Название: Leiden und Freuden eines Schulmeisters
Автор: Jeremias Gotthelf
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Wenn jemand mit klugem Kopf und warmem Herzen uns zugesehen hätte, so hätte sein Mund sich halbtot gelacht, während sein Herz geblutet in bitterem Schmerz; und aus seinen Augen wäre es stromsweise geflossen, aus dem einen Auge die Thränen des Lachens, aus dem andern die des Schmerzens, beide Thränenarten aber einander so ähnlich eben wie ein Tropf Wasser dem andern, beide wässericht, salzicht und bald verdunstet.
Was war wohl lächerlicher als das Wichtigthun unseres Lehrers und unser Wichtigthun, unser Gifer und unser Brüsten mit leeren Nüssen und weggeworfenen Schalen? Was lächerlicher, als wenn zwanzig Männer mit der höchsten Anstrengung einen Satz konstruieren stundenlang und nicht die halben Worte darin begreifen, und mit dem höchsten Ernst vor sich hinsagen: Nennfall, Besitzfall ec. Wer? wessen? ec., bis sie in der gehörigen Reihenfolge es sich eingeprägt, so aber, daß sie in der Anwendung nie zurecht kommen können? Und bei allem dem doch das Glück auf allen Gesichtern und ein bedeutendes Selbstgefühl in allen Gebärden! War es nicht fast, wie wenn junge Affen mit gestohlenen Glasperlen oder einer alten Matrosenjacke auf einem grünen Aste wichtig und possierlich thun und sich lieber das Leben nehmen lassen als die Jacke mit ihren Löchern, die sie dazu noch verkehrt angezogen? Das waren aber Männer, mit denen man Spaß trieb wie mit jungen Affen, welche die Jugend des Staates, Christenkinder, unterrichten, erziehen sollten. Es waren Männer, welchen ehedem der Religionsunterricht fast allein anvertraut war und die jetzt noch das Fundament zu legen haben; Männer, von denen die Bildung der Vorgesetzten abhing und das Wecken aller Klassen zum Denken und ihre Befähigung zum Gewerb. Es waren Männer, die einem der ehrwürdigsten und einflußreichsten Stände im Staatsverband angehörten, mit denen man auf diese Weise bewußt und unbewußt das Narrenwerk trieb. War das nun nicht zum Weinen? War es nicht zum Weinen, daß so viel Eifer, so viel Hingebung und sicher auch so manches schöne Talent auf so läppische Art und an so läppischen Dingen vergeudet, verzehrt wurde?
Auf diese Weise wurden Schullehrer gebildet. Ich will nicht sagen alle. Es mag Normalschulen gegeben haben, in denen auf geistreichere Weise hantiert wurde, obgleich in den Examen, welche ich mit Schülern derselben hier oder dort machte, fast kein Unterschied zu merken war. Sicher ist auch mancher Normallehrer gewesen, der wußte, was Palästina sei; aber ob er es auch erklärt, ob er es nicht als bereits bekannt vorausgesetzt hat, das ist eine andere Frage. Mancher dieser Lehrer hat sich sicher aus aufrichtigem Herzen die größte Mühe gegeben; aber hatte er denn auch wirklich den wahren Beruf zu diesem Unternehmen, die Kenntnisse und den pädagogischen Sinn und Takt? Auf alle Fälle verriet er darin nicht die gehörige Einsicht, daß er glaubte, in einigen Monaten einen Schulmeister bilden zu können. Braucht doch die allmächtige Natur neun Monate zur Bildung eines Kindes und ein mittelmäßig guter Schneidermeister drei Jahre zur Bildung eines mittelmäßig guten Schneidergesellen; und ein Kind und ein Schneidergeselle, und wenn es auch ein Altgeselle wäre, sind doch noch lange keine Schulmeister. Aber daraus sieht man, wie hoch der Lehrerstand bei Hoch und Niedrig galt, und wie groß der Schulverstand allenthalben war. So ging es damals mit der Bildung des Lehrerstandes zu. Wahrlich, die menschliche Natur muß noch viel Gutes an sich haben, daß sie durch die Sorglosigkeit und den Unverstand der Menschen nicht in Grund und Boden, hinein verteufelt ist! Das kömmt uns aber wohl. Denn wenn wir jetzt schon freilich bessere Schulmeister-Bildung und bessere Schulmeister haben, so sind andere da, die den Souverän, das Volk, verhunzen aus Leibeskräften mit unzeitiger Nachsicht und unzeitigen Schmeicheleien und bösen liederlichen Beispielen; — gerade wie schlechte Kammerdiener bei vornehmen Prinzen es machen, um ihnen lieb zu werden, viel bei ihnen zu gelten und ihnen die Augen zuzudrücken für schlechte Streiche oder behagliches Nichtsthun.
Vierzehntes Kapitel. Alleluja! Endlich!
Unser Examen lief glücklich ab für mich; nur die wurden zurückgestellt, welche nicht lesen konnten. Ich erhielt einen schönen Brief, ein sogenanntes Schulmeisterpatent.
