Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше страница 136

СКАЧАТЬ in ih­nen das Echo der Ge­gen­wart wie­der­klang, de­ren Stim­me der Alte nun ein­mal im Be­rei­che der Bil­dung nicht hö­ren moch­te. Un­se­re Ein­wen­dun­gen wa­ren über­dies nicht ei­gent­lich rein aus dem In­tel­lek­te ent­sprun­gen: der Grund, der durch die Re­den des Phi­lo­so­phen er­regt und zum Wi­der­stand ge­reizt war, schi­en an­ders­wo zu lie­gen. Vi­el­leicht sprach aus uns nur die in­stink­ti­ve Angst, ob ge­ra­de un­se­re In­di­vi­du­en bei sol­chen An­sich­ten, wie sie der Phi­lo­soph hat­te, vort­heil­haft be­dacht sei­en, viel­leicht dräng­ten sich alle jene frü­he­ren Ein­bil­dun­gen, die wir uns über un­se­re ei­ge­ne Bil­dung ge­macht hat­ten, jetzt zu der Noth zu­sam­men, um je­den Preis Grün­de ge­gen eine Be­trach­tungs­art zu fin­den, durch die al­ler­dings un­ser ver­meint­li­cher An­spruch auf Bil­dung recht gründ­lich ab­ge­wie­sen wur­de. Mit Geg­nern aber, die so per­sön­lich die Wucht ei­ner Ar­gu­men­ta­ti­on emp­fin­den, soll man nicht strei­ten; oder wie die Moral für un­sern Fall lau­ten wür­de: sol­che Geg­ner sol­len nicht strei­ten, sol­len nicht wi­der­spre­chen.

      So gien­gen wir ne­ben dem Phi­lo­so­phen her, be­schämt, mit­lei­dig, un­zu­frie­den mit uns und mehr als je über­zeugt, daß der Greis Recht ha­ben müs­se, und daß wir ihm Un­recht gethan hät­ten. Wie weit zu­rück lag jetzt der Ju­gendtraum un­se­rer Bil­dungs­an­stalt, wie deut­lich er­kann­ten wir die Ge­fahr, an der wir bis­her nur durch einen Zu­fall vor­bei­ge­schlüpft wa­ren, uns näm­lich mit Haut und Haar dem Bil­dungs­we­sen zu ver­lau­fen, das von je­nen Kna­ben­jah­ren an, be­reits aus un­serm Gym­na­si­um her­aus, ver­lo­ckend zu uns ge­spro­chen hat­te! Wo­rin lag es doch, daß wir noch nicht im öf­fent­li­chen Cho­rus sei­ner Be­wun­de­rer stan­den? Vi­el­leicht nur dar­in, daß wir noch wirk­li­che Stu­den­ten wa­ren, daß wir uns noch, aus dem gie­ri­gen Ha­schen und Drän­gen, aus dem rast­lo­sen und sich über­stür­zen­den Wel­len­schlag der Öf­fent­lich­keit, auf jene bald nun auch weg­ge­schwemm­te In­sel zu­rück­ziehn konn­ten!

      Von der­ar­ti­gen Ge­dan­ken über­wäl­tigt wa­ren wir im Be­griff den Phi­lo­so­phen an­zu­re­den, als er sich plötz­lich ge­gen uns wen­de­te und mit mil­de­rer Stim­me be­gann: »Ich darf mich nicht wun­dern, wenn ihr euch ju­gend­lich, un­vor­sich­tig und vor­ei­lig be­nahmt. Denn schwer­lich hat­tet ihr über Das, was ihr von mir hör­tet, schon je­mals ernst­haft nach­ge­dacht. Laßt euch Zeit, tragt es mit euch her­um, aber denkt dar­an Tag und Nacht. Denn jetzt seid ihr an den Kreuz­weg ge­stellt, jetzt wißt ihr, wo­hin die bei­den Wege füh­ren. Auf dem einen wan­delnd, seid ihr eu­rer Zeit will­kom­men, sie wird es an Krän­zen und Sie­ges­zei­chen nicht feh­len las­sen: un­ge­heu­re Par­tei­en wer­den euch tra­gen, hin­ter eu­rem Rücken wer­den eben­so­viel Gleich­ge­sinn­te wie vor euch ste­hen. Und wenn der Vor­der­mann ein Lo­sungs­wort aus­spricht, so hallt es in al­len Rei­hen wie­der. Hier heißt die ers­te Pf­licht: in Reih und Glied kämp­fen, die zwei­te: alle Die zu ver­nich­ten, die sich nicht in Reih und Glied stel­len wol­len. Der and­re Weg führt euch mit selt­ne­ren Wan­der­ge­nos­sen zu­sam­men, er ist schwie­ri­ger, ver­schlun­ge­ner und stei­ler: Die, wel­che auf dem ers­ten ge­hen, ver­spot­ten euch, weil ihr dort müh­sa­mer schrei­tet, sie ver­su­chen es auch wohl, euch zu sich hin­über­zu­lo­cken. Wenn aber ein­mal bei­de Wege sich kreu­zen, so wer­det ihr miß­han­delt, bei Sei­te ge­drängt, oder man weicht euch scheu aus und iso­lirt euch.

