Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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СКАЧАТЬ des mo­der­nen, be­reits lit­te­ra­ri­schen Gym­na­sias­ten zu fas­sen wäre.

      Es ist eine erns­te Sa­che um einen ent­ar­te­ten Bil­dungs­men­schen: und furcht­bar be­rührt es uns, zu be­ob­ach­ten, daß uns­re ge­samm­te ge­lehr­te und jour­na­lis­ti­sche Öf­fent­lich­keit das Zei­chen die­ser Ent­ar­tung an sich trägt, Wie will man sonst un­se­ren Ge­lehr­ten ge­recht wer­den, wenn sie un­ver­dros­sen bei dem Wer­ke der jour­na­lis­ti­schen Volks­ver­füh­rung zu­schau­en oder gar mit­hel­fen, wie an­ders, wenn nicht durch die An­nah­me, daß ihre Ge­lehr­sam­keit et­was Ähn­li­ches für sie sein möge, was für Jene die Ro­man­schrei­be­rei, näm­lich eine Flucht vor sich selbst, eine as­ke­ti­sche Er­töd­tung ih­res Bil­dungs­triebs, eine de­spe­ra­te Ver­nich­tung des In­di­vi­du­ums. Aus un­se­rer ent­ar­te­ten li­te­ra­ri­schen Kunst eben­so­wohl als aus der in’s Un­sin­ni­ge an­schwel­len­den Buch­ma­che­rei un­se­rer Ge­lehr­ten quillt der glei­che Seuf­zer her­vor: ach, daß wir uns selbst ver­ges­sen könn­ten! Es ge­lingt nicht: die Erin­ne­rung, durch gan­ze Ber­ge dar­über­ge­schüt­te­ten ge­druck­ten Pa­piers nicht er­stickt, sagt doch von Zeit zu Zeit wie­der: »ein ent­ar­te­ter Bil­dungs­mensch! Zur Bil­dung ge­bo­ren und zur Un­bil­dung er­zo­gen! Hül­flo­ser Bar­bar, Skla­ve des Ta­ges, an die Ket­te des Au­gen­blicks ge­legt und hun­gernd – ewig hun­gernd!«

      Oh der elen­den Ver­schul­det-Un­schul­di­gen! Denn ih­nen fehl­te Et­was, was Je­dem von ih­nen ent­ge­gen­kom­men muß­te, eine wah­re Bil­dungs­in­sti­tu­ti­on, die ih­nen Zie­le, Meis­ter, Metho­den, Vor­bil­der, Ge­nos­sen ge­ben konn­te und aus de­ren In­ne­rem der kräf­ti­gen­de und er­he­ben­de An­hauch des wah­ren deut­schen Geis­tes auf sie zu ström­te. So ver­küm­mern sie in der Wild­niß, so ent­ar­ten sie zu Fein­den je­nes im Grun­de ih­nen in­nig ver­wand­ten Geis­tes; so häu­fen sie Schuld auf Schuld, schwe­re­re als je eine and­re Ge­ne­ra­ti­on ge­häuft hat, das Rei­ne be­schmut­zend, das Hei­li­ge ent­wei­hend, das Fal­sche und Unech­te prä­co­ni­si­rend. An ih­nen mögt ihr über die Bil­dungs­traft un­se­rer Uni­ver­si­tä­ten zum Be­wußt­sein kom­men und euch die Fra­ge al­len Erns­tes vor­le­gen: Was för­dert ihr in ih­nen? Die deut­sche Ge­lehr­sam­keit, die deut­sche Er­find­sam­keit, den ehr­li­chen deut­schen Trieb zur Er­kennt­niß, den deut­schen der Auf­op­fe­rung fä­hi­gen Fleiß – schö­ne und herr­li­che Din­ge, um die euch and­re Na­tio­nen be­nei­den wer­den, ja die schöns­ten und herr­lichs­ten Din­ge der Welt, wenn über ih­nen Al­len je­ner wah­re deut­sche Geist als dunkle blit­zen­de be­fruch­ten­de seg­nen­de Wol­ke aus­ge­brei­tet läge. Vor die­sem Geis­te aber fürch­tet ihr euch und da­her hat sich eine and­re Dunst­schicht, schwül und schwer, über eu­ren Uni­ver­si­tä­ten zu­sam­men­ge­zo­gen, un­ter der eure ed­le­ren Jüng­lin­ge müh­sam und be­las­tet ath­men, un­ter der die bes­ten zu Grun­de ge­hen.

      Es gab in die­sem Jahr­hun­dert einen tra­gisch erns­ten und ein­zig be­leh­ren­den Ver­such, jene Dunst­schicht zu zer­streu­en und den Aus­blick nach dem ho­hen Wol­ken­gan­ge des deut­schen Geis­tes weit­hin zu er­schlie­ßen. Die Ge­schich­te der Uni­ver­si­tä­ten ent­hält kei­nen ähn­li­chen Ver­such mehr, und wer Das, was hier noth thut, ein­dring­lich de­mons­tri­ren will, wird nie ein deut­li­che­res Bei­spiel fin­den kön­nen. Dies ist das Phä­no­men der al­ten ur­sprüng­li­chen »Bur­schen­schaft«.

