Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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СКАЧАТЬ Wa­gen­len­ker mei­ner See­le, mit dem wi­der­stre­ben­den, wil­den und un­ge­ber­di­gen Ros­se rech­te Mühe, das Pla­to auch be­schrie­ben hat und von dem er sagt, es sei schief und un­ge­schlacht, mit star­rem Na­cken, kur­z­em Hals und plat­ter Nase, schwarz­ge­färbt, grau­en blut­un­ter­lau­fe­nen Au­ges, an den Ohren strup­picht und schwer­hö­rig, zu Fre­vel und Unt­hat al­le­zeit be­reit und kaum durch Gei­ßel und Sta­chel­stab lenk­bar. Den­ken Sie so­dann dar­an, wie lan­ge ich von Ih­nen ent­fernt ge­lebt habe und wie ge­ra­de auch an mir alle jene Ver­füh­rungs­küns­te sich er­pro­ben konn­ten, von de­nen Sie re­de­ten, viel­leicht doch nicht ohne ei­ni­gen Er­folg, wenn auch fast un­be­merkt vor mir sel­ber. Ich be­grei­fe ge­ra­de jetzt stär­ker als je, wie nothwen­dig eine In­sti­tu­ti­on ist, wel­che es uns er­mög­licht, mit den sel­te­nen Män­nern wah­rer Bil­dung zu­sam­men­zu­le­ben, um an ih­nen Füh­rer und Leit­ster­ne zu ha­ben. Wie stark emp­fin­de ich die Ge­fahr des ein­sa­men Wan­derns! Und wenn ich, wie ich Ih­nen sag­te, aus dem Ge­wühl und der di­rek­ten Berüh­rung mit dem Zeit­geis­te mich durch Flucht zu ret­ten wähn­te, so war selbst die­se Flucht eine Täu­schung. Fort­wäh­rend, aus un­zäh­li­gen Adern, mit je­dem Athem­zu­ge quillt jene At­mo­sphä­re in uns hin­ein, und kei­ne Ein­sam­keit ist ein­sam und fer­ne ge­nug, wo sie uns nicht, mit ih­ren Ne­beln und Wol­ken, zu er­rei­chen wüß­te. Als Zwei­fel, als Ge­winn, als Hoff­nung und Tu­gend ver­klei­det, in der wech­sel­reichs­ten Mas­ken­tracht um­schlei­chen uns die Bil­der je­ner Cul­tur: und selbst hier in Ih­rer Nähe, das heißt gleich­sam an der Hand ei­nes wah­ren Bil­dungs­ere­mi­ten wuß­te uns jene Gau­ke­lei zu ver­füh­ren. Wie be­stän­dig und treu muß jene klei­ne Schaar ei­ner fast sek­ti­re­risch zu nen­nen­den Bil­dung un­ter sich wa­chen! Wie sich ge­gen­sei­tig stär­ken! Wie streng muß hier der Fehl­tritt ge­rügt, wie mit­lei­dig ver­ziehn wer­den! So ver­zei­hen Sie nun auch mir, mein Leh­rer, nach­dem Sie mich so ernst zu­recht­ge­wie­sen ha­ben!«

      »Du führst eine Spra­che, mein Gu­ter«, sag­te der Phi­lo­soph, »die ich nicht mag, und die an re­li­gi­öse Con­ven­ti­kel er­in­nert. Da­mit habe ich nichts zu thun. Aber dein pla­to­ni­sches Pferd hat mir ge­fal­len, sei­net­we­gen soll dir auch ver­zie­hen sein. Ge­gen die­ses Pferd tau­sche ich mein Säu­gethier ein. Üb­ri­gens habe ich we­nig Lust, mit euch hier im Küh­len noch fer­ner her­um­zu­gehn. Mein von mir er­war­te­ter Freund ist zwar toll ge­nug, auch wohl um Mit­ter­nacht noch hier hin­auf zu kom­men, wenn er es ein­mal ver­spro­chen hat. Aber ich war­te ver­ge­bens auf das zwi­schen uns ver­ab­re­de­te Zei­chen: mir bleibt es un­ver­ständ­lich, was ihn bis jetzt ab­ge­hal­ten hat. Denn er ist pünkt­lich und ge­nau, wie wir Al­ten zu sein pfle­gen und wie es die Ju­gend jetzt für alt­vä­te­risch hält. Dies­mal läßt er mich im Stich: es ist ver­drieß­lich! Nun folgt mir nur! Es ist Zeit zu ge­hen!«

      – In die­sem Au­gen­bli­cke zeig­te sich et­was Neu­es. –

      *

      Fünf­ter Vor­trag

      (Ge­hal­ten am 23. März 1872.)

      Mei­ne ver­ehr­ten Zu­hö­rer! Wenn Das, was ich Ih­nen von den man­nig­fal­tig er­reg­ten, in nächt­li­cher Stil­le ge­führ­ten Re­den un­se­res Phi­lo­so­phen er­zählt habe, mit ei­ni­gem Mit­ge­fühl von Ih­nen auf­ge­nom­men ist, so dürf­te Sie die zu­letzt be­rich­te­te un­muthi­ge Ent­schlie­ßung des­sel­ben in ähn­li­cher Wei­se ge­trof­fen ha­ben, wie sie uns da­mals traf. Plötz­lich näm­lich kün­dig­te er uns an, daß er ge­hen wol­le: im Stich ge­las­sen von sei­nem Freun­de und we­nig er­quickt von Dem, was wir, sammt sei­nem Beglei­ter, ihm in sol­cher Ein­öde ent­ge­gen­zu­brin­gen wuß­ten, schi­en er nun has­tig den nutz­los ver­län­ger­ten Auf­ent­halt auf dem Ber­ge ab­bre­chen zu wol­len. Der Tag durf­te ihm als ver­lo­ren gel­ten: und ihn gleich­sam von sich ab­schüt­telnd hät­te er ge­wiß auch gern das An­den­ken an un­se­re Be­kannt­schaft ihm hin­ter­drein wer­fen mö­gen. Und so trieb er uns un­wil­lig an zu ge­hen, als ein neu­es Phä­no­men ihn zum Still­ste­hen zwang, und der be­reits er­ho­be­ne Fuß sich wie­der zö­gernd senk­te.

