Название: Gesammelte Werke
Автор: Фридрих Вильгельм Ðицше
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962815295
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Es ist eine ernste Sache um einen entarteten Bildungsmenschen: und furchtbar berührt es uns, zu beobachten, daß unsre gesammte gelehrte und journalistische Öffentlichkeit das Zeichen dieser Entartung an sich trägt, Wie will man sonst unseren Gelehrten gerecht werden, wenn sie unverdrossen bei dem Werke der journalistischen Volksverführung zuschauen oder gar mithelfen, wie anders, wenn nicht durch die Annahme, daß ihre Gelehrsamkeit etwas Ähnliches für sie sein möge, was für Jene die Romanschreiberei, nämlich eine Flucht vor sich selbst, eine asketische Ertödtung ihres Bildungstriebs, eine desperate Vernichtung des Individuums. Aus unserer entarteten literarischen Kunst ebensowohl als aus der in’s Unsinnige anschwellenden Buchmacherei unserer Gelehrten quillt der gleiche Seufzer hervor: ach, daß wir uns selbst vergessen könnten! Es gelingt nicht: die Erinnerung, durch ganze Berge darübergeschütteten gedruckten Papiers nicht erstickt, sagt doch von Zeit zu Zeit wieder: »ein entarteter Bildungsmensch! Zur Bildung geboren und zur Unbildung erzogen! Hülfloser Barbar, Sklave des Tages, an die Kette des Augenblicks gelegt und hungernd – ewig hungernd!«
Oh der elenden Verschuldet-Unschuldigen! Denn ihnen fehlte Etwas, was Jedem von ihnen entgegenkommen mußte, eine wahre Bildungsinstitution, die ihnen Ziele, Meister, Methoden, Vorbilder, Genossen geben konnte und aus deren Innerem der kräftigende und erhebende Anhauch des wahren deutschen Geistes auf sie zu strömte. So verkümmern sie in der Wildniß, so entarten sie zu Feinden jenes im Grunde ihnen innig verwandten Geistes; so häufen sie Schuld auf Schuld, schwerere als je eine andre Generation gehäuft hat, das Reine beschmutzend, das Heilige entweihend, das Falsche und Unechte präconisirend. An ihnen mögt ihr über die Bildungstraft unserer Universitäten zum Bewußtsein kommen und euch die Frage allen Ernstes vorlegen: Was fördert ihr in ihnen? Die deutsche Gelehrsamkeit, die deutsche Erfindsamkeit, den ehrlichen deutschen Trieb zur Erkenntniß, den deutschen der Aufopferung fähigen Fleiß – schöne und herrliche Dinge, um die euch andre Nationen beneiden werden, ja die schönsten und herrlichsten Dinge der Welt, wenn über ihnen Allen jener wahre deutsche Geist als dunkle blitzende befruchtende segnende Wolke ausgebreitet läge. Vor diesem Geiste aber fürchtet ihr euch und daher hat sich eine andre Dunstschicht, schwül und schwer, über euren Universitäten zusammengezogen, unter der eure edleren Jünglinge mühsam und belastet athmen, unter der die besten zu Grunde gehen.
Es gab in diesem Jahrhundert einen tragisch ernsten und einzig belehrenden Versuch, jene Dunstschicht zu zerstreuen und den Ausblick nach dem hohen Wolkengange des deutschen Geistes weithin zu erschließen. Die Geschichte der Universitäten enthält keinen ähnlichen Versuch mehr, und wer Das, was hier noth thut, eindringlich demonstriren will, wird nie ein deutlicheres Beispiel finden können. Dies ist das Phänomen der alten ursprünglichen »Burschenschaft«.