      Was wür­de nun, für die so ver­schie­den­ar­ti­gen Wan­de­rer bei­der Wege, eine Bil­dungs­an­stalt zu be­deu­ten ha­ben? Je­ner un­ge­heu­re Schwarm, der sich auf dem ers­ten Wege zu sei­nen Zie­len drängt, ver­steht dar­un­ter eine In­sti­tu­ti­on, wo­durch er selbst in Reih und Glied auf­ge­stellt wird und von der Al­les ab­ge­schie­den und los­ge­löst wird, was etwa nach hö­he­ren und ent­le­ge­ne­ren Zie­len hin­strebt. Frei­lich ver­ste­hen sie es prun­ken­de Wor­te für ihre Ten­den­zen in Um­lauf zu brin­gen: sie re­den zum Bei­spiel von der »all­sei­ti­gen Ent­wick­lung der frei­en Per­sön­lich­keit in­ner­halb fes­ter ge­mein­sa­mer na­tio­na­ler und mensch­lich-sitt­li­cher Über­zeu­gun­gen«, oder nen­nen als ihr Ziel »die Be­grün­dung des auf Ver­nunft, Bil­dung, Ge­rech­tig­keit ru­hen­den Volks­staa­tes«.

      Für die an­de­re klei­ne­re Schaar ist eine Bil­dungs­an­stalt et­was durch­aus Ver­schie­de­nes. Die­se will, an der Schutz­wehr ei­ner fes­ten Or­ga­ni­sa­ti­on, ver­hü­ten, daß sie selbst, durch je­nen Schwarm, weg­ge­schwemmt und aus­ein­an­der­ge­trie­ben wer­de, daß ihre Ein­zel­nen in früh­zei­ti­ger Er­mat­tung oder ab­ge­lenkt, ent­ar­tet, zer­stört, ihre ede­le und er­ha­be­ne Auf­ga­be aus dem Auge ver­lie­ren. Die­se Ein­zel­nen sol­len ihr Werk vollen­den, das ist der Sinn ih­rer ge­mein­schaft­li­chen In­sti­tu­ti­on – und zwar ein Werk, das gleich­sam von den Spu­ren des Sub­jekts ge­rei­nigt und über das Wech­sel­spiel der Zei­ten hin­aus­ge­tra­gen sein soll, als lau­te­re Wi­der­spie­ge­lung des ewi­gen und un­ver­än­der­li­chen We­sens der Din­ge. Und Alle, die an je­nem In­sti­tu­te Theil ha­ben, sol­len auch mit be­müht sein, durch eine sol­che Rei­ni­gung vom Sub­jekt, die Ge­burt des Ge­ni­us und die Er­zeu­gung sei­nes Wer­kes vor­zu­be­rei­ten. Nicht We­ni­ge, auch aus der Rei­he der zwei­ten und drit­ten Be­ga­bun­gen, sind zu ei­nem sol­chen Mit­hel­fen be­stimmt und kom­men nur im Diens­te ei­ner sol­chen wah­ren Bil­dungs-In­sti­tu­ti­on zu dem Ge­fühl, ih­rer Pf­licht zu le­ben. Jetzt aber wer­den ge­ra­de die­se Be­ga­bun­gen von den un­aus­ge­setz­ten Ver­füh­rungs­küns­ten je­ner mo­di­schen »Cul­tur« aus ih­rer Bahn ab­ge­lenkt und ih­rem In­stink­te ent­frem­det.

      An ihre egois­ti­schen Re­gun­gen, an ihre Schwä­chen und Ei­tel­kei­ten rich­tet sich die­se Ver­su­chung, ih­nen ge­ra­de flüs­tert je­ner Zeit­geist zu: »Folgt mir! Dort seid ihr Die­ner, Gehül­fen, Werk­zeu­ge, von hö­he­ren Na­tu­ren über­strahlt, eu­rer Ei­gen­art nie­mals froh, an Fä­den ge­zo­gen, an Ket­ten ge­legt, als Skla­ven, ja als Au­to­ma­ten: hier, bei mir, ge­nießt ihr als Herrn eure freie Per­sön­lich­keit, eure Be­ga­bun­gen dür­fen für sich glän­zen, mit ih­nen wer­det ihr selbst an der ers­ten Stel­le stehn, un­ge­heu­res Ge­fol­ge wird euch be­glei­ten, und der Zu­ruf der öf­fent­li­chen Mei­nung wird euch mehr be­ha­gen, als eine vor­nehm ge­spen­de­te Be­lo­bi­gung aus der Höhe des Ge­ni­us.« Sol­chen Ver­lo­ckun­gen un­ter­lie­gen jetzt die Al­ler­bes­ten: und im Grun­de ent­schei­det wohl hier kaum der Grad der Be­ga­bung, ob man für der­ar­ti­ge Stim­men zu­gäng­lich ist oder nicht, son­dern die Höhe und der Grad ei­ner ge­wis­sen sitt­li­chen Er­ha­ben­heit, der In­stinkt zum He­ro­is­mus, zur Auf­op­fe­rung – und end­lich ein si­che­res, zur Sit­te ge­wor­de­nes, durch rich­ti­ge Er­zie­hung ein­ge­lei­te­tes Be­dürf­niß der Bil­dung: als wel­che, wie ich schon sag­te, vor Al­lem Ge­hor­sam und Ge­wöh­nung an die Zucht des Ge­ni­us ist. Gera­de aber von ei­ner sol­chen Zucht, ei­ner sol­chen Ge­wöh­nung wis­sen die In­sti­tu­te, die man jetzt »Bil­dungs­an­stal­ten« nennt, so viel wie nichts: ob­wohl es mir nicht zwei­fel­haft ist, daß das Gym­na­si­um ur­sprüng­lich als eine der­ar­ti­ge wah­re Bil­dungs­in­sti­tu­ti­on, we­nigs­tens als vor­be­rei­ten­de Ver­an­stal­tung, ge­meint war und in den wun­der­ba­ren, tief­sin­nig er­reg­ten Zei­ten der Re­for­ma­ti­on die ers­ten küh­nen Schrit­te auf ei­ner sol­chen Bahn wirk­lich gethan hat, eben­falls, daß sich in der Zeit un­se­res Schil­ler, un­se­res Goe­the СКАЧАТЬ