht aus na­tür­li­chem hei­mi­schem Bo­den ge­wach­sen sei, ja daß sie, als et­was Frem­des, die Grie­chen wohl eher rui­nirt als ge­för­dert habe. Nichts ist thö­rich­ter, als den Grie­chen eine au­to­chtho­ne Bil­dung nach­zu­sa­gen, sie ha­ben viel­mehr alle bei an­de­ren Völ­kern le­ben­de Bil­dung in sich ein­ge­so­gen, sie ka­men ge­ra­de des­halb so weit, weil sie es ver­stan­den, den Speer von dort wei­ter zu schleu­dern, wo ihn ein an­de­res Volk lie­gen ließ. Sie sind be­wun­de­rungs­wür­dig in der Kunst, frucht­bar zu ler­nen: und so, wie sie, sol­len wir von un­sern Nach­barn ler­nen, zum Le­ben, nicht zum ge­lehr­ten­haf­ten Er­ken­nen, al­les Er­lern­te als Stüt­ze be­nut­zend, auf der man sich hoch und hö­her als der Nach­bar schwingt. Die Fra­gen nach den An­fän­gen der Phi­lo­so­phie sind ganz gleich­gül­tig, denn über­all ist im An­fang das Rohe, Un­ge­form­te, Lee­re und Häß­li­che, und in al­len Din­gen kom­men nur die hö­he­ren Stu­fen in Be­tracht. Wer an Stel­le der grie­chi­schen Phi­lo­so­phie sich lie­ber mit ägyp­ti­scher und per­si­scher ab­giebt, weil Jene viel­leicht »ori­gi­na­ler« und je­den­falls äl­ter sind, der ver­fährt eben­so un­be­son­nen, wie Die­je­ni­gen, wel­che sich über die grie­chi­sche so herr­li­che und tief­sin­ni­ge My­tho­lo­gie nicht eher be­ru­hi­gen kön­nen, als bis sie die­sel­be auf phy­si­ka­li­sche Tri­via­li­tä­ten, auf Son­ne, Blitz, Wet­ter und Ne­bel als auf ihre Ur­an­fän­ge zu­rück­ge­führt ha­ben, und wel­che zum Bei­spiel in der be­schränk­ten An­be­tung des einen Him­mels­ge­wöl­bes bei den an­de­ren In­do­ger­ma­nen eine rei­ne­re Form der Re­li­gi­on wie­der­ge­fun­den zu ha­ben wäh­nen, als die po­ly­theis­ti­sche der Grie­chen ge­we­sen sei. Der Weg zu den An­fän­gen führt über­all zu der Bar­ba­rei; und wer sich mit den Grie­chen ab­giebt, soll sich im­mer vor­hal­ten, daß der un­ge­bän­dig­te Wis­sen­strieb an sich zu al­len Zei­ten eben­so bar­ba­ri­sirt als der Wis­sens­haß, und daß die Grie­chen durch die Rück­sicht auf das Le­ben, durch ein idea­les Le­bens­be­dürf­nis; ih­ren an sich un­er­sätt­li­chen Wis­sen­strieb ge­bän­digt ha­ben – weil sie Das, was sie lern­ten, so­gleich le­ben woll­ten. Die Grie­chen ha­ben auch als Men­schen der Cul­tur und mit den Zie­len der Cul­tur phi­lo­so­phirt und des­halb er­spar­ten sie sich, aus ir­gend ei­nem au­to­chtho­nen Dün­kel die Ele­men­te der Phi­lo­so­phie und Wis­sen­schaft noch ein­mal zu er­fin­den, son­dern gien­gen so­fort dar­auf los, die­se über­nom­me­nen Ele­men­te so zu er­fül­len, zu stei­gern, zu er­he­ben und zu rei­ni­gen, daß sie jetzt erst in ei­nem hö­he­ren Sin­ne und in ei­ner rei­ne­ren Sphä­re zu Er­fin­dern wur­den. Sie er­fan­den näm­lich die ty­pi­schen Phi­lo­so­phen­köp­fe, und die gan­ze Nach­welt hat nichts We­sent­li­ches mehr hin­zu er­fun­den.

