Leiden und Freuden eines Schulmeisters. Jeremias Gotthelf
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Читать онлайн книгу Leiden und Freuden eines Schulmeisters - Jeremias Gotthelf страница 30

СКАЧАТЬ übler Bursche, aber nicht abgerieben, nicht schlau, sondern unbehülflich, schüchtern, fast verschämt, kurz, ich war just so, wie man einen am liebsten für einen Gauch hält, besonders die Mädchen. Für die sind so verschämte, unbehülfliche und dabei rotbäckige Bursche ein wahrer Schleck und ein jedes reibt sich an ihnen, um sie abzureiben. So hatten sie ihr Spiel mit mir in der Stube und im Tenn, und die Meisterleute hielten sich manchmal fast den Bauch vor Lachen. Es war dort Sitte, daß auch die Jungfrauen dreschen mußten, wenn nicht alle Männer bei der Hand waren; und wenn das Mannevolk alles zu Hause war, so strichen sie doch, so viel es sich thun ließ, ums Tenn herum. Nach dem Mittagessen wurde gewöhnlich ds Narrenwerk getrieben, ungefähr wie in der Ernte und im Heuet auf dem Felde, d. h. man tröhlte einander im Stroh herum und da fiel manches vor, was ich jetzt nicht weitläufig beschreiben will. Da nun ging der Hauptspuk mit mir an. Man reisete mich hinter die Mädchen, und wenn ich nicht durfte, so kamen sie hinter mich, und mehr als einmal war ich dem Ersticken nahe, weil sie mich auf dem Boden unter sich hielten und kitzelten. Wenn ich Meister wurde, so machte ich auch, was ich konnte, oder was mir die Knechte angaben, und was dann geschah, blieb gewöhnlich das Gespräch den ganzen Nachmittag über. Bald rühmten sie mich, bald führten sie mich aus, und da sie schnell merkten, daß das Rühmen gar wohl bei mir bschoß, so wußten sie es so anzuwenden, daß ich bei meiner natürlichen Gutmütigkeit und Willfährigkeit aller Handlanger wurde. Des Abends trug ich ihnen Holz und Wasser hinein; bei dieser Arbeit begegnete mir einmal ein Spaß. Es war am Tage vor der Fleglete, daß ich viel Holz hineintragen mußte und eine neue Byge angriff. In derselben fand ich zwei Schuhsohlen, welche der Schuhmacher, den wir eben auf der Stör hatten, von des Meisters Leder abgeschnitten und dort versteckt hatte, um sie am Samstag mit nach Hause zu nehmen. Ich brachte sie samt den Scheitern in die Küche. Nun wurde lange Rat gehalten, was man damit anfangen, wie man den Schuhmacher am besten beschämt machen könnte. Endlich hatte die schlauste der Mägde, ein kleines rundes Ding mit schlauen schwarzen Augen, den Einfall, man solle ihm dieselben den Tag darauf kücheln und sie ihm geben zum heimtragen. Gesagt, gethan. Als man fertig war, küchelte man die Stücke Sohlleder gar schön, band sie ihm ein und gab sie ihm mit. Fast konnte man es nicht vor Lachen, als er so schön dankte. Aber wie wurde erst gelacht, als man vernahm, derselbe sei mit seinen geküchelten Schuhsohlen zu einem Meitschi gegangen, hätte sie ihm gekramet, und beide hätten fast die Zahne ausgekaut, ehe sie den Spaß gemerkt!

      Nach der Flegelte ging das Lehren an und wurde allerdings unerchant getrieben, daß es mir zuweilen fast gschmuechtete. Das ging mit dem Lehrer wie mit einem Trank, von dem man, wenn man ihn einmal hat, keinen Tropfen zu Schanden gehen lassen will, und sollte man darob selbst zu Schanden gehen. Sobald der Melker aufstund, mußte ich auch, und zuerst mit dem Güterbub lehren, der nicht den ganzen Tag über dabei sein konnte. Und des Nachts nach dem Rüsten mußte ich noch oft hören: »Se, Schumeister, du chönntischt dr Bueb no ne chlei bhöre.« O, wie kurzweilig der Bueb und ich manchmal des Morgens um fünf Uhr einander gegenüber saßen und gähnten, daß die Mundwinkel fast zerrissen, und wie ich dann dem Bueben sagte: »Dankeygisch, daß de mi nit gschlückt hesch,« und wie er mir antwortete: »Dankeygisch, daß d‘nit yche gschloffe bisch.« O, wie das lange ging, bis die Meister-Jungfere auf wollte und das Feuer in der Küche zu spretzeln anfing! Nein, das waren nicht kurzweilige Morgen und die erleideten mir mein Amt gar sehr, so wohl es mir sonst gewesen wäre.

