Leiden und Freuden eines Schulmeisters. Jeremias Gotthelf
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Читать онлайн книгу Leiden und Freuden eines Schulmeisters - Jeremias Gotthelf страница 26

СКАЧАТЬ rühmte mich und lud mich ein. Natürlich nahm ich alles für bar Geld und merkte nicht, daß mit dem Mitleiden auch die Hoffnung sich parte, mir bequemlich die Würmer aus der Nase ziehen und über Schulmeisters vernehmen zu können, was man wollte. Wer will es mir verübeln, wenn es mich bei allen Haaren hinzog zu den Leuten? Es war mir sicher nicht nur wegen dessen, was sie mir aufstellen mochten, sondern es war ein wahrer Hunger und Durst, mich ungestört rühmen und preisen zu hören nach allem dem Schelten, das ich ausstehen mußte. Es war vielleicht auch im Hintergrunde der Trieb, mich über Schulmeisters aussprechen, über sie klagen zu können, der mich nach Leuten hungrig sein ließ. O man klagt gar gerne über seine Nächsten; man klagt Fremden auf der Straße über sie, wenn man niemand Bekanntes findet. Und doch wird jeder böse, wenn er hört, daß ein anderer auch gethan, was er alle Tage thut, daß er über ihn geklagt habe. Diese Klagen zeigen uns, daß unser Herz sich fort und fort mit den kleinen Beleidigungen und Hintansetzungen beschäftigt, welche wir von andern erlitten zu haben wähnen. Darum wird es voll davon, unser kleines enges Herz, und darum läuft auch der Mund über.

      Diesen Einladungen zu entsprechen, ward mir aber gar schwer gemacht. Man hatte mir beständig etwas zu thun. Ich mußte haspeln und gewöhnlich ganz allein rüsten, indem der Alte nichts that, und Mutter samt Tochter spannen. Selbst des Sonntags wußte man mich anzubinden durch allerlei Stempeneien. Allein der Trieb war doch zu stark in mir und überwand die Unterthänigkeit und die Angst, ausgehunzt zu werden.

      Eines Abends, als ich die Geißen abgefüttert hatte, machte ich mich fort, dem Hause zu, wo man mich am meisten eingeladen hatte, wo der Knabe war, der anfangs nicht in die Schule wollte und jetzt nicht daheim zu behalten war. Gar freundlich wurde ich, aufgenommen und alsobald stellte man mir auf im Stübli, und rühmte mich nun, während ich aß, gar meisterlich. Ach, beides that mir so wohl! Als dieser Stoff zu versiegen begann, sprang man über auf den Lärm, den mir ds Schuelmeisters machen und erzählte mir, was sie alles über mich gesagt hätten; aber niemand glaube es ihnen. Die Frau sei bekannt als die ärgste Tätsche und alles hasse sie. Aber man habe sie zu fürchten; denn wem sie nicht wohl wolle, dem gnade Gott! Ja, das sei die Böseste unter der Sonne, fuhr man fort, und erzählte nun alles, was man von ihr gelitten und von ihr wußte. Ach, das machte mir wieder wohl und mir ging der Mund auch auf, und ich erzählte nun auch alles, was ich als Hausgenosse wahrgenommen, und wie es mir der Schulmeister in der Schule mache, und wie ich die Kinder ganz anders lehren wollte, wenn ich es machen könnte, wie ich wollte, und rühmte mich selbst nicht wenig. So verging uns der Abend gar kurzwylig, ich hatte all mein Leid vergessen. Aber wie erschrack ich, als es zehne schlug! Nun gedachte ich ans Ende des Liedes, an den Empfang daheim; es wollte mich fast schlotteren. Da drückten mir die guten Leute noch einen Fünfbätzler in die Hand für meine Mühe. Das ermutigte mich wieder, konnte ich doch meine Hemder waschen lassen. Überhaupt ist ein Mann, der fünf Batzen im Sack hat, schon ein ganz anderer Mann als der, der höchstens Brotbrosmen darin hat. Die fünf Batzen erhielten mich mannlich; auch ging es mir so übel nicht, als ich mir vorgestellt hatte vom väterlichen Hause her. Ich wurde weder mit allen Schimpfnamen belegt, noch gestoßen; war ich am Ende nicht ihr Bueb, sondern ein halber Schulmeister. Man brummte und stichelte freilich und besonders am Morgen, als mir die Erdäpfelsuppe nicht besonders rutschen wollte. Ich werde von gestern noch genug haben, meinte man, ds Ammes hätten immer Vorrat zum Aufwarten, aber desto weniger für die Diensten; die müßten schwarzen Hunger leiden. Es wäre besser, sie würden denen recht z‘fressen geben, die es verdienten, als fremden Strolchen, die sie nichts angingen. Aber das seien auch die falschesten Leute von der Welt; vorwärts könnten sie einem däsele und flattieren, wie wenn sie lauter Seide und Sammet wären, um dann hinterrücks desto wüster über einen zu thun. Das seien eben die, welche am meisten über mich balgeten, und erst vorgestern habe die Frau gesagt, es sei eine Schande für das ganze Dorf, daß sie einen Schulmeister hätten, dem der Hemdeschild zu den Hosen heraus guckte. Das stach mich verzweifelt in die Nase, daß man mir den Ruhm, den ich, wie sie sich wohl denken konnten, erhalten hatte, so zu Wasser machen wollte. Ich wollte zeigen, daß man mich nicht so leicht überreden könne und daß ich es gut wisse, wie die Leute es eigentlich meinten. Ich beging daher die Unbesonnenheit und zog meine fünf Batzen, die ich ohnehin den ganzen Morgen im Hosensack getätschelt hatte, hervor und sagte, he, d‘Ammene mög das gseit ha oder nit, so syg‘s geng brav vo-n-ere, daß sie mir das gä hei für se z‘plätze. Potz Wetter! was gab das für sechs Augen um die Erdäpfelsuppe herum, wie funkelten sie so graulich, grün und gelb! Das ging ihnen ins Lebige hinein.