Wie glücklich und stolz ich es in der Busentasche trug, wie manchmal des Tages es betrachtete! Ich mochte gar nicht warten, bis ich meinem alten Lehrmeister gezeigt, wie geschickt ich nun geworden und wie ich jetzt alles könnte, was nur vorkäme. Er hatte Freude an mir und auch an meinem Patent; doch sagte er, allbets hätte man kein solches Papier nötig gehabt; es wäre nur darauf angekommen, daß der Mann gut sei, und das wüßten die Bauren selber viel besser als so ein Herr, der nur in der Stube hocke und alle Fleugen kenne darin, aber keinen Menschen außer derselben; der wisse, wie lange Ohren die Lappländer hatten, aber nichts von einer Bauren-Natur. Die würden deswegen auch am meisten zum Narren gehalten, besonders wenn sie Brillen an hatten und deswegen die Nase gar hoch trügen. Während sie den Bauren übersehen, durchsehe derselbe sie ganz und gar und schlage ihnen den Haken, so oft er wolle. Als ich ihm nun aber auskramen wollte mein neues Wissen von den Redefällen und den verschiedenen Zeiten, und den wer, wessen, wem, wen, von wem — da wurde er bitterböse und sagte: seligs neus Zeug trage gar nichts ab als daß man die Religion vergesse und hochmütig werde. Wenn die Herren Verstand hätten, so würden sie es verbieten statt einführen; aber seitdem die Franzosen ins Land gekommen, sei alles verherrget, und die Berner Herren wüßten gar nicht mehr, woran sie seien und was sie seien, ob dütsch oder weltsch. Ich hatte Zeit, einzulenken, meine neue Gelehrsamkeit in Sack zu stoßen und ihm vom Rechnen, Schreiben und Katechisieren zu brichten. Daß ich die Brüche könnte und die Heustöcke auf zwei Wege rechnen — auch die Neuner-Probe — das flößte ihm doch eine Art Respekt ein und er meinte: wenn ich das Larifari fahren lasse, so könnte ich noch von den besten einen geben.
Man kann denken, mit welcher Begierde ich auf ausgeschriebene Schulen wartete, und mit welchem Ärger ich wieder in meinen Webkeller zurückging, wo ich noch an der Kost abzuverdienen hatte, wenn ich keine fand, außer vielleicht eine aus dem Oberlande, für welche ohne Wohnung Summa Summarum 20 L. versprochen war.
Endlich kamen ledige Schulen; ich machte Examen, allein ich war nicht glücklich, und doch war ich überzeugt, daß ich der Geschickteste gewesen, daß mir die Schule gehört hatte. Freilich gestund ich, daß die Glücklichen in einigen Fächern es besser gemacht; allein im ganzen, meinte ich, hätte doch keiner so durchgeschlagen wie ich. Endlich brachte ich es zum zweiten im Vorschlag. Das war etwas; aber ich war doch ärgerlich, besonders da ich ein Patent hatte und jener keins. Im Wirtshause trank ich auf der Gemeinde Kosten ein Glas geschwefelten Wein zu viel und traf im Heimgehen auf den Schulkommissär, der den gleichen Weg pfoselte. In meinem geschwefelten Mute beschwerte ich mich über meine Zurücksetzung und fragte recht preußisch, was denn Meiner Gnädigen Herren Gschrift nütze, wenn man nicht darauf achte. Der Schulkommissär, ein runder guter Mann (es ist, beiläufig gesagt, merkwürdig, daß die Runden gewöhnlich freiner sind als die Langen), sagte mir, er wolle es mir erklären, wenn ich es nicht übel nehmen wolle. Allerdings sei ich der beste gewesen im Examen; aber die Bauren, auf die man auch hören müsse, hätten mich nicht gewollt. Sie hätten gesagt, ich sei ein gar hochmütiger. Gestern, als ich durch ihr Dorf gegangen, hätte ich niemand bei den Häusern gegrüßt und wenn mir jemand die Zeit gewünscht, nur ganz puckt gedankt, und wenn sie gesagt: »Guten Abend geb ech Gott!« nur gesagt: »Große Dank« statt: »Große Dank geb ech Gott«, und bei niemand mich gestellt. Dann sei ich ihnen viel zu herrschelig und hätte eine schwarze Kutte an. Die stände dem Pfarrer wohl an; aber sie begehrten keinen Schulmeister, der hoffährtiger und vornehmer daher komme als sie selbst. »Mein Gott!« sagte ich, »das sind doch dumme Bauren, daß sie nicht gesehen haben, daß ich mich scheute, durch das Dorf zu gehen und fast nicht neben aus zu sehen wagte aus Schüchternheit. Ich hätte gerne mit einem geredet, aber es wollte mich keiner anreden. Die Kutte kaufte ich in Bern bei einem Stand; sie gefiel mir gar wohl, war halb so wohlfeil als eine halbleinerne und ich dachte, es Sei für einen Schulmeister doch anständig, wenn er auch etwas geistlich daher komme und nicht nur so weltlich.« Der Schulkommissär antwortete mir: Schüchternheit und Hochmut könnten noch gescheutere Leute, als jene Bauren seien, nicht unterscheiden. СКАЧАТЬ