Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше страница 138

СКАЧАТЬ style="font-size:15px;">      Die­se fast in­grim­mig vor­ge­sto­ße­ne Fra­ge reg­te uns auf. »Was ha­ben Sie ge­gen die Stu­den­ten?« ent­geg­ne­ten wir und be­ka­men kei­ne Ant­wort. Erst nach ei­ner Wei­le be­gann der Phi­lo­soph lang­sam, in kla­gen­dem Tone und gleich­sam den noch Ent­fern­ten an­re­dend: »Also selbst um Mit­ter­nacht, mein Freund, selbst auf dem ein­sa­men Ber­ge wer­den wir nicht al­lein sein, und du selbst bringst eine Schaar stu­den­ti­scher Stö­ren­frie­de zu mir her­auf, der du doch weißt, daß ich die­sem ge­nus om­ne gern und be­hut­sam aus dem Wege gehe. Ich ver­ste­he dich dar­in nicht, mein fer­ner Freund: es will doch Et­was sa­gen, wenn wir uns nach lan­ger Tren­nung zum Wie­der­sehn zu­sam­men­fin­den und einen sol­chen ent­le­ge­nen Win­kel und sol­che un­ge­wöhn­li­che Stun­den dazu aus­le­sen. Wozu brauch­ten wir einen Chor von Zeu­gen und von sol­chen Zeu­gen! Was uns ja für heu­te zu­sam­men­ruft, das ist doch am we­nigs­ten ein sen­ti­men­ta­li­sches weich­müthi­ges Be­dürf­niß: denn wir ha­ben Bei­de bei Zei­ten ge­lernt, al­lein und in wür­de­vol­ler Iso­la­ti­on le­ben zu kön­nen. Nicht um un­sert­wil­len, etwa um zärt­li­che Ge­füh­le zu pfle­gen oder um eine Sce­ne der Freund­schaft pa­the­tisch dar­zu­stel­len, ha­ben wir be­schlos­sen uns hier zu se­hen; son­dern hier, wo ich dich einst, in denk­wür­di­ger Stun­de, fei­er­lich ver­ein­samt, an­traf, woll­ten wir mit­ein­an­der, gleich­sam als Rit­ter ei­ner neu­en Veh­me, des erns­tes­ten Ra­thes pfle­gen. Mag uns da­bei hö­ren, wer uns ver­steht, aber warum bringst du einen Schwarm mit, der uns ge­wiß nicht ver­steht! Ich er­ken­ne dich dar­in nicht, mein fer­ner Freund!«

      Wir hiel­ten es nicht für schick­lich, den so un­ge­muth Kla­gen­den zu un­ter­bre­chen: und als er me­lan­cho­lisch ver­stumm­te, wag­ten wir doch nicht, ihm zu sa­gen, wie sehr uns die­se miß­traui­sche Ab­leh­nung der Stu­den­ten ver­drie­ßen muß­te.

      End­lich wen­de­te sich der Beglei­ter an den Phi­lo­so­phen und sag­te: »Sie er­in­nern mich, mein Leh­rer, dar­an, daß Sie ja auch in frü­he­rer Zeit, be­vor ich Sie ken­nen lern­te, an meh­re­ren Uni­ver­si­tä­ten ge­lebt ha­ben und daß Gerüch­te über Ihren Ver­kehr mit Stu­die­ren­den, über die Metho­de Ihres Un­ter­richts noch aus je­ner Pe­ri­ode im Um­lauf sind. Aus dem Tone der Re­si­gna­ti­on, mit dem Sie eben von den Stu­den­ten spra­chen, dürf­te Man­cher wohl auf ei­gent­hüm­li­che ver­stim­men­de Er­fah­run­gen rat­hen; ich aber glau­be viel­mehr, daß Sie eben Das er­fah­ren und ge­se­hen ha­ben, was Je­der dort er­fährt und sieht, daß Sie aber dies stren­ger und rich­ti­ger be­urt­heilt ha­ben als je­der An­de­re. Denn so­viel habe ich aus Ihrem Um­gan­ge ge­lernt, daß die merk­wür­digs­ten, lehr­reichs­ten und ent­schei­den­den Er­fah­run­gen und Er­leb­nis­se die all­täg­li­chen sind, daß aber ge­ra­de Das, was als un­ge­heu­res Räth­sel vor al­ler Au­gen liegt, von den We­nigs­ten als Räth­sel ver­stan­den wird, und daß für die we­ni­gen rech­ten Phi­lo­so­phen eben die­se Pro­ble­me un­be­rührt, mit­ten auf der Fahr­stra­ße und gleich­sam un­ter den Fü­ßen der Men­ge, lie­gen blei­ben, um von ih­nen dann sorg­sam auf­ge­ho­ben zu wer­den und von nun an als Edel­stei­ne der Er­kennt­niß zu leuch­ten. Vi­el­leicht sa­gen Sie uns in der kur­z­en Pau­se, die uns noch bis zur An­kunft Ihres Freun­des bleibt, noch Et­was über Ihre Er­kennt­nis­se und Er­fah­run­gen in der Sphä­re der Uni­ver­si­tät und vollen­den da­mit den Kreis der Be­trach­tun­gen, zu de­nen wir un­will­kür­lich in Be­treff un­se­rer Bil­dungs­an­stal­ten ge­nö­thigt wor­den sind. Zu­dem sei es uns er­laubt, Sie dar­an zu er­in­nern, daß Sie, auf ei­ner frü­he­ren Stu­fe Ih­rer, Be­spre­chun­gen, mir so­gar eine der­ar­ti­ge Ver­hei­ßung ge­macht ha­ben. Von dem Gym­na­si­um aus­ge­hend, be­haup­te­ten Sie für das­sel­be eine au­ßer­or­dent­li­che Be­deu­tung: an sei­nem Bil­dungs­zie­le, je nach­dem es ge­steckt ist, müß­ten sich alle an­de­ren In­sti­tu­te mes­sen, an den Ver­ir­run­gen sei­ner Ten­denz hät­ten jene mit­zu­lei­den. Eine sol­che Be­deu­tung, als be­we­gen­der Mit­tel­punkt, kön­ne setzt selbst die Uni­ver­si­tät nicht mehr für sich in An­spruch neh­men, die, bei ih­rer jet­zi­gen For­ma­ti­on, we­nigs­tens nach ei­ner wich­ti­gen Sei­te hin nur als Aus­bau der Gym­na­si­al­ten­denz gel­ten dür­fe. Hier ver­spra­chen Sie mir eine spä­te­re Aus­füh­rung: Et­was, was viel­leicht auch un­se­re stu­die­ren­den Freun­de be­zeu­gen kön­nen, die un­ser da­ma­li­ges Ge­spräch mög­li­cher Wei­se mit an­ge­hört ha­ben.«

