Leiden und Freuden eines Schulmeisters. Jeremias Gotthelf
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Читать онлайн книгу Leiden und Freuden eines Schulmeisters - Jeremias Gotthelf страница 27

СКАЧАТЬ doch, daß die Leute nicht nötlicher thaten, daß ich fortgehe, daß sie mir nicht dringender anhielten, wiederzukommen im Herbst, ja, daß mir kein Bauer das Anerbieten machte, mich bei ihm zu behalten, bis die Schule wieder angehe. Es hätte mich gar sehr gefreut, den Spröden und Wichtigen spielen zu können. Ich fand, daß die Welt eine gar undankbare sei und besonders die Bauren in diesem Dorfe. So viel glaubte ich an ihnen gethan zu haben, und so kalt ließen sie mich ziehen. Aber, dachte ich mir zum Troste, sie werden es noch erfahren, wen sie an dir gehabt haben; so einen, wie du, bekommen sie keinen mehr; dann werden sie die Finger schlecken nach dir bis an den Ellbogen; aber dann können sie dir blasen oder pfeifen, was sie lieber wollen. Es nahm mich nur wunder nach allem dem Ruhme, den ich erhalten hatte, wie sie es werden machen können ohne mich, und wie es auch gehen werde, wenn ich fort sei. So parlierte ich bei mir selbsten, als ich mein Bündelchen zum Dorfe hinaus trug. Es war nicht größer geworden und die Hemder noch böser, als sie gewesen; aber doch waren sie gewaschen und ein Halstuch und ein Paar Schuhe hatte ich mir angeschafft aus den Trinkgeldern. Ein alter Bauer, dem ich außer dem Dorfe begegnete, meinte, nachdem er mich von oben bis unten scharf angesehen und wahrscheinlich die Neuigkeiten an mir bemerkt hatte, es werde mir doch leid thun, von ihnen weg zu kommen, denn ich hätte mich bei ihnen schon viel brycheret. Es ist wahrhaft lächerlich, wie sie fast allemal, wenn ein Beamteter oder sonst ein bei ihnen Angesessener fortzieht, alle Stücklein zählen, die er mit fort nimmt, sich dann brüsten und sagen: »Dä het ume das und das gha, wo-n-er cho isch, i bsinn mi guet dra, u jetz het er sövel und sövel. Dä het si afe brycheret by-n-is!« Den Alten ließ ich fortziehen, ohne ihm viel zu antworten. Aber ärgern that es mich verdammt, daß er meinte, wie viel ich ihnen zu verdanken hätte.

      Ich trabte meinen Weg fort und vergaß meinen doppelten Ärger über dem Geklimper der zehn Kronen im Hosensack. So viel Geld beisammen hatte ich wohl schon von weitem gesehen, aber noch nie ganz nahe, geschweige denn im Hosensack gehabt. So viel im Sack, so wenig im Bündel am Rücken, so Schlechtes am Leibe: man denke, was einer da denkt, Eine ganz neue Bchleidig schwebte mir gar lockend vor Augen; nur wußte ich noch nicht recht, ob von Rübelituch, von Halblein oder von Guttuch; es gefiel mir alles wohl, besonders das Rübelituch, und besonders, wenn man dann noch ein rotes Gilet dazu hat; das sah ich an manchem Metzger und an andern berühmten Leuten. Aber Guttuch war für einen Schulmeister doch anständiger und Halblein das beste und komodeste; es süferet sich immer von selbst. Doch das ließ ich für einstweilen in hangenden Rechten und nahm mir den Kauf von einem Dutzend Hemder vor und von zwei Paar Strümpfen, leinene oder wenigstens halbleinene. Ohne Strümpfe auch am Sonntag zu sein, schien mir nicht mehr anständig für mich, und ich fürchtete, die wollenen, die ich den ganzen Winter durch ununterbrochen getragen hatte, möchten im Sommer mich anfangen zu beißen. O, wie freute ich mich über diese Herrlichkeiten alle und über die Möglichkeit, künftig die Hemder immer den rechten Weg tragen zu können. Ich war ein Weberbueb und ein Schulmeister; aber meine zehn Kronen mit meinen Projekten vergleichen und überschlagen, was ein jedes koste und wie viel alles zusammen — das vermochte ich nicht. Ich wußte nicht, was die Elle irgend eines Tuches koste, so viele ich auch gewoben hatte, und wußte noch viel weniger, wie viel Ellen irgend ein Stück brauche. Das wird mancher Landesvater, der alles kennt, nur das Land nicht, in dem er wohnt, nicht glauben, daß dieses möglich gewesen sei.

      So wanderte ich sinnend und wohlgemut wieder dem alten Schulmeister zu, damit er mir zu etwas verhelfe oder rate, was ich vorzunehmen hätte. Ich selbst hatte gar nicht darüber nachgedacht, sondern es als ausgemacht betrachtet, daß ich mich nicht darum zu bekümmern habe, sondern daß das des Alten Sache sei.

