Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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СКАЧАТЬ als wir ihn ein­hol­ten. Denn mein Freund schrie in dem Au­gen­bli­cke, weil der Hund ihn ge­bis­sen hat­te, und der Beglei­ter sprang mit sol­cher Wucht auf mich los, daß wir Bei­de um­fie­len. Es ent­stand, zwi­schen Hund und Mensch, eine un­heim­li­che Reg­sam­keit auf dem Erd­bo­den, die ei­ni­ge Au­gen­bli­cke an­dau­er­te – bis es mei­nem Freun­de ge­lang, mit star­ker Stim­me und die Wor­te des Phi­lo­so­phen par­odi­rend, zu ru­fen: »Im Na­men al­ler Cul­tur und Pseu­do­cul­tur! Was will der dum­me Hund von uns! Ver­ma­le­dei­ter Hund, weg von hier, du Un­ein­ge­weih­ter, Nie-ein­zu­wei­hen­der, weg von uns und un­se­ren Ein­ge­wei­den, gehe schwei­gend zu­rück, schwei­gend und be­schämt!« Nach die­ser An­re­de klär­te sich die Sce­ne et­was: so weit sie sich in der völ­li­gen Dun­kel­heit des Wal­des klä­ren konn­te. »Sie sind es!« rief der Phi­lo­soph. »Un­se­re Pis­to­len­schüt­zen! Wie ha­ben Sie uns er­schreckt! Was treibt Sie, so auf mich nächt­li­cher Wei­le los­zu­stür­zen?«

      »Freu­de, Dank, Ver­eh­rung treibt uns«, sag­ten wir und schüt­tel­ten die Hän­de des Grei­ses, wäh­rend der Hund ein ah­nungs­rei­ches Ge­bell aus­stieß. »Wir woll­ten Sie nicht fort­las­sen, ohne Ih­nen dies zu sa­gen. Und um Ih­nen Al­les er­klä­ren zu kön­nen, dür­fen Sie auch noch nicht fort­ge­hen: wir wol­len Sie auch um wie Vie­les! noch fra­gen, was wir ge­ra­de jetzt auf dem Her­zen ha­ben. Blei­ben Sie doch: je­der Schritt des Wegs ist uns ver­traut, wir ge­lei­ten Sie nach­her hin­ab. Vi­el­leicht kommt auch der von Ih­nen er­war­te­te Gast noch. Se­hen Sie ein­mal dort hin­un­ter auf den Rhein: was schwimmt da so hell, wie un­ter dem Schei­ne vie­ler Fa­ckeln her­um? Da su­che ich Ihren Freund mit­ten dar­in, ja ich ahne be­reits, daß er mit al­len die­sen Fa­ckeln zu Ih­nen her­auf­kom­men wird.«

      Und so be­stürm­ten wir den ver­wun­der­ten Greis mit un­sern Bit­ten, un­sern Ver­spre­chun­gen, un­sern phan­tas­ti­schen Vor­spie­ge­lun­gen, bis end­lich auch der Beglei­ter dem Phi­lo­so­phen zu­re­de­te, noch et­was hier auf der Höhe des Bergs, in der mil­den Nacht­luft, auf- und ab­zu­gehn, »von al­lem Wis­sens­qualm ent­la­den«, wie er hin­zu­füg­te.

      »Ach schämt euch!« sag­te der Phi­lo­soph, »ihr könnt doch, wenn ihr Et­was ein­mal ci­ti­ren wollt, Nichts als Faust ci­ti­ren. Doch will ich euch nach­ge­ben, mit oder ohne Ci­tat, wenn nur un­se­re Jüng­lin­ge Stand hal­ten und nicht eben­so plötz­lich da­von­lau­fen, wie sie ge­kom­men sind: denn sie sind wie Irr­lich­ter, man wun­dert sich, wenn sie da sind und wie­der, wenn sie nicht mehr da sind.«

      Hier re­ci­tir­te mein Freund so­fort:

       »Aus Ehr­furcht, hoff’ ich, soll es uns ge­lin­gen,

       »Das leich­te Na­tu­rell zu zwin­gen,

       »Nur Zick­zack geht ge­wöhn­lich un­ser Lauf.«

      Der Phi­lo­soph wun­der­te sich und blieb ste­hen. »Ihr über­rascht mich«, sag­te er, »mei­ne Her­ren Irr­lich­ter: dies ist doch kein Sumpf! Was ha­ben Sie von die­ser Stät­te? Was be­deu­tet Ih­nen die Nähe ei­nes Phi­lo­so­phen? Da ist die Luft scharf und klar, da ist der Bo­den tro­cken und hart. Ihr müßt euch eine phan­tas­ti­sche­re Re­gi­on für eure Zick­zack­nei­gun­gen aus­su­chen.«

      »Ich den­ke«, sprach hier der Beglei­ter da­zwi­schen, »die Her­ren ha­ben uns be­reits ge­sagt, daß ein Ver­spre­chen sie für die­se Stun­de an die­sen Ort bin­det: aber wie mich dünkt, ha­ben sie auch, als Chor, un­se­rer Bil­dungs­ko­mö­die zu­ge­hört und zwar als wahr­haft »idea­li­sche Zuschau­er« – denn sie ha­ben uns nicht ge­stört, wir glaub­ten mit­ein­an­der al­lein zu sein.«