Im Kriege hatte der Jüngling den unvermutheten würdigsten Kampfpreis heimgetragen, die Freiheit des Vaterlandes: mit diesem Kranze geziert sann er auf Edleres. Zur Universität zurückkehrend empfand er, schwerathmend, jenen schwülen und verderbten Hauch, der über der Stätte der Universitätsbildung lag. Plötzlich sah er mit erschrecktem, weitgeöffnetem Auge die hier unter Gelehrsamkeiten aller Art künstlich versteckte undeutsche Barbarei, plötzlich entdeckte er seine eignen Kameraden, wie sie führerlos einem widerlichen Jugendtaumel überlassen wurden. Und er ergrimmte. Mit der gleichen Miene der stolzesten Empörung erhob er sich, mit der sein Friedrich Schiller einst die »Räuber« vor den Genossen recitirt haben mochte: und wenn dieser seinem Schauspiel das Bild eines Löwen und die Aufschrift »in tyrannos« gegeben hatte, so war sein Jünger selbst jener zum Sprunge sich anschickende Löwe: und wirklich erzitterten alle »Tyrannen«. Ja, diese empörten Jünglinge sahen für den scheuen und oberflächlichen Blick nicht viel anders aus als Schiller’s Räuber: ihre Reden klangen dem ängstlichen Horcher wohl so, als ob Sparta und Rom gegen sie Nonnenklöster gewesen wären. Der Schrecken über diese empörten Jünglinge war so allgemein, wie ihn nicht einmal jene »Räuber« in der Sphäre der Höfe erregt hatten: von denen doch ein deutscher Fürst, nach Goethe’s Erklärung, einmal geäußert haben soll: »wäre er Gott und hätte er die Entstehung der Räuber vorausgesehen, so würde er die Welt nicht geschaffen haben«.
Woher die unbegreifliche Stärke dieses Schreckens? Denn jene empörten Jünglinge waren die tapfersten, begabtesten und reinsten unter ihren Genossen: eine großherzige Unbekümmertheit, eine edle Einfalt der Sitte zeichnete sie in Gebärde und Tracht aus: die herrlichsten Gebote verknüpften sie unter einander zu strenger und frommer Tüchtigkeit: was konnte man an ihnen fürchten? Es ist nie zur Klarheit zu bringen, wie weit man bei dieser Furcht sich betrog oder sich verstellte oder wirklich das Rechte erkannte: aber ein fester Instinkt sprach aus dieser Furcht und aus der schmachvollen und unsinnigen Verfolgung. Dieser Instinkt haßte mit zähem Hasse zweierlei an der Burschenschaft: einmal ihre Organisation, als den ersten Versuch einer wahren Bildungsinstitution, und sodann den Geist dieser Bildungsinstitution, jenen männlich ernsten, schwergemuthen, harten und kühnen deutschen Geist, jenen aus der Reformation her gesund bewahrten Geist des Bergmannssohnes Luther.
An das Schicksal der Burschenschaft denkt nun, wenn ich frage: hat die deutsche Universität damals jenen Geist verstanden, als sogar die deutschen Fürsten ihn in ihrem Hasse verstanden zu haben scheinen? Hat sie kühn und entschieden ihren Arm um ihre edelsten Söhne geschlungen, mit dem Worte, »mich müßt ihr tödten, ehe ihr diese tödtet?« – Ich höre eure Antwort: an ihr sollt ihr ermessen, ob die deutsche Universität eine deutsche Bildungsanstalt ist.
Damals hat der Student geahnt, in welchen Tiefen eine wahre Bildungsinstitution wurzeln muß: nämlich in einer innerlichen Erneuerung und Erregung der reinsten sittlichen Kräfte. Und dies soll dem Studenten immerdar zu seinem Ruhme nacherzählt werden. Auf den Schlachtfeldern mag er gelernt haben, was er am wenigsten in der Sphäre der »akademischen Freiheit« lernen konnte: daß man große Führer braucht, und daß alle Bildung mit dem Gehorsam beginnt. Und mitten in dem siegreichen Jubel, im Gedanken an sein befreites Vaterland hatte er sich das Gelöbniß gegeben, deutsch zu bleiben. Deutsch! Jetzt lernte er den СКАЧАТЬ