Название: Gesammelte Werke
Автор: Фридрих Вильгельм Ðицше
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962815295
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Wie diese selbe Universität zur Kunst sich verhält, ist ohne Scham gar nicht einzugestehen: sie verhält sich gar nicht. Von einem künstlerischen Denken, Lernen, Streben, Vergleichen ist hier nicht einmal eine Andeutung zu finden, und gar von einem Votum der Universität zur Förderung der wichtigsten nationalen Kunstpläne wird Niemand im Ernste reden mögen. Ob der einzelne Lehrer sich zufällig persönlicher zur Kunst gestellt fühlt oder ob ein Lehrstuhl für ästhetisirende Litterarhistoriker gegründet ist, kommt hierbei gar nicht in Betracht: sondern daß die Universität als Ganzes nicht im Stande ist, den akademischen Jüngling in strenger künstlerischer Zucht zu halten, und daß sie hier gänzlich willenlos geschehen läßt, was geschieht, darin liegt eine so schneidige Kritik ihres anmaßlichen Anspruchs, die höchste Bildungsanstalt vertreten zu wollen.
Ohne Philosophie, ohne Kunst leben unsere akademischen »Selbständigen« heran: was können sie demnach für ein Bedürfniß haben, sich mit den Griechen und Römern einzulassen, zu denen eine Neigung zu erheucheln jetzt Niemand mehr einen Grund hat und die überdies in schwer zugänglicher Einsamkeit und majestätischer Entfremdung thronen. Die Universitäten unserer Gegenwart nehmen deshalb auch consequenter Weise auf solche ganz erstorbene Bildungsneigungen gar keine Rücksicht und errichten ihre philologischen Professuren für die Erziehung neuer exclusiver Philologengenerationen, denen nun wieder die philologische Zurichtung der Gymnasiasten obliegt: ein Kreislauf des Gebens, der weder den Philologen noch den Gymnasien zu Gute kommt, der aber vor Allem die Universität zum dritten Male bezichtigt, nicht Das zu sein, wofür sie sich prunkender Weise gern ausgeben möchte – eine Bildungsanstalt. Denn nehmt nur die Griechen, sammt der Philosophie und der Kunst weg: an welcher Leiter wollt ihr noch zur Bildung emporsteigen? Denn bei dem Versuche, die Leiter ohne jene Hülfe zu erklimmen, möchte euch eure Gelehrsamkeit – das müßt ihr euch schon sagen lassen – vielmehr als eine unbehülfliche Last auf dem Nacken sitzen, als daß sie euch beflügelte und emporzöge.
Wenn ihr nun, ihr Ehrlichen, auf diesen drei Stufen der Einsicht ehrlich geblieben seid und den jetzigen Studenten als ungeeignet und unvorbereitet für Philosophie, als instinktlos für wahre Kunst und als frei sich dünkenden Barbaren, angesichts der Griechen, erkannt habt, so werdet ihr doch nicht beleidigt vor ihm zurückfliehn, wenn ihr auch vielleicht zu nahe Berührungen gerne verhüten möchtet. – Denn so wie er ist, ist er unschuldig: so wie ihr ihn erkannt habt, klagt er stumm, doch fürchterlich die Schuldigen an.
Ihr müßtet die geheime Sprache verstehen, die dieser verschuldet Unschuldige vor sich selbst führt: dann würdet ihr auch das innere Wesen jener nach außen hin gern zur Schau getragnen Selbständigkeit verstehen lernen. Keinem der edler ausgerüsteten Jünglinge ist jene rastlose, ermüdende verwirrende entnervende Bildungsnoth ferne geblieben: für jene Zeit, in der er scheinbar der einzig Freie in einer beamteten und bediensteten Wirklichkeit ist, büßt er jene großartige Illusion der Freiheit durch immer sich erneuernde Qualen und Zweifel. Er fühlt, daß er sich selbst nicht führen, sich selbst nicht helfen kann: dann taucht er sich hoffnungsarm in die Welt des Tages und der Tagesarbeit: die trivialste Geschäftigkeit umhüllt ihn, schlaff sinken seine Glieder. Plötzlich wieder rafft er sich auf: noch fühlt er die Kraft nicht erlahmt, die ihn oben zu halten vermag. Stolze und edle Entschlüsse bilden sich und wachsen in ihm. Es erschreckt ihn, in enger kleinlicher Fachmäßigkeit so frühe zu versinken; und nun greift er nach Stützen und Pfeilern, um nicht in jene Bahn gerissen zu werden. Umsonst! diese Stützen weichen; denn er hatte fehlgegriffen und an zerbrechlichem Rohre sich festgehalten. In leerer und trostloser Stimmung sieht er seine Pläne verrauchen: sein Zustand ist abscheulich und unwürdig: er wechselt mit überspannter Thätigkeit und melancholischer Erschlaffung. Dann ist er müde, faul, furchtsam vor der Arbeit, vor allem Großen erschreckend und im Hasse gegen sich selbst. Er zergliedert seine Fähigkeiten und glaubt in hohle oder chaotisch ausgefüllte Räume zu sehen. Dann wieder stürzt er aus der Höhe der erträumten Selbsterkenntnis; in eine ironische Skepsis. Er entkleidet seine Kämpfe ihrer Wichtigkeit und fühlt sich bereit zu jeder wirklichen, wenn auch niedrigen Nützlichkeit. Er sucht jetzt seinen Trost in einem hastigen unablässigen Thun, um sich unter ihm vor sich selbst zu verstecken. Und so treibt ihn seine Rathlosigkeit und der Mangel eines Führers zur Bildung aus einer Daseinsform in die andre: Zweifel, Aufschwung, Lebensnoth, Hoffnung, Verzagen, Alles wirft ihn hin und her, zum Zeichen, daß alle Sterne über ihm erloschen sind, nach denen er sein Schiff lenken konnte.
Das ist das Bild jener gerühmten Selbständigkeit, jener akademischen Freiheit, wiedergespiegelt in den besten und wahrhaft bildungsbedürftigen Seelen: denen gegenüber jene roheren und unbekümmerten Naturen nicht in Betracht kommen, welche sich ihrer Freiheit im barbarischen Sinne freuen. Denn diese zeigen in ihrem niedrig gearteten Behagen und in ihrer fachgemäßen zeitigen Beschränktheit, daß für sie gerade dieses Element das Rechte ist: wogegen gar nichts zu sagen ist. Ihr Behagen aber wiegt wahrhaftig nicht das Leiden eines einzigen zur Cultur hingetriebenen und der Führung bedürftigen Jünglings auf, der unmuthig endlich die Zügel fallen läßt und sich selbst zu verachten beginnt. Dies ist der schuldlos unschuldige: denn wer hat ihm die unerträgliche Last aufgebürdet, allein zu stehen? Wer hat ihn in einem Alter zur Selbständigkeit angereizt, in dem Hingebung an große Führer und begeistertes Nachwandeln auf der Bahn des Meisters gleichsam die natürlichen und nächsten Bedürfnisse zu sein pflegen?
Es hat etwas Unheimliches, den Wirkungen nachzudenken, zu denen die gewaltsame Unterdrückung so edler Bedürfnisse führen muß. Wer die gefährlichsten Förderer und Freunde jener von mir so gehaßten Pseudocultur der Gegenwart in der Nähe und mit durchdringendem Auge mustert, findet nur zu häufig gerade unter ihnen solche entartete und entgleiste Bildungsmenschen, durch eine innere Desperation in ein feindseliges Wüthen gegen die Cultur getrieben, zu der ihnen Niemand СКАЧАТЬ