      »Dies be­zeu­gen wir«, ver­setz­te ich. Der Phi­lo­soph wen­de­te sich ge­gen uns und ver­setz­te: »Nun, wenn ihr wirk­lich zu­ge­hört habt, so könnt ihr mir ein­mal be­schrei­ben, was ihr, nach al­lem Ge­sag­ten, un­ter der jet­zi­gen Gym­na­si­al­ten­denz ver­steht. Zu­dem steht ihr die­ser Sphä­re noch nahe ge­nug, um mei­ne Ge­dan­ken an eu­ren Er­fah­run­gen und Emp­fin­dun­gen mes­sen zu kön­nen.«

      Mein Freund er­wi­der­te, schnell und be­hend wie sei­ne Art ist, etwa Fol­gen­des: »Bis jetzt hat­ten wir im­mer ge­glaubt, daß die ein­zi­ge Ab­sicht des Gym­na­si­ums sei, für die Uni­ver­si­tät vor­zu­be­rei­ten. Die­se Vor­be­rei­tung aber soll uns selb­stän­dig ge­nug für die au­ßer­or­dent­lich freie Stel­lung ei­nes Aka­de­mi­kers ma­chen. Denn es scheint mir, daß in kei­nem Ge­bie­te des jet­zi­gen Le­bens dem Ein­zel­nen so viel zu ent­schei­den und zu ver­fü­gen über­las­sen sei, wie im Be­rei­che des stu­den­ti­schen Le­bens. Er muß sich selbst, auf ei­ner wei­ten, ihm völ­lig frei­ge­geb­nen Flä­che, auf meh­re­re Jah­re hin­aus füh­ren kön­nen: also wird das Gym­na­si­um ver­su­chen müs­sen, ihn selb­stän­dig zu ma­chen.«

      Ich setz­te die Rede mei­nes Ka­me­ra­den fort. »Es scheint mir so­gar,« sag­te ich, »daß al­les Das, was Sie, ge­wiß mit Recht, an dem Gym­na­si­um zu ta­deln ha­ben, nur nothwen­di­ge Mit­tel sind, um, für ein so ju­gend­li­ches Al­ter, eine Art von Selb­stän­dig­keit und min­des­tens den Glau­ben dar­an zu er­zeu­gen. Die­ser Selb­stän­dig­keit soll der deut­sche Un­ter­richt die­nen: das In­di­vi­du­um muß sei­ner An­sich­ten und Ab­sich­ten zei­tig froh wer­den, um ohne Krücken, al­lein ge­hen zu kön­nen. Des­halb wird es schon frü­he zur Pro­duk­ti­on und noch frü­her zu schar­fer Be­ur­tei­lung und Kri­tik an­ge­hal­ten. Wenn die la­tei­ni­schen und grie­chi­schen Stu­di­en auch nicht im Stan­de sind, den Schü­ler für das fer­ne Al­ter­thum zu ent­zün­den, so er­wacht doch wohl, bei der Metho­de, mit der sie be­trie­ben wer­den, der wis­sen­schaft­li­che Sinn, die Lust an stren­ger Cau­sa­li­tät der Er­kennt­niß, die Be­gier zum Fin­den und Er­fin­den: wie Vie­le mö­gen durch eine auf dem Gym­na­si­um ge­fun­de­ne, mit ju­gend­li­chem Tas­ten er­hasch­te neue Les­art zu den Rei­zun­gen der Wis­sen­schaft dau­ernd ver­führt wor­den sein! Vie­ler­lei muß der Gym­na­si­ast ler­nen und in sich ein­sam­meln: da­durch wird wahr­schein­lich all­ge­mach ein Trieb er­zeugt, von dem ge­lei­tet er dann auf der Uni­ver­si­tät selb­stän­dig in ähn­li­cher Wei­se lernt und ein­sam­melt. Kurz, wir glau­ben, es möge die Gym­na­si­al­ten­denz sein, den Schü­ler so vor­zu­be­rei­ten und ein­zu­ge­wöh­nen, daß er nach­her so selb­stän­dig wei­ter lebe und ler­ne, wie er un­ter dem Zwan­ge der Gym­na­sial­ord­nung le­ben und ler­nen muß­te.«

      Der Phi­lo­soph lach­te hier­auf, doch nicht ge­ra­de gut­müthig, und ver­setz­te: »Da habt ihr mir so­gleich eine schö­ne Pro­be die­ser Selb­stän­dig­keit СКАЧАТЬ