      Je­des Volk wird be­schämt, wenn man auf eine so wun­der­bar idea­li­sir­te Phi­lo­so­phen­ge­sell­schaft hin­weist, wie die der alt­grie­chi­schen Meis­ter Tha­les, Ana­xi­man­der, Hera­klit, Par­me­ni­des, Ana­xa­go­ras, Em­pe­do­kles, De­mo­krit und So­kra­tes. Alle jene Män­ner sind ganz und aus ei­nem Stein ge­hau­en. Zwi­schen ih­rem Den­ken und ih­rem Cha­rak­ter herrscht stren­ge No­thwen­dig­keit. Es fehlt für sie jede Con­ven­ti­on, weil es da­mals kei­nen Phi­lo­so­phen- und Ge­lehr­ten­stand gab. Sie Alle sind in groß­ar­ti­ger Ein­sam­keit als die Ein­zi­gen, die da­mals nur der Er­kennt­niß leb­ten. Sie Alle be­sit­zen die tu­gend­haf­te Ener­gie der Al­ten, durch die sie alle Spä­te­ren über­tref­fen, ihre eig­ne Form zu fin­den und die­se bis in’s Feins­te und Größ­te durch Me­ta­mor­pho­se fort­zu­bil­den. Denn kei­ne Mode kam ih­nen hül­f­reich und er­leich­ternd ent­ge­gen. So bil­den sie zu­sam­men Das, was Scho­pen­hau­er im Ge­gen­satz zu der Ge­lehr­ten-Re­pu­blik eine Ge­nia­len-Re­pu­blik ge­nannt hat: ein Rie­se ruft dem an­de­ren durch die öden Zwi­schen­räu­me der Zei­ten zu und un­ge­stört durch muthwil­li­ges lär­men­des Ge­zwer­ge, wel­ches un­ter ih­nen weg­kriecht, setzt sich das hohe Geis­ter­ge­spräch fort.

      Von die­sem ho­hen Geis­ter­ge­spräch habe ich mir vor­ge­setzt zu er­zäh­len, was uns­re mo­der­ne Hart­hö­rig­keit etwa da­von hö­ren und ver­ste­hen kann: das heißt ge­wiß das Al­ler­we­nigs­te. Es scheint mir, daß jene al­ten Wei­sen von Tha­les bis So­kra­tes, in ihm al­les Das, wenn auch in all­ge­meins­ter Form, be­spro­chen ha­ben, was für uns­re Be­trach­tung das Ei­gent­hüm­lich-Hel­le­ni­sche aus­macht. Sie prä­gen in ih­rem Ge­sprä­che wie schon in ih­ren Per­sön­lich­kei­ten die großen Züge des grie­chi­schen Ge­ni­us aus, de­ren schat­ten­haf­ter Ab­druck, de­ren ver­schwom­me­ne und des­halb un­deut­li­cher re­den­de Co­pie die gan­ze grie­chi­sche Ge­schich­te ist. Wenn wir das ge­samm­te Le­ben des grie­chi­schen Vol­kes rich­tig deu­te­ten, im­mer wür­den wir doch nur das Bild wie­der­ge­spie­gelt fin­den, das in sei­nen höchs­ten Ge­ni­en mit lich­teren Far­ben strahlt. Gleich das ers­te Er­leb­niß der Phi­lo­so­phie auf grie­chi­schem Bo­den, die Sank­ti­on der sie­ben Wei­sen, ist eine deut­li­che und un­ver­geß­li­che Li­nie am Bil­de des Hel­le­ni­schen. And­re Völ­ker ha­ben Hei­li­ge, die Grie­chen ha­ben Wei­se. Man hat mit Recht ge­sagt, daß ein Volk nicht so­wohl durch sei­ne großen Män­ner cha­rak­te­ri­sirt wer­de, als durch die Art, wie es die­sel­ben er­ken­ne und ehre. In an­de­ren Zei­ten ist der Phi­lo­soph ein zu­fäl­li­ger ein­sa­mer Wan­de­rer in feind­se­ligs­ter СКАЧАТЬ