Название: Gesammelte Werke
Автор: Фридрих Вильгельм Ðицше
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962815295
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Ich will euch, meine Freunde, ein Beispiel geben. Wollt ihr einen jungen Menschen auf den rechten Bildungspfad geleiten, so hütet euch wohl, das naive zutrauensvolle, gleichsam persönlich-unmittelbare Verhältniß desselben zur Natur zu stören: zu ihm müssen der Wald und der Fels, der Sturm, der Geier, die einzelne Blume, der Schmetterling, die Wiese, die Bergeshalde in ihren eignen Zungen reden, in ihnen muß er gleichsam sich wie in zahllosen auseinandergeworfnen Reflexen und Spiegelungen, in einem bunten Strudel wechselnder Erscheinungen wiedererkennen: so wird er unbewußt das metaphysische Einssein aller Dinge an dem großen Gleichniß der Natur nachempfinden und zugleich an ihrer ewigen Beharrlichkeit und Nothwendigkeit sich selbst beruhigen. Aber wie vielen jungen Menschen darf es gestattet sein, so nahe und fast persönlich zur Natur gestellt heranzuwachsen! Die Anderen müssen frühzeitig eine andre Wahrheit lernen: wie man die Natur sich unterjocht. Hier ist es mit jener naiven Metaphysik zu Ende: und die Physiologie der Pflanzen und Thiere, die Geologie, die unorganische Chemie zwingt ihre Jünger zu einer ganz veränderten Betrachtung der Natur. Was durch diese neue angezwungene Betrachtungsart verloren gegangen ist, ist nicht etwa eine poetische Phantasmagorie, sondern das instinktive wahre und einzige Verständnis; der Natur: an dessen Stelle jetzt ein kluges Berechnen und Überlisten der Natur getreten ist. So ist dem wahrhaft Gebildeten das unschätzbare Gut verliehn, ohne jeden Bruch, den beschaulichen Instinkten seiner Kindheit treu bleiben zu können und dadurch zu einer Ruhe, Einheit, zu einem Zusammenhang und Einklang zu kommen, die von einem zum Lebenskampfe Herangezogenen nicht einmal geahnt werden können.
Glaubt also ja nicht, meine Freunde, daß ich unsern Realschulen und höheren Bürgerschulen ihr Lob verkümmern will: ich ehre die Stätten, an denen man ordentlich rechnen lernt, wo man sich der Verkehrssprachen bemächtigt, die Geographie ernst nimmt und sich mit den erstaunlichen Erkenntnissen der Naturwissenschaft bewaffnet. Ich bin auch gern bereit zuzugeben, daß die auf den besseren Realschulen unserer Tage Vorbereiteten vollkommen zu den Ansprüchen berechtigt sind, die die fertigen Gymnasiasten zu machen pflegen, und die Zeit ist gewiß nicht mehr fern, wo man derartig Geschulten die Universitäten und die Staatsämter überall ebenso unumschränkt öffnet wie bisher nur den Zöglingen des Gymnasiums – wohlgemerkt den Zöglingen des jetzigen Gymnasiums! Diesen schmerzlichen Nachsatz kann ich aber nicht unterdrücken: wenn es wahr ist, daß Realschule und Gymnasium in ihren gegenwärtigen Zielen im Ganzen so einmüthig sind und nur in so zarten Linien von einander abweichen, um auf eine volle Gleichberechtigung vor dem Forum des Staates rechnen zu können – so fehlt uns somit eine Species der Erziehungsanstalten vollständig: die Species der Bildungsanstalten! Dies ist am wenigsten ein Vorwurf gegen die Realschulen, die viel niedrigere, aber höchst nothwendige Tendenzen ebenso glücklich als ehrlich bisher verfolgt haben; aber viel weniger ehrlich geht es in der Sphäre des Gymnasiums zu, auch viel weniger glücklich: denn hier lebt etwas von einem instinktiven Gefühl der Beschämung, von einer unbewußten Erkenntniß, daß das ganze Institut schmählich degradirt sei, und daß den klangvollen Bildungsworten kluger apologetischer Lehrer die barbarisch-öde und sterile Wirklichkeit widerspricht. Also es giebt keine Bildungsanstalten! Und dort, wo man deren Mienen wenigstens noch erheuchelt, ist man hoffnungsloser, abgemagerter und unzufriedner als an den Herden des sogenannten »Realismus«! Übrigens, merkt euch, meine Freunde, wie roh und ununterrichtet man in den Lehrerkreisen sein muß, wenn man den strengen philosophischen Terminus »real« und »Realismus« in dem Maaße mißverstehn konnte, um dahinter den Gegensatz von Stoff und Geist zu wittern und um den »Realismus« interpretiren zu können als »die Richtung auf das Erkennen, Gestalten, Beherrschen des Wirklichen«.