      Dieser saß gerade auf seinem Zügstuhl im Schopf und plätzete einen alten Züber, als ich zu ihm kam. Er freute sich, mich zu sehen, fragte allerlei und endlich auch, ich werde abgenommen haben dert äne und wieder zu meinen Alten wollen, daß ich die Kleider bei mir habe. Wie aber der Alte erschrak, als er hörte, daß ich daran nur nicht von ferne gedacht und um kein Geld in der Welt mehr zu ihnen dürfe, nachdem sie mich auf diese Weise bhüetet hätten, sondern daß ich akurat zu ihm käme, damit er mir an einem andern Ort z‘weg helfe, und unterdessen bei ihm zu bleiben! Daraus könne per forscht nichts werden, sagte er. Er hätte sich schon manchmal vorgenommen, sich um niemand zu bekümmern, als um ihn selber; man habe immer Verdruß davon, wenn man einem helfen wolle. Gerade von mir hätte er ds Tüfels Verdruß gehabt. Meine Alten hätten es natürlich bemerkt, daß wir etwas mit einander hätten, da ich so dumm gethan, daß er habe in den Webkeller kommen müssen. Auf weitere Nachfragen hätten sie vernommen, daß er mit mir fort gewesen sei und wahrscheinlich den Platz gesucht hätte. Nun sei meine Mutter zu ihm gekommen und hätte gethan wie ein Untier, ihm alle Schande gesagt, Seelenverkäufer, Kinderschelm, kurz alles, was sich erdenken läßt und zuletzt sich ds Tüfels verflucht, sie wollen es ihm reisen; sie schickten ihm ihren Buben keine Stunde mehr in die Schule; er müß erfahren, was er gemacht habe. Und in der That sei er den ganzen Winter nicht mehr gekommen, worüber er aber froh sei; denn er sei der Ungereimtest in der ganzen Gemeinde. Das habe er ausgestanden meinethalb und genug daran. Es wüßte kein Mensch, wie es ihm ginge, wenn er mich bei sich hätte. Ich bat ihn dr tusig Gottswille, mich nicht zu verstoßen; zu den Alten gehe ich um kein Geld der Welt. Nachdem sie mich halb tot geschlagen, müßte ich mein Geldlein dargeben und hätte dann hinten und vornen gleich viel. Ich ließ nicht nach mit Bitten und Betteln, bis er mir eine Nacht zugestund, und unterdessen könnten wir Kriegsrat halten. Er mußte gar lachen über die Schulmeisterin und drohte seiner Alten, wie er sie übers Knie nehmen wollte, wenn sie es ihm so machte. Der gute Alte merkte nicht, daß auch er gepantoffelt wurde, nur auf andere Weise. Wir wurden rätig, ich solle den Sommer über um Arbeit aus; Schule sei doch nirgend. Bis im Herbst zeige sich dann schon etwas, meinte der Alte; söttig Vögel, wie ich, seien rar und die fänden immer ein Kräzli.

      Ach, es behagte mir die Arbeit nicht recht und der Sommer schlich gar unglaublich langsam vorbei. Wann ich entrinnen konnte, so lief ich zu meinem geistigen, selbstgewählten Vogt, um zu erfahren, ob er noch nichts aufgetrieben habe, und wo ich ein Wochenblatt erhaschen konnte, da studierte ich gar eifrig die Ausschreibungen, und wo ich einen alten Schulmeister wußte, da fragte ich gar emsig nach, ob er nicht etwa kränkle und ob man glaube, er werde es noch lange machen. O, was hatte ich endlich für eine Freude, als ich in einem versalbeten Wochenblatt in einem Wirtshause eine Schule ausgeschrieben fand, die meine Wünsche mehr als übertraf! Ich konnte die Beine nicht mehr stille halten, bis ich dem Alten mein Glück verkündet. Ich dachte gar nicht von weitem daran, daß sie mir fehlen könne. Ganz atemlos langte ich bei demselben an und rief schon vor der Thür: »I ha eini, i ha eini!« »Was hesch, du Sturm?« sagte der Schulmeister, indem er schnell eine Flasche in die Ecke des Schaftes stellte und sich den Mund wischte. »E Schuel ha-n-i, e Schuel!« »Wo hesch se de?« »Da i der Täsche han se!« »Das mueß e chlini sy, we sie dert Plazg het«, meinte er trocken, nahm die Brille und setzte sie schrittlings über die braun und rote Nase, nahm das Wochenblatt und hielt es mit langausgestreckten Armen so weit weg vom Leibe als er konnte. Er las lange, nahm dann die Brille, wischte sie ab, las wieder, sagte endlich, darauf könne er sich gar nicht verstehen; ob denn der schon wieder gestorben sei, das sei doch so-n-e tolle Mann gewesen. Wie er das Wochenblatt so herumtrüllete in den Fingern, um es wieder zusammenzulegen, fiel ihm die Jahrzahl in die Brille und die sagte ihm, daß dasselbe ein zweijähriges sei. Da schlug er eine tüchtige Lache auf, daß es ihn und die ganze Stube erschüttelte. Lange konnte er mir auf meine verblüffte Frage nicht Antwort geben, und erst nach langem vernahm ich ganz kaput, daß ich ein dolders Lappi sei und ein junger Löhl. Aber so halten es die Jungen alle; wenn sie schon geschickt seien, so seien sie doch gewöhnlich dümmer als dHopeni, und wenn die Alten nicht wären, so wüßte niemand, wie es ging.

      Doch nun ging es nicht lange mehr, bis ich Bescheid erhielt, mich eines Morgens früh bei ihm einzufinden — gsuntiget. Da der Bericht nicht mehr enthielt, so mochte ich den Tag kaum erwarten, um das weitere zu vernehmen. Ich putzte die halbe Nacht meinen Leib und lange vor der bestimmten Zeit klopfte ich das noch träumende Ehepaar auf. Es sollte an ein Examen und auf eine Schule losgehen. Es sei zwar nicht die beste, erzählte mir der Alte, allein für einen Jungen, der keine Frau habe, lange gut genug. So einer brauche nicht viel, werde viel eingeladen, um ihm das Kochen zu ersparen, und er erhalte sonst noch viel, so bald er nur nicht sich einfallen lasse, СКАЧАТЬ