      »Ja«, sag­te der Phi­lo­soph, »das ist wahr: die­ses Lob darf Ih­nen nicht ver­sagt wer­den, aber es schi­en mir, daß Sie noch ein grö­ße­res ver­dien­ten –«

      Hier er­faß­te ich die Hand des Phi­lo­so­phen und sag­te: »Der muß ja stumpf wie ein Rep­til sein, Bauch am Bo­den, Kopf im Schlam­me, der sol­che Re­den, wie die Ih­ri­gen, an­hö­ren könn­te, ohne ernst und nach­denk­lich, ja er­regt und heiß zu wer­den. Vi­el­leicht wür­de der Eine oder der An­de­re da­bei er­grim­men, aus Ver­druß und Selb­st­an­kla­ge; bei uns aber war der Ein­druck an­ders, nur daß ich nicht weiß, wie ich ihn be­schrei­ben soll. Gera­de die­se Stun­de war für uns so aus­ge­sucht, un­se­re Stim­mung war so vor­be­rei­tet, wir sa­ßen da wie of­fe­ne Ge­fäße – nun scheint es, daß wir uns mit die­ser neu­en Weis­heit über­füllt ha­ben, denn ich weiß mir gar nicht mehr zu hel­fen, und wenn mich Je­mand frag­te, was ich am mor­gen­den Tage thun wol­le oder was ich über­haupt mir von jetzt ab zu thun vornäh­me, so wür­de ich gar nicht zu ant­wor­ten wis­sen. Denn of­fen­bar ha­ben wir bis jetzt ganz an­ders ge­lebt, ganz an­ders uns ge­bil­det, als es recht ist – aber was ma­chen wir, um über die Kluft von heu­te zu mor­gen hin­weg­zu­kom­men?«

      »Ja«, be­stä­tig­te mein Freund, »so geht es auch mir, so fra­ge ich gleich­falls: dann aber ist mir’s, als ob ich über­haupt durch so hohe und idea­le An­sich­ten über die Auf­ga­be der deut­schen Bil­dung von ihr fort­ge­scheucht wür­de, ja als ob ich nicht wür­dig sei, an ih­rem Wer­ke mit­zu­bau­en. Ich sehe nur einen glän­zen­den Zug der al­ler­reichs­ten Na­tu­ren nach je­nem Zie­le sich hin­be­we­gen, ich ahne, über wel­che Ab­grün­de hin, an wel­chen Ver­lo­ckun­gen vor­bei die­ser Zug führt. Wer darf so kühn sein, die­sem Zuge sich zu­zu­ge­sel­len?«

      Hier wen­de­te sich auch der Beglei­ter wie­der an den Phi­lo­so­phen und sag­te: »Verar­gen Sie es auch mir nicht, wenn ich et­was Ähn­li­ches emp­fin­de und wenn ich es jetzt vor Ih­nen aus­spre­che. In der Un­ter­re­dung mit Ih­nen geht es mir oft so, daß ich mich über mich selbst hin­aus­ge­ho­ben füh­le und mich an Ihrem Mu­the, Ihren Hoff­nun­gen, bis zum Selbst­ver­ges­sen, er­wär­me. Dann kommt ein küh­ler­er Au­gen­blick, ir­gend ein schar­fer Wind der Wirk­lich­keit bringt mich zum Be­sin­nen – und dann sehe ich nur die weit zwi­schen uns auf­ge­riss­ne Kluft, über die Sie selbst mich, wie im Trau­me, weg­tru­gen. Was Sie Bil­dung nen­nen, das schlot­tert dann um mich her­um oder las­tet schwer auf mei­ner Brust, das ist ein Pan­zer­hemd, durch das ich nie­der­ge­drückt wer­de, ein Schwert, das ich nicht schwin­gen kann.«

      Plötz­lich wa­ren wir Drei, an­ge­sichts des Phi­lo­so­phen, ein­müthig, und uns ge­gen­sei­tig sti­mu­li­rend und er­muthi­gend brach­ten wir etwa Fol­gen­des ge­mein­schaft­lich vor, wäh­rend wir mit dem Phi­lo­so­phen auf der baum­frei­en Flä­che, die uns an je­nem Tage als Schieß­platz ge­dient hat­te, lang­sam auf- und ab­gien­gen, in völ­lig schweig­sa­mer Nacht und un­ter ei­nem ru­hig aus­ge­spann­ten Ster­nen­him­mel.

      »Sie ha­ben so­viel vom Ge­ni­us ge­spro­chen«, sag­ten wir etwa, »von sei­ner ein­sa­men be­schwer­li­chen Wan­de­rung durch die Welt, als ob die Na­tur nur im­mer die äu­ßers­ten Ge­gen­sät­ze pro­du­ci­re, ein­mal die stump­fe schla­fen­de, durch In­stink­te fort­wu­chern­de Mas­se und dann in un­ge­heu­rer Ent­fer­nung da­von, die großen con­tem­pla­ti­ven, zu ewi­gen Schöp­fun­gen aus­ge­rüs­te­ten Ein­zel­nen. Nun aber nen­nen Sie die­se selbst die Spit­ze der in­tel­lek­tu­el­len Py­ra­mi­de: es scheint doch, daß vom brei­ten schwer­be­las­te­ten Fun­da­men­te aus bis zu dem frei ra­gen­den Gip­fel СКАЧАТЬ