Ich für meinen Theil kenne nur einen wahren Gegensatz, Anstalten der Bildung und Anstalten der Lebensnoth: zu der zweiten Gattung gehören alle vorhandenen, von der ersten aber rede ich.«
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Es mögen etwa zwei Stunden vergangen sein, während die beiden philosophischen Genossen sich über so befremdende Dinge unterredeten. Inzwischen war es Nacht geworden: und wenn schon in der Dämmerung die Stimme des Philosophen wie eine Naturmusik in dem waldigen Gehege erklungen war, so brach sich jetzt, in der völligen Schwärze der Nacht, wenn er erregt oder gar leidenschaftlich sprach, der Klang in mannigfaltigem Donnern, Krachen und Zischen an den in’s Thal hinab sich verlierenden Baumstämmen und Felsblöcken. Plötzlich wurde er stumm: er hatte soeben, mit fast mitleidiger Wendung wiederholt: »wir haben keine Bildungsanstalten, wir haben keine Bildungsanstalten!« – da fiel Etwas, vielleicht ein Tannenzapfen, unmittelbar vor ihm nieder, bellend stürzte der Hund des Philosophen auf dieses Etwas zu: – so unterbrochen, hob der Philosoph den Kopf und fühlte mit einem Male die Nacht, die Kühle, die Einsamkeit. »Was machen wir doch!« sagte er zu seinem Begleiter: »es ist ja finster geworden. Du weißt, wen wir hier erwarteten: aber er kommt nicht mehr. Wir waren umsonst so lange hier: wir wollen gehen.«
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Nun muß ich Sie, meine verehrten Zuhörer, mit den Empfindungen bekannt machen, mit denen ich und mein Freund, von unserem Verstecke aus, dem deutlich wahrnehmbaren und von uns gierig erlauschten Gespräche gefolgt waren. Ich habe Ihnen ja erzählt, daß wir, an jener Stelle und in jener Abendstunde, ein Erinnerungsfest zu feiern uns bewußt waren: diese Erinnerung bezog sich auf nichts Anderes als auf Bildungs- und Erziehungsdinge, von denen wir, nach unserem jugendlichen Glauben, eine reiche und glückliche Ernte aus unserem bisherigen Leben heimgebracht hatten. So waren wir denn besonders geneigt, mit Dankbarkeit der Institution zu gedenken, die wir einst, an dieser Stelle ausgedacht hatten, um, wie ich schon früher mittheilte, in einem kleinen Kreis von Genossen unsere lebendigen Bildungsregungen gegenseitig anzuspornen und zu überwachen. Plötzlich aber fiel auf jene ganze Vergangenheit ein gänzlich unerwartetes Licht, als wir schweigend und lauschend uns den starken Reden des Philosophen überließen. Wir kamen uns vor wie Solche, die mit einem Male in unbewachtem Wandern ihren Fuß an einem Abgrund finden: wir ahnten den größten Gefahren nicht sowohl entgangen als entgegengelaufen zu sein. Hier, an der für uns so denkwürdigen Stelle, hörten wir den Mahnruf: »Zurück! Keinen Schritt weiter! Wißt ihr, wohin euer Fuß СКАЧАТЬ