Название: Leiden und Freuden eines Schulmeisters
Автор: Jeremias Gotthelf
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Mit einem langen, langen Stecken, den er einen halben Schuh unter dem obern Ende gefaßt hielt und ihn hoch aufhob und weithin setzte, marschierte der Alte immer einen oder zwei Schritte voran, stattlich und stolz. Er war fast wie eine thorrechte Mutter, die einer aufgeputzten Tochter voranbeinelet einem Märit oder einer Kilbi zu, und deren Augen jeden fragen, ob ihr Meitschi nicht das tollste sei weit und breit, und deren Herz in feuriger Erwartung schlägt über den Schryß, den das Meitschi haben werde, und in neugieriger Angst, welcher Baurensohn sich am Ende das Glück erprügeln werde, mit ihm heimzugehen. Er wolle ihnen heute zeigen, sagte er, daß er nicht der Leidischt sei, wenn ihn schon da die Neuen und Jungen so verachteten. Wenn ich schon keine apartige Schule besucht hätte, wie man sie, seit die Franzosen gekommen seien, eingeführt und in welchen man nichts lerne als Hochmut und Weltliches, so wolle er doch wetten, ich thue sie alle durch, und das hätte ich ihm alleine zu verdanken und nicht so einer solchen Nomadenschule oder wie man die Dinger heiße. Und wenn ich etwas nicht recht wisse, so solle ich nur ihn ansehen; er wolle mir winken, oder, wenn er könne, sich hinter mich setzen, da könne er es mir einflismen. Überhaupt solle ich gar nicht Angst haben und mich auf ihn verlassen. Der Pfarrer sei sein bester Freund; sie seien wie zwei Finger an einer Hand; er sei einmal neben ihm gestanden, als derselbe Tabak gekauft habe in der kleinen Apotheke. Auch der Schulkommissär kenne ihn besonders; derselbe hätte zu Langenthal beim Kreuz einmal abspannen lassen, während er just vor dem Hause gestanden und habe ihm gar freundlich einen guten Abend gewünscht. Es sei zwar erst Morgen gewesen, aber so ein Herr wisse selten, welche Zeit es sei. Wenn er ihnen etwas sage, so sei es so gut, als wäre es gedruckt. Die kennten ihre Leute und wüßten, wem sie glauben sollten. Das Examen sei nur eine neue, dumme Mode; es komme doch am meisten auf die Empfelig an und daß man den Herren gefalle. Im Gehen unterwies er mich ferner in der Manier, wie man gefallen müsse und machte mir die Bücklinge vor. Unglücklicherweise stund ich das erste Mal gerade hinter ihm und erhielt den gewaltig beschlagenen Schuhabsatz, der hintenausschlug, so weit das Bein reichen mochte, tüchtig an das Schienbein. Da machte ich mich ein paar Schritte vor, um die Lektionen ungeschlagen von der Seite ansehen zu können.
Auch die Titulaturen sagte er mir vor und ließ sie mich wiederholen, bis sie mir geläufig waren. Es ist mir noch als ob es gestern gewesen wäre, wie schwer es mir ward, Wohlehrwürdiger Herr Schulkommissär zu sagen, und wie der Alte lachte, als ich immer wieder sagte: Wohlehrwürdiger Herr Schulmilitär! Der Name Kommissar war mir bis dahin ein ganz fremder und so was Unbekanntes spricht eine Baurenzunge nur mit Widerstreben aus, wahrscheinlich aus Instinkt, weil sie fühlt, daß ihr das Fremde nicht heilsam sei.
Unter solchem Unterrichte kamen wir ungsinnet an Ort und Stelle. Etwas spät waren wir; darum trafen wir die Herren nicht mehr im Pfarrhause an. In der Schulstube befanden sich dieselben nebst mehreren Bewerbern. Mir ward beklommen zu Mute, nicht so meinem Begleiter. Der schritt an seinem langen Stocke vorwärts, begrüßte mit Bücklingen und Titulaturen gar schön die Herren und reichte ihnen die Hand, wie alten Bekannten. Dann winkte er auch mir vorwärts und mit gewichtiger Gönnermiene sagte er: da heig er ‚ne eine, a dem werde si Freud ha; er heig ne so gschickt gmacht, fast wie-n-er selber syg. Und mir winkte er zu, daß ich mich auch bücken und grüßen solle und dringender und immer dringender. Aber wohl brachte ich es endlich zu Bücklingen, doch nicht zu den Titulaturen; ich wußte durchaus nicht mehr, sollte ich Wohlehrwürdiger Herr Schulmilitär, oder Herr Schulkommissär sagen.
