Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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СКАЧАТЬ dich­te Ver­samm­lung.«

      Der­ar­ti­ges brach­ten wir mit­ein­an­der, ohne viel Ge­schick und Ord­nung vor, ja der Beglei­ter des Phi­lo­so­phen gieng noch wei­ter und sag­te zu sei­nem Leh­rer: »Nun den­ken Sie selbst an alle die großen Ge­ni­en, auf die wir ge­ra­de, als auf äch­te und treue Füh­rer und Weg­wei­ser je­nes wah­ren deut­schen Geis­tes stolz zu sein pfle­gen, de­ren An­den­ken wir durch Fes­te und Sta­tu­en eh­ren, de­ren Wer­ke wir mit Selbst­ge­fühl dem Aus­lan­de ent­ge­gen­hal­ten: worin ist die­sen eine sol­che Bil­dung, wie Sie sie ver­lan­gen, ent­ge­gen­ge­kom­men, in­wie­fern zei­gen sie sich er­nährt und ge­reift an ei­ner hei­mi­schen Bil­dungs­son­ne? Und trotz­dem sind sie mög­lich ge­we­sen, und trotz­dem sind sie Das ge­wor­den, was wir jetzt so zu ver­eh­ren ha­ben, ja ihre Wer­ke recht­fer­ti­gen viel­leicht ge­ra­de die Form der Ent­wick­lung, die die­se ed­len Na­tu­ren nah­men, ja selbst einen sol­chen Man­gel an Bil­dung, den wir wohl bei ih­rer Zeit und ih­rem Vol­ke zu­ge­ben müs­sen. Was hat­te Les­sing, was hat­te Win­ckel­mann aus ei­ner vor­han­de­nen deut­schen Bil­dung zu ent­neh­men? Nichts oder min­des­tens eben­so­we­nig als Beetho­ven, als Schil­ler, als Goe­the, als alle un­se­re großen Künst­ler und Dich­ter. Vi­el­leicht ist es ein Na­tur­ge­setz, daß im­mer erst die spä­te­ren Ge­ne­ra­tio­nen sich be­wußt wer­den müs­sen, durch wel­che himm­li­schen Ge­schen­ke eine frü­he­re aus­ge­zeich­net wor­den sei.«