      Dreizehntes Kapitel. Wie ich Schulmeister lerne auf die alte Mode

      Das ging mir im Kopf herum und einst an einem Sonntag nach der Predigt klagte ich mein Leid dem Schulmeister zu Hinterhäg, der damals für ein gar grausam Gschickte galt. Ich sagte ihm, wie ich gerne Schulmeister würde, aber wie da neue Moden aufkämen, von denen ich nichts wüßte, niemand wüßte, der mir sie zeigen könne, und zweifle, ob es mir möglich sei, sie zu begreifen. Da sagte er mir, ich komme ihm eben recht; es hätten ihn schon zwei gefraget, ob er sie nicht Schulmeister lehren wolle; er hätte Lust und Zeit dazu und wollte es so gut oder besser machen als die, welche Schulmeister-Schulen hätten, und sollten es seinethalben Pfarrer sein, die doch nie wüßten, was ein Schulmeister alles wissen müsse. Aber er sei nicht bekannt in Bern und die andern werden es ihm nicht gönnen und ihm z‘böst reden. Er hätte daher Lust, nur etwa mit vieren anzufangen und nicht zu sagen, daß er eine eigentliche Schule halten, sondern nur, daß er etwelche vorbereiten wolle, damit sie mit desto größerm Nutzen die Normalschulen besuchen könnten. Dafür möchte er aber die Erlaubnis vom Kirchenrat haben. Es sei ihm erstlich wegen der Gratifikation; denn wir würden ihn doch nicht gehörig bezahlen können, indem wir wahrscheinlich bösdings die Kost aufzubringen vermöchten. Zweitens zweifle er nicht, wenn er uns den Herren vorstellen könnte zum Examen, so müßten sie finden, er sei so geschickt als einer, und würden ihm dann anhalten, eine eigentliche Schule zu halten. Das gefiel mir; aber ich fragte ihn doch, ob er denn wirklich das Konstruieren und das Figural auch kennte? »Hab nit Chummer, Käser,« sagte er, »da förchte-n-s kene-n-im ganze Kanton, u we‘s c Professer war.« Das war mir nun angeholfen und ich mochte gar nicht erwarten, bis ich die Lehrzeit antreten konnte, um das Hexenwerk zu erlernen. Ich lief in der Woche wenigstens einmal ins Dorf hinunter, zu vernehmen, welche Antwort er erhalten und wie bald er die Lehr anfangen wolle.

      Endlich traf ich ihn, mit erschrecklich ertaubetem Gesicht und die Thüren schmetterend, daß man es im halben Dorfe hörte. Ich glaubte, seine Frau hätte ihn etwa ertäubet, und wollte wieder gehen. Allein er hielt mich auf und sagte mir: heute habe er eine lustige Antwort erhalten und nicht geglaubt, daß man eine sellige Regierig habe; sein Lebtag werde er nichts mehr auf ihr halten. Er habe durch jemand, der einen guten Freund im Kirchenrat habe, schreiben lassen an diesen Freund, um zu vernehmen, wie man sein schönes Anerbieten aufnehmen würde.

      Dieser sei nun soeben bei ihm gewesen und hatte ihm einen Brief abgelesen, in welchem gar wütend aufbegehrt worden über seinen Antrag. Was man sich doch auf dem Lande nicht alles einbilde, heiße es darin. Kaum habe man dem Lande die Wohlthat angedeihen lassen und Normalschulen erlaubt, welche der Regierung jährlich wenigstens 1000 bis 1500 L. kosteten — die Geschenke an die Zöglinge nicht einmal gerechnet — so sei man schon damit nicht zufrieden. Es scheine, diese Normalschulen, die doch drei Monate, manchmal auch fünf dauern und vollkommen hinlänglich seien zur Bildung eines Schulmeisters, wie ihn das wahre Wohl des Landes erfordere, wolle man zu Uniuersitäten machen und jetzt noch Gymnasien einrichten. Mit solchen Flausen solle man nicht mehr kommen, es mache nur böses Blut.

      Ein Mitglied, das freilich gar dumm aussehe, aber doch gar ein kluger und vorsichtiger Herr sei und das Land aus dem Fundament kenne, habe bündig dargethan, die einreißende Aufklärung sei der größte Schaden für das Land; sie verzehre allen Glauben, allen Gehorsam und allen Respekt. Den Eltern wollen die Kinder nicht mehr gehorchen und kein Landuogt sei mehr sicher, daß ihm nicht einer maule in der Audienzstube oder gar seinen Ausspruch an den Justizrat ziehe, der auch nicht immer wisse, was er mache. Die Regierung hätte schon zu viel gethan, und wenn er dabei gewesen wäre, so hätte er nicht einmal zu den Normalschulen gestimmt. Das Land sei lange glücklich gewesen ohne sie, und man werde sehen, wie sie die Schulmeister hochmütig und diese dann die Unterthanen übermütig machen würden. So ungefähr lautete der Brief und die Rede des dumm scheinenden, aber klug sein sollenden Herrn.

      Nun war ich wieder am Berge und wußte nicht, was anfangen. Da sagte mir der abgefertigte Schulmeister noch in seinem Zorn, ich hätte es gehört, er könne mir nichts helfen; er wolle mit der Sache nichts mehr zu thun haben. Seinethalben könne ich jetzt zu einem Normallehrer gehen und sehen, was ich da lerne. Was er mir im Ärger gesagt, schlug im Ernst bei mir ein. Etwas mußte geschehen, wenn ich Schulmeister werden wollte, und auf meinen Alten konnte ich mich nicht verlassen.

      O, das ist eine strenge Sache, wenn einer es gewohnt ist, daß andere für ihn denken, für ihn laufen, für ihn handeln, und die Not es nun an ihn bringt, daß er selbst denken, selbst laufen, selbst handeln muß! Schüchternheit und Trägheit liegen wie Blei in den Gliedern und eine große Menge bringt sich nicht vom Platze, weil sie verblüfft kein Bein zu machen weiß und niemand anders für sie sich auf die Beine macht. Von dem Beinemachen hängt doch heutzutag noch alles ab, fast wie ehedem. Sagt man doch von einem Menschen, der von Pöstlein СКАЧАТЬ