      Im Krie­ge hat­te der Jüng­ling den un­ver­mu­the­ten wür­digs­ten Kampf­preis heim­ge­tra­gen, die Frei­heit des Va­ter­lan­des: mit die­sem Kran­ze ge­ziert sann er auf Ed­le­res. Zur Uni­ver­si­tät zu­rück­keh­rend emp­fand er, schwerath­mend, je­nen schwü­len und ver­derb­ten Hauch, der über der Stät­te der Uni­ver­si­täts­bil­dung lag. Plötz­lich sah er mit er­schreck­tem, weit­ge­öff­ne­tem Auge die hier un­ter Ge­lehr­sam­kei­ten al­ler Art künst­lich ver­steck­te un­deut­sche Bar­ba­rei, plötz­lich ent­deck­te er sei­ne eig­nen Ka­me­ra­den, wie sie füh­rer­los ei­nem wi­der­li­chen Ju­gend­tau­mel über­las­sen wur­den. Und er er­grimm­te. Mit der glei­chen Mie­ne der stol­zes­ten Em­pö­rung er­hob er sich, mit der sein Fried­rich Schil­ler einst die »Räu­ber« vor den Ge­nos­sen re­ci­tirt ha­ben moch­te: und wenn die­ser sei­nem Schau­spiel das Bild ei­nes Lö­wen und die Auf­schrift »in ty­ran­nos« ge­ge­ben hat­te, so war sein Jün­ger selbst je­ner zum Sprun­ge sich an­schi­cken­de Löwe: und wirk­lich er­zit­ter­ten alle »Ty­ran­nen«. Ja, die­se em­pör­ten Jüng­lin­ge sa­hen für den scheu­en und ober­fläch­li­chen Blick nicht viel an­ders aus als Schil­ler’s Räu­ber: ihre Re­den klan­gen dem ängst­li­chen Hor­cher wohl so, als ob Spar­ta und Rom ge­gen sie Non­nen­k­lös­ter ge­we­sen wä­ren. Der Schre­cken über die­se em­pör­ten Jüng­lin­ge war so all­ge­mein, wie ihn nicht ein­mal jene »Räu­ber« in der Sphä­re der Höfe er­regt hat­ten: von de­nen doch ein deut­scher Fürst, nach Goethe’s Er­klä­rung, ein­mal ge­äu­ßert ha­ben soll: »wäre er Gott und hät­te er die Ent­ste­hung der Räu­ber vor­aus­ge­se­hen, so wür­de er die Welt nicht ge­schaf­fen ha­ben«.

      Wo­her die un­be­greif­li­che Stär­ke die­ses Schre­ckens? Denn jene em­pör­ten Jüng­lin­ge wa­ren die tap­fers­ten, be­gab­tes­ten und reins­ten un­ter ih­ren Ge­nos­sen: eine groß­her­zi­ge Un­be­küm­mert­heit, eine edle Ein­falt der Sit­te zeich­ne­te sie in Ge­bär­de und Tracht aus: die herr­lichs­ten Ge­bo­te ver­knüpf­ten sie un­ter ein­an­der zu stren­ger und from­mer Tüch­tig­keit: was konn­te man an ih­nen fürch­ten? Es ist nie zur Klar­heit zu brin­gen, wie weit man bei die­ser Furcht sich be­trog oder sich ver­stell­te oder wirk­lich das Rech­te er­kann­te: aber ein fes­ter In­stinkt sprach aus die­ser Furcht und aus der schmach­vol­len und un­sin­ni­gen Ver­fol­gung. Die­ser In­stinkt haß­te mit zä­hem Has­se zwei­er­lei an der Bur­schen­schaft: ein­mal ihre Or­ga­ni­sa­ti­on, als den ers­ten Ver­such ei­ner wah­ren Bil­dungs­in­sti­tu­ti­on, und so­dann den Geist die­ser Bil­dungs­in­sti­tu­ti­on, je­nen männ­lich erns­ten, schwer­ge­muthen, har­ten und küh­nen deut­schen Geist, je­nen aus der Re­for­ma­ti­on her ge­sund be­wahr­ten Geist des Berg­manns­soh­nes Luther.

      An das Schick­sal der Bur­schen­schaft denkt nun, wenn ich fra­ge: hat die deut­sche Uni­ver­si­tät da­mals je­nen Geist ver­stan­den, als so­gar die deut­schen Fürs­ten ihn in ih­rem Has­se ver­stan­den zu ha­ben schei­nen? Hat sie kühn und ent­schie­den ih­ren Arm um ihre edels­ten Söh­ne ge­schlun­gen, mit dem Wor­te, »mich müßt ihr töd­ten, ehe ihr die­se töd­tet?« – Ich höre eure Ant­wort: an ihr sollt ihr er­mes­sen, ob die deut­sche Uni­ver­si­tät eine deut­sche Bil­dungs­an­stalt ist.

      Da­mals hat der Stu­dent ge­ahnt, in wel­chen Tie­fen eine wah­re Bil­dungs­in­sti­tu­ti­on wur­zeln muß: näm­lich in ei­ner in­ner­li­chen Er­neue­rung und Er­re­gung der reins­ten sitt­li­chen Kräf­te. Und dies soll dem Stu­den­ten im­mer­dar zu sei­nem Ruh­me nach­er­zählt wer­den. Auf den Schlacht­fel­dern mag er ge­lernt ha­ben, was er am we­nigs­ten in der Sphä­re der »aka­de­mi­schen Frei­heit« ler­nen konn­te: daß man große Füh­rer braucht, und daß alle Bil­dung mit dem Ge­hor­sam be­ginnt. Und mit­ten in dem sieg­rei­chen Ju­bel, im Ge­dan­ken an sein be­frei­tes Va­ter­land hat­te er sich das Gelöb­niß ge­ge­ben, deutsch zu blei­ben. Deutsch! Jetzt lern­te er den СКАЧАТЬ