      Hier ge­rieth der phi­lo­so­phi­sche Greis in hef­ti­gen Zorn und schrie sei­nen Beglei­ter an: »O du Lamm an Ein­falt der Er­kennt­niß! O ihr ins­ge­sammt Säu­gethie­re zu Nen­nen­de! Was sind das für schie­fe, lin­ki­sche, enge, höcke­ri­ge, krüp­pel­haf­te Ar­gu­men­ta­tio­nen! Ja, jetzt eben hör­te ich die Bil­dung un­se­rer Tage, und mei­ne Ohren klin­gen wie­der von lau­ter ge­schicht­li­chen »Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten«, von lau­ter alt­klu­gen er­bar­mungs­lo­sen His­to­ri­ker-Ver­nünf­tig­kei­ten! Mer­ke dir das, du un­ent­weih­te Na­tur: du bist alt ge­wor­den und seit Jahr­tau­sen­den ruht die­ser Ster­nen­him­mel über dir – aber ein sol­ches ge­bil­de­tes und im Grun­de bos­haf­tes Ge­re­de, wie es die­se Ge­gen­wart liebt, hast du noch nie ge­hört! Also ihr seid stolz, mei­ne gu­ten Ger­ma­nen, auf eure Dich­ter und Künst­ler? Ihr zeigt mit den Fin­gern auf sie und brüs­tet euch mit ih­nen vor dem Aus­lan­de? Und weil es euch kei­ne Mühe ge­kos­tet hat, sie un­ter euch zu ha­ben, so macht ihr dar­aus eine al­ler­liebs­te Theo­rie, daß ihr euch auch für­der­hin kei­ne Mühe um sie zu ge­ben braucht? Nicht wahr, mei­ne un­er­fahr­nen Kin­der, sie kom­men von selbst: der Storch bringt sie euch! Wer wird von Heb­am­men re­den mö­gen! Nun, mei­ne Gu­ten, euch ge­bührt eine erns­te Be­leh­rung: was? ihr dürf­tet dar­auf stolz sein, daß alle die ge­nann­ten glän­zen­den und edeln Geis­ter durch euch, durch eure Bar­ba­rei vor­zei­tig er­stickt, ver­braucht, er­lo­schen sind? Wie, ihr dürf­tet ohne Scham an Les­sing den­ken, der an eu­rer Stumpf­heit, im Kampf mit eu­ren lä­cher­li­chen Klöt­zen und Göt­zen, un­ter dem Miß­stan­de eu­rer Thea­ter, eu­rer Ge­lehr­ten, eu­rer Theo­lo­gen zu Grun­de gieng, ohne ein ein­zi­ges Mal je­nen ewi­gen Flug wa­gen zu dür­fen, zu dem er in die Welt ge­kom­men war? Und was emp­fin­det ihr bei Win­ckel­mann’s An­ge­den­ken, der, um sei­nen Blick von eu­ren gro­tes­ken Al­bern­hei­ten zu be­frein, bei den Je­sui­ten um Hül­fe bet­teln gieng, des­sen schmäh­li­cher Über­tritt auf euch zu­rück­fällt und an euch als un­ver­tilg­ba­rer Fle­cken haf­ten wird? Ihr dürf­tet gar Schil­ler’s Na­men nen­nen und könnt nicht er­rö­then? Seht sein Bild euch an! Das ent­zün­det fun­keln­de Auge, das ver­ächt­lich über euch hin­weg­fliegt, die­se tödt­lich ge­röthe­te Wan­ge – das sagt euch Nichts? Da hat­tet ihr so ein herr­li­ches und gött­li­ches Spiel­zeug, das durch euch zer­trüm­mert wur­de. Und nehmt noch Goethe’s Freund­schaft aus die­sem schwer­müthig has­ti­gen, zu Tode ge­hetz­ten Le­ben hin­weg – an euch hät­te es dann ge­le­gen, es noch schnel­ler ver­lö­schen zu ma­chen. Bei Kei­nem un­se­rer großen Ge­ni­en habt ihr mit­ge­hol­fen – und jetzt wollt ihr ein Dog­ma dar­aus ma­chen, daß Kei­nem mehr ge­hol­fen wer­de? Aber für Je­den wä­ret ihr, bis die­sen Au­gen­blick, der »Wi­der­stand der dump­fen Welt«, den Goe­the in sei­nem Epi­log zur Glo­cke bei Na­men nennt, für Je­den wä­ret ihr die ver­dros­se­nen Stumpf­sin­ni­gen oder die nei­di­schen Eng­her­zi­gen oder die bos­haf­ten Selbst­süch­ti­gen. Trotz euch schu­fen Jene ihre Wer­ke, ge­gen euch wand­ten sie ihre An­grif­fe und Dank euch star­ben sie zu früh, in un­voll­en­de­ter Ta­ges­ar­beit, un­ter Kämp­fen zer­bro­chen oder be­täubt, da­hin. Wer kann aus­den­ken, was die­sen he­ro­i­schen Män­nern zu er­rei­chen be­schie­den war, wenn je­ner wah­re deut­sche Geist in ei­ner kräf­ti­gen In­sti­tu­ti­on sein schüt­zen­des Dach über sie aus­ge­brei­tet hät­te, je­ner Geist, der ohne eine sol­che In­sti­tu­ti­on ver­ein­zelt, zer­brö­ckelt, ent­ar­tet sein Da­sein weiter­schleppt. Alle jene Män­ner sind zu Grun­de ge­rich­tet: und es ge­hört ein toll­ge­wor­de­ner Glau­be an die Ver­nünf­tig­keit al­les Ge­sche­hen­den dazu, um mit ihm eure Schuld ent­schul­di­gen zu wol­len. Und nicht jene Män­ner al­lein! Aus al­len Be­rei­chen in­tel­lek­tu­el­ler Aus­zeich­nung tre­ten die An­klä­ger ge­gen euch auf: mag ich auf alle die dich­te­ri­schen oder phi­lo­so­phi­schen oder ma­le­ri­schen oder plas­ti­schen Be­ga­bun­gen hin­sehn und nicht nur auf die Be­ga­bun­gen des höchs­ten Gra­des, über­all be­mer­ke ich das nicht Reif­ge­wor­de­ne, das Über­reiz­te oder zu früh Er­schlaff­te, das vor der Blü­the Ver­seng­te oder Er­fro­re­ne, über­all wit­te­re ich je­nen »Wi­der­stand der stump­fen Welt«, das heißt eure Ver­schul­dung. Was will es be­sa­gen, wenn ich nach Bil­dungs­an­stal­ten ver­lan­ge und den Zu­stand De­rer, die sich so nen­nen, er­bar­mungs­wür­dig fin­de. Wer dies ein »idea­les Ver­lan­gen« und über­haupt »ide­al« zu nen­nen be­liebt und wohl gar da­mit wie mit ei­nem Lobe mich ab­zu­fin­den meint, dem die­ne zur Ant­wort, daß das Vor­han­de­ne ein­fach eine Ge­mein­heit und eine Schmach ist, und daß, wer in klap­per­dür­rem Frost nach Wär­me ver­langt, wild wer­den muß, wenn man dies ein »idea­les Ver­lan­gen« nennt. Hier han­delt es sich um, lau­ter auf­dring­li­che, ge­gen­wär­ti­ge, au­gen­schein­li­che Wirk­lich­kei­ten: wer et­was da­von fühlt, der weiß, daß es hier eine Noth giebt, wie Frost und Hun­ger. Wer aber nichts da­von fühlt – nun, der hat dann we­nigs­tens einen Maß­stab, um zu mes­sen, wo Das auf­hört, was ich »Bil­dung« nen­ne, und bei wel­chen Qua­dern der Py­ra­mi­de sich die Sphä­re, die von un­ten, und die an­de­re, die von oben be­herrscht wird, schei­det.«

      Der Phi­lo­soph schi­en sich sehr er­hitzt zu ha­ben: wir for­der­ten ihn auf, wie­der et­was her­um­zu­gehn, wäh­rend er sei­ne letz­ten Re­den ste­hend, in der Nähe je­nes Baum­stump­fes, der uns als Ziel­schei­be für un­se­re Pis­to­len­küns­te diente, ge­spro­chen hat­te. Es wur­de für eine Zeit un­ter uns ganz still. Lang­sam und nach­denk­lich schrit­ten wir auf und ab. Wir emp­fan­den viel we­ni­ger Be­schä­mung, so thö­rich­te Ar­gu­men­te vor­ge­bracht zu ha­ben, als eine ge­wis­se Re­sti­tu­ti­on un­se­rer Per­sön­lich­keit: ge­ra­de nach den er­hitz­ten und für uns nicht schmei­chel­haf­ten An­re­den glaub­ten wir uns dem Phi­lo­so­phen nä­her, ja per­sön­li­cher ge­stellt zu füh­len. Denn so elend ist der Mensch, daß er durch Nichts ei­nem Frem­den so schnell nahe kommt, als wenn die­ser eine Schwä­che, einen De­fekt mer­ken läßt. Daß un­ser Phi­lo­soph er­hitzt wur­de und Schimpf­wor­te ge­brauch­te, über­brück­te СКАЧАТЬ