      Was sie mir sagten, will ich nicht wiederholen; allein von da an war nichts schlechtes auf der Erde, welches die Schulmeisterin nicht ds Ammes nachgeredet hätte, und am Ende setzte sie allemal hinzu, ich werde es wohl ga chläfele, aber das sei ihr gleich, es sei doch wahr und sie wollte es ihnen ins Gesicht hinein sagen, wenn sie da wären.

      Von da an behagte mir das Abendsitzen gar sehr und trug mir manchmal etwas ein. Wie die Alte es machte, daß sie allemal vernahm, wo ich gewesen, weiß ich nicht; aber allemal nahm sie dann die aufs Korn und zerfetzte sie mit der Zunge durch und durch, mit der Ermahnung, daß ich es doch wieder sagen solle. Was doch so eine Frau für einen Kopf haben muß, so alles Lästerliche und Böse, das in zwei, drei Gemeinden sich zugetragen hat, im Kopf behalten und bei jeder Gelegenheit an den Fingern herzählen zu können, ohne daß ein Tüpflein daran fehlt! Was doch so eine Frau für einen Kopf haben muß, daß sie imstande ist, zu dem, was sie weiß und was geschehen ist, noch zehnmal so viel zu ersinnen und aus jeder gesehenen Mucke einen Elefanten zu machen, und das alles so in einander zu kneten, daß keine Seele unterscheiden kann, was wahr, was falsch ist, und sie selbst am allerwenigsten! Ja, das müssen Köpfe sein! Und kurios ist‘s, daß gar viele Mädchen, denen man in der Schule keine besonderen Gaben anmerkte, als Weiber solche Köpfe kriegen.

      Von den erhaltenen Ermahnungen, das Gehörte wieder zu sagen, machte ich nicht selten Gebrauch. Es geschah nicht aus Bosheit; aber wenn mir die Leute sagten, wie die Schulmeisterin mich allenthalben verbrülle, so gehörte wahrlich mehr Verstand dazu, als ich besaß, zu schweigen und nicht zu sagen: »Sie macht es mir nur so, wie Euch; das und das hat sie gerade heute über Euch gesagt.« So gescheut war ich nicht, sondern ich platzte dann los und die Leute konnten dann von mir vernehmen nicht nur alles, was sie selbst betraf, sondern auch was über die anderen gesagt wurde, überhaupt unsere sämtlichen Tischgespräche.

      Ich wurde, ohne daß ich es selbst wußte, eine förmliche Dorfbase, eine harmlose freilich, aber doch eine schädliche. Klappereien ohne Zahl entstunden und giftige Streitigkeiten. Was ich in einem Hause erzählte, wurde in ein anderes getragen, verkehrt, und so von Haus zu Haus und immer verkehrter, und die Worte bald diesem, bald jenem in den Mund gelegt, je nachdem es dem Erzähler komod war. Es verging kein Tag, daß die Schulmeisterin nicht Streit hatte, aber andere Weiber ebenfalls, und die Männer wurden ganz stumm von den Klagen ihrer Weiber, was sie alles leiden müßten, und von den Vorwürfen, die sie hören mußten; wenn neuis mit-ne wär, so wurde si das nit so anäh. Aber auch ich kriegte meine Strafe.

      Nicht nur wurde ich zu Hause täglich ausgeschimpft, und sogar in der Schule selbst vor den Kindern mußte ich von Verläumdern und Streitmachern hören, sondern auch in vielen Häusern wurde ich unwert, und die Männer brummten oft, wenn die Weiber mich in Zug brachten, sie hätten des Damps bald genug und wollten lieber etwas anders hören. Am Ende mußte ich gar noch zum Pfarrer, dem der Schulmeister mich verklagt hatte. Der las mir nun ein Kapitel, daß mir fast gschmuecht wurde, ohne weiter nach meiner Verteidigung zu fragen. Das hätte freilich nicht viel genützt; denn ich war kein Redner im ordinäri Zustand, geschweige dann, wenn ich vor jemand zitterte. Und was hätte ich eigentlich sagen sollen, als des Schulmeisters auch verklagen und daß ich es nicht böse gemeint. Endlich schlich der Winter vorüber. Am Examen wurde mir noch ein tüchtiger Zuspruch zu teil, und nachdem ich meine zehn Kronen mit Mühe erhalten und von der Schulmeisterin wieder ein paar kräftige Segensworte auf den Weg, schüttelte ich den Staub von den Füßen und verließ den Ort, wo ich vieles erlebt, aber nichts erfahren hatte. Denn um Erfahrungen zu machen, bedarf es der Weisheit, und von der hatte ich noch keinen Anfang.

      Zwölftes Kapitel. Wie ich nach Brot und endlich auf die Stör gehe

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