Nach den üblichen Einschreibungen der sieben Bewerber begann das Examen. Lesen that ich gar laut und schön; die Vokale und Endsilben besonders sprach ich aus ungefähr wie wenn eine ganze Note darüber gewesen wäre. Es gefiel ihnen auch ganz besonders wohl; es lächerete sie die ganze Zeit. Das Katechisieren aus dem Fragenbuch ging recht gut. Nun wurde die Kinderbibel genommen und jeder sollte eine Geschichte erklären. Der Alte hatte mir gesagt, ich solle machen, daß ich der Öberst zu sitzen komme, das sei immer eine gute Vorbedeutung; fast immer erhalte derselbe die Schule und die Herren luegten auch darauf. Ich hatte es erzwängt und mußte es büßen. Ich war also der erste und sollte die vierzigste Geschichte im Alten Testament erklären. Ich begann mit der Frage: »Wer sind Adam und Eva gewesen?« Mein Schulmeister hatte mich gelehrt, die seien bei allen Dingen das Hauptfundament und wenn man da anfange, so komme man am weitesten und am besten fort. Aber der Schulkommissär fiel mir bald in die Rede, was ich, beiläufig gesagt, sehr unanständig finde; denn an einem Examen soll es ja einer eben machen, wie er kann. Er fiel mir also in die Rede und sagte, ich solle bei der Sache bleiben. Wenn wir allemal bei Adam und Eva anfangen wollen (ich hatte beim Katechisieren auch da angefangen), so müßten wir den lieben Gott um einen Josua bitten, der die Sonne stille stehen heiße. Da über den sein sollenden Witz alle lachten und mir so der Faden abgeschnitten war, so saß ich verblüfft da und wußte gar nichts mehr zu sagen. Nun, sagte der Schulkommissär, konstruiere doch, das ist bei der Erklärung immer die Hauptsache, und wenn man einen Satz recht konstruiert hat, so hat man ihn auch begriffen. Da faß ich und sah mit offenem Munde den Schulkommissär an wie ein Schaf; denn ich wußte gar nicht, was konstruieren sei. Das Wort hatte ich noch nie gehört. »Na, so konstruier doch und lueg i‘s Buech, a mi‘r Nase sind keine Buchstaben«, erhielt ich die ungeduldige Mahnung. Da fiel mir ein, konstruieren werde welsch sein, und die Herren, wo recht herrschelig reden wollten, werden dem Buchstabieren konstruieren sagen, und munter fing ich zu buchstabieren an. »Versteift de nit dütsch?« »Wohl, wohlehrwürdiger Herr Schulkumpan!« »Nu de, so konstruier!« Ich buchstabierte. »I ha gfragt, ob dütsch verstandisch?« »Ja, wohlehrwürdiger Herr Schulmilitär, aber nit welsch!« sagte ich mit weinerlicher Stimme. Da tönte rings um mich ein schallend Lachen auf meine Kosten und alle betrachteten mich fortwährend als den Narren des Tages. Nun hatte ich eine verspielte Sache und alles verband sich, mich lächerlich zu machen.
Beim Aufsatz wußte ich gar nicht, was anfangen; denn mein Lebtag hatte mir niemand gesagt, daß man das Schreiben zum Aufsetzen brauche und daß das die Sache eines Schulmeisters sei; daß einer Worte aus dem Kopfe aufsetzen sollte, war mir noch in keiner Schule vorgekommen, geschweige daß es mir zugemutet worden. Ich blickte daher rechts, ich blickte links; aber der Linke blickte auch links und blickte rechts und der Rechte that ebenso, und leer blieben die Tafeln links und rechts. Ein einziger war, der geschickter sein wollte als die anderen; allein keiner hielt ihm viel darauf. Glücklicherweise gingen nun die Herren weg und aßen zu Mittag und wir sollten unterdessen arbeiten. Sie glaubten wahrscheinlich, mit leerem Magen würden wir emsiger in der Arbeit sein und derselbe in umgekehrtem Verhältnis zum Kopfe stehen. Die Thoren! Ein Schulmeister ist denn doch kein Jagdhund, der am hungrigsten am besten jagt, sondern sein Kopf steht bis auf einen gewissen Punkt in akurat geradem Verhältnis zu dem Magen.
Sobald die Herren fort waren, traten die Zuschauer vor und halfen ein, so gut sie konnten, brummten dazwischen aber gar mächtig, daß man einem Schulmeister so etwas zumute — das sei doch allbets nicht so gewesen. Als einige Zeilen fertig waren, kamen die Herren СКАЧАТЬ