Название: Leiden und Freuden eines Schulmeisters
Автор: Jeremias Gotthelf
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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O, es gibt der glücklichen Leute, für die schon von der Wiege an die Beine in den Längen gehen, vielleicht um eine reiche Heirat aus oder um ein schönes Amt. Und wenn sie aufwachsen, diese Leute — wie dann der Tanten, Schwestern, Basen, Vettern Beine gehen und ihre Zungen dazu! Und wie sie ein Wesen machen von dem Glücklichen und wie sie reden von ihm und seinen Talenten, seinem Fleiß, und wie er sich widme für dieses Amt und für jenes Fach! Und wie dann allgemein das Gerücht sich verbreitet, welche wichtige bestimmte Vorbereitungen der Fleißige treffe, und wie dann allgemein der Glaube sich festsetzt, das Vaterland oder das Mädchen könne keine glücklichere Acquisition machen! Und wie das Vaterland und das Mädchen leider nicht warten mögen, um das Verdienst zu belohnen! Und wie oft es beiden geht wie dem armen Teufel, der von den Juden ein Roß gekauft, bethört durch ihr Geschwätz! Einen Staatsgaul meint er zu haben, frei und frank zu allen Sprüngen fertig. Nun findet der Gaul sich, nachdem der Juden Geschnatter aufgehört, blästig und untersätzig, mähnig und stettig, schwach auf allen vier Beinen, faul am ganzen Leibe, und im Stalle endlich zeigt er sich bald als stiller Kolder, bald als Krüpfendrücker, und wenn man ihn untersuchte, so wäre er vielleicht gar hauptmürdig.
Auf diese Weise ist man schon Schultheiß geworden, nicht nur Professor. So hat nicht nur manches schöne und reiche Mädchen einen schönen und reichen Mann erhalten, sondern schon manches arme und häßliche ist unter eine stattliche Haube gekommen als Ausbund in der Tugend oder im Kochen und Waschen und hatte doch noch niemanden einen Fehler vergeben oder verschwiegen, wußte nicht, ob man zu einer Mehlsuppe Anken oder Schmutz nehme und welche Seife besser sei, blaue oder weiße.
Heutzutage hat man es auch hierin viel komoder als ehedem. So wie man durch Dampf- und andere Maschinen viele Arbeit leichter, schneller machen, weiter verbreiten, viele Arbeiter ersparen kann, so hat man auch bei dem Beinemachen die Sache vereinfacht. Tanten, Schwestern, Vettern braucht man nicht mehr so notwendig; hat man sie, so läßt man sie laufen; aber man kann es machen ohne sie.
Man hat nämlich eine General-Base erfunden, die gar lange Beine und einen weiten Mund hat, und wer die auf seine Seite bringt, daß sie sich für ihn auf die Beine macht von Haus zu Haus, der macht in Karriere seine Carriere. Diese Hauptbase ist nämlich die Presse und ihre vielen Töchtern sind die Zeitungen. O, was sind alle alten und jungen Basen, nenne man sie Klatsch- oder Schnapsbasen, in der ganzen Welt gegen diese Hauptbase und ihre Töchterlein!
Die wissen zu sagen, was niemand sonst weiß; die wissen zu rühmen, wo niemand es sonst thäte; die können schelten und spotten, wo sonst jeder ehrliche Mensch sich schämen würde. O, wer diese Base und einige kleine Bäschen bestochen hat durch Frechheit oder Karisieren, der kann sicher sein, daß er es weit bringt, und wenn auch kein guter Faden an ihm wäre, und er eine noch weit elendere Kreatur wäre als jener koldrige, krüpfendrückende Gaul! Doch ich will nichts weiter sagen; ich könnte sonst in einen Ast sägen, und mancher edle, hochherzige Vater landsfreund, der auf einem Zeitungsbesen (die Hexen brauchten ehedem nur gewöhnliche Besen; aber sie konnten eben hexen) hoch in die Lüfte zu den Sternen empor und dann in ein schönes Amt geritten ist, wo er jetzt steht, und wie! könnte sonst meinen, ich rede Anzügliches, und mich bei der Base oder gar bei dem Richter verklagen. Und die Base will ich nicht böse machen, eben weil sie die Hauptbase ist und nicht nur erhöhen, sondern auch erniedrigen kann. O, das hat mancher brave Mann erfahren, der von ihr im Kote herumgezogen worden ist, bis er aussah wie ein Sauniggel und bis die Leute sagten: »Da isch doch e wüeste, da cheu mr nimme bruche.« Ja, die Base ist eine gar wichtige Staatsperson geworden und übt große Macht. Sie leistete anfangs große Dienste und that gar fromm und züchtig; man glaubte ihr daher aufs Wort. Das machte sie aber übermütig; sie ließ die Hörnlein hervor und wurde halt eben eine Frau Base, und seitdem sinkt ihr Kredit und sie wird nach und nach dnrch ihre Töchterlein, wenn sie sie nicht besser dressiert, nicht mehr ausrichten als andere Basen.