      Ein far­bi­ger Licht­schein und ein knat­tern­des schnell ver­hal­len­des Ge­tö­se, aus der Ge­gend des Rheins her, bann­te un­se­re Auf­merk­sam­keit; und gleich dar­auf zog sich eine lang­sa­me me­lo­di­sche Phra­se, im Ein­klan­ge, doch durch zahl­rei­che ju­gend­li­che Stim­men ver­stärkt, aus der Fer­ne zu uns her­über. »Dies ist ja sein Si­gnal,« rief der Phi­lo­soph, »mein Freund kommt doch noch, und ich habe nicht um­sonst ge­war­tet. Es wird ein mit­ter­nächt­li­ches Wie­der­se­hen – wie mel­den wir ihm doch, daß ich jetzt noch hier bin? Auf! Ihr Pis­to­len­schüt­zen, jetzt zeigt eure Küns­te ein­mal! Hört ihr den stren­gen Ryth­mus je­ner uns be­grü­ßen­den Me­lo­die? Die­sen Ryth­mus merkt euch und wie­der­holt ihn in der Rei­hen­fol­ge eu­rer Ex­plo­sio­nen!«

      Dies war eine Auf­ga­be nach un­se­rem Ge­schmack und un­se­rer Fä­hig­keit; wir lu­den so schnell wie mög­lich und nach kur­z­er Ver­stän­di­gung er­ho­ben wir un­se­re Pis­to­len nach der von Ster­nen durch­leuch­te­ten Höhe, wäh­rend jene ein­dring­li­che Ton­fol­ge in der Tie­fe, nach kur­z­er Wie­der­ho­lung, erstarb. Der ers­te, der zwei­te und drit­te Schuß gien­gen schnei­dig in die Nacht hin­aus – jetzt schrie der Phi­lo­soph: »Fal­scher Takt!« denn plötz­lich wa­ren wir un­se­rer ryth­mi­schen Auf­ga­be un­treu ge­wor­den: eine Stern­schnup­pe kam, un­mit­tel­bar nach dem drit­ten Schuß, pfeil­schnell her­un­ter­ge­flo­gen und fast un­will­kür­lich er­tön­te der vier­te und fünf­te Schuß zu­gleich, in der Rich­tung ih­res Nie­der­falls.

      »Fal­scher Takt!« schrie der Phi­lo­soph, »wer heißt euch nach Stern­schnup­pen zu zie­len! Das platzt schon von selbst, ohne euch; man muß wis­sen, was man will, wenn man mit Waf­fen han­tirt.«

      In die­sem Au­gen­bli­cke wie­der­hol­te sich, vom Rhei­ne her her­über­ge­tra­gen, jene, jetzt von zahl­rei­che­ren und lau­te­ren Stim­men in­to­nir­te Me­lo­die. »Man hat uns doch ver­stan­den«, rief la­chend mein Freund, »und wer kann auch wi­der­ste­hen, wenn so ein leuch­ten­des Ge­s­penst ge­ra­de in Schuß­wei­te kommt?« – »Still!« un­ter­brach ihn der Beglei­ter, »was mag das für ein Schwarm sein, der uns dies Si­gnal ent­ge­gen­singt! Ich rat­he auf zwan­zig bis vier­zig Stim­men, kräf­ti­ge männ­li­che Stim­men – und von wo aus be­grüßt uns je­ner Schwarm? Er scheint noch nicht das jen­sei­ti­ge Ufer des Rheins ver­las­sen zu ha­ben – doch das müs­sen wir ja se­hen kön­nen, von un­se­rer Bank aus. Kom­men Sie schnell da­hin!«

      An der Stel­le näm­lich, auf der wir bis jetzt auf- und ab­ge­gan­gen wa­ren, in der Nähe je­nes ge­wal­ti­gen Baum­stump­fes, war die Aus­sicht nach dem Rhei­ne zu durch das dich­te fins­te­re und hohe Ge­hölz ab­ge­schnit­ten. Da­ge­gen habe ich er­zählt, daß man von je­nem Ru­he­platz aus, et­was tiefer als die ebe­ne Flä­che auf der Höhe des Ber­ges, einen Durch­blick durch die Baum­gip­fel hin­durch hat­te und daß ge­ra­de der Rhein, mit der In­sel Non­nen­wörth im Arme, den Mit­tel­punkt des ge­run­de­ten Aus­schnit­tes für den Be­schau­er aus­füll­te. Wir lie­fen ei­lig, doch mit Vor­sicht für den grei­fen Phi­lo­so­phen, nach die­sem Ru­he­plät­ze hin: es war schwar­ze Dun­kel­heit im Wal­de, und den Phi­lo­so­phen rechts und СКАЧАТЬ