Ich wußte nicht, an wen mich wenden, um Nachricht einzuziehen, wo Normalschulen abgehalten wurden und welche die beste sei. Ich saß bei meinem Bauer wie aus Dornen, half Haberäcker hacken, bis ich Blattern bekam wie Haselnüsse. Endlich half mir das liebe Wochenblatt aus der Not und diesmal ein diesjähriges. Dort war eine solche Schule angekündigt und der Termin zum Einschreiben bestimmt. Ich versäumte ihn nicht. Der Lehrer, bereits ein ältlicher Mann, empfing mich etwas vornehm und machte mich bekannt mit Büchern, die ich mitbringen müsse, und mit der Notwendigkeit, ein Kostort zu suchen, was ich um 19 oder 20 Batzen per Woche wohl finden werde.
Beim Heimgehen ward mir das Herz schwer, indem ich mein Vermögen und die bevorstehenden Ausgaben überschlug. Die letztern schienen mir wenigstens auf 12—15 Kronen sich zu belaufen, während ich den ganzen Winter durch kaum so viel verdient. Und ach, wie sahen meine Hemdchen aus! Ich durfte sie kaum mehr zu waschen geben. Wie übel war ich mit Werktagskleidern bestellt! Des Morgens mußte ich alle Künste anwenden, um mit den Füßen nicht bei den Knieen in den Hosen herauszufahren, statt am gehörigen Ort. Nun sah ich keine Möglichkeit, etwas anzuschaffen, wenn ich das Konstruieren lernen wollte, und schämte mich doch, so verhudelt in die Lehr zu gehen. Doch eben weil ich einmal diesen Weg zu gehen angefangen hatte, ging ich ihn fort. Es wäre mir zu viel zugemutet gewesen, einen andern Entschluß zu fassen und mich für etwas anderes auf die Beine zu machen, wie groß auch mein Kummer war und wie wenig ich mir etwas auszudenken vermochte, um meine Verlegenheit zu erleichtern. Es gibt wie unter den Zeitwörtern so auch unter den Menschen zweierlei Formen, eine thätige und eine leidende, eine sich selbst bestimmende und eine sich bestimmen lassende. Die leidende war mein Teil geworden. Mein Bauer sah mich ungern gehen. Ich glaube, ich war ihnen lieb geworden, obgleich sie viel über mich lachten. Er hieß mich wieder kommen, aber von dem neuen Damp solle ich ihm nichts an seine Kinder bringen; ich war gschichte gnueg gsy u hätt nit brucht mys Löhnli so liederli ga z‘vrthue. Er gab mir ein Trinkgeld und, was mich am meisten freute, seine Frau brachte mir ein neues Hemde, wie für die Ewigkeit gemacht, halb knöpfig, halb rystig. Sie hatte es über und über gestärkt, daß es stund am Boden und ich Mühe hatte, es in die Hosen zu bringen. Und hoch war der Kragen und gestärket, daß er mir das erste Mal Plätzen abmachte an den Ohren. Wie meinte ich mich da!
Wir waren bei zwanzig in der Lehre, angestellte Schulmeister und solche, die es werden wollten. Mehrere gingen des Abends heim; wir anderen waren hie und dort verkostgeltet. In den ersten Tagen hatte ich einem Kameraden meine Not geklagt und dieser mir den Rat gegeben, ich solle meinem Kostmeister anbieten, für ihn zu weben in der Zwischenzeit und, wenn es nötig sei, noch nach Beendigung der Lehrzeit. Dieser war es sehr wohl zufrieden und somit war ich meinen ökonomischen Sorgen enthoben.
Unsere Pensen waren: Lesen, Schönschreiben, sogenannte Sprachlehre verbunden mit Konstruieren, Themaschreiben, Rechnen, Katechisieren und Singen.
Von Schönlesen wußte mau nichts; bloß wurde aufmerksam gemacht, daß man bei Sprachzeichen den Ton mehr oder weniger müsse fallen lassen. Das Richtiglesen war die Hauptsache; denn mancher konnte es nicht und brachte es bis zum Examen nicht dahin. Die Sprachlehre wurde diktiert, und wer nicht nachkam, schrieb aus dem Buche nach oder aus den Heften anderer, wenn er Geschriebenes lesen konnte. Ich weiß nicht mehr recht, was sie enthielt; denn die Hefte las ich nie mehr nach und ich kann jetzt auch sie nicht mehr nachsehen; denn ich habe sie verloren. So viel ich mich erinnere, kam darin von den Sprachzeichen, wie sie heißen, vor, und die Namen aller Wörter wurden angegeben; wenn ich nicht irre, waren sie eingeteilt in vierundzwanzig Klassen. Dann von den Redefällen und den verschiedenen Zeiten. Weiter weiß ich nichts mehr, und ich glaube nicht, daß sie mehr enthielt.
Das Konstruieren war die Hauptsache; man übte es in der Kinderbibel. Der Lehrer machte aufmerksam, daß von einem Punkt zum andern wenigstens ein Zeitwort sei, d. h. ein Wort, welches angebe, in welcher Zeit etwas geschehen sei. Manchmal seien auch mehrere; aber man sehe es dem immer an, welches das Hauptzeitwort sei. Dieses Wort nun müsse man vor allem andern suchen. Er ließ einen Satz lesen, oder, wie er sagte, bis zu einem Punkt. Dann fragte er nach dem Zeitworte. Oft erriet die ganze Reihe Schüler alle Wortklassen durch, ehe sie das Rechte trafen. СКАЧАТЬ