Leiden und Freuden eines Schulmeisters. Jeremias Gotthelf
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Читать онлайн книгу Leiden und Freuden eines Schulmeisters - Jeremias Gotthelf страница 35

СКАЧАТЬ sei ein gar holdes Wort und eine viel wichtigere Tugend, als man es gewöhnlich glaube, und auch in dieser voranzugehen, sei des Schulmeisters Pflicht. Die Kutte mache eben die Geistlichkeit nicht aus und in einer geistlichen Kutte könne ein gar weltlicher Sinn stecken. Daß ein Pfarrer eine solche tragen müsse, fordere ein altes Vorurteil; es wäre auch besser anders. Den Schulmeister aber wollten die Bauren in ähnlicher Kutte haben, wie sie tragen, damit sie die Überzeugung gewinnen könnten, daß auch in solchen Kutten ein echt geistlicher Sinn wohnen könne. Ich wollte wieder das Maul aufthun, um zu räsonieren; da stund der Herr stille, gab mir die Hand und sagte: »Bhüet ech Gott, Käser, i mueß da ab; dr bigryffet mi no nit, aber beulet über myni Wort nah, su werdet ‚r finde, baß i recht ha; oder fahret so surt, so werdet ‚r us Schade klueg werde. Machet jetzt was dr weit. Bhüet ech Gott!«

      Er pfoselte links, ich rechts. Aber in meinem Herzen pülverte ich gewaltig über den ratenden Schulkommissär. Ich behauptete, das hätten die Bauren nicht gesagt, nicht gedacht, sondern der Herr habe das selbst ersonnen. Der möge viel von Hochmut sprechen, während er nicht leiden möge, daß ein Schulmeister eine Kutte von gleicher Farbe trage; denn nur das habe ihn und nur ihn geärgert, daß ich eine schwarze Kutte angehabt; auf so was hätte kein Bauer acht gegeben. Da sei mir aber auch wieder ein lustiger Herr und der Rat ein lustig Pfaffenstücklein; mich nehme nur wunder, wie der über den Text predigen wolle: daß man nicht uach dem Splitter suchen solle in des Nächsten Auge, wahrend man den Balken noch im eigenen habe. Ihn gehe es aber gar nichts an, welche Kutte ich trage; ich hätte sie aus meinem Gelde bezahlt, und ihm zum Trotz werde ich sie an alle Examen anziehen. So dachte ich damals. Den guten Rat verachtete ich nicht nnr, sondern schrieb ihn sogar leider Absicht zu und doch war ich kein Mitglied des Großen Rates, saß noch viel weniger in einem Departements sondern war eben nichts als ein angehendes Schulmeisterlein. Aber man sieht hoffentlich doch daraus, welche bedeutende Anlagen zu hohen Posten ich eigentlich gehabt hätte.

      Würde ich jetzt den guten runden Herrn, der, wenn er nach dem Ansatz fortgefahren hat, ein artiges Fäßlein geworden ist, irgendwo antreffen, so würde ich ihm recht herzlich für seinen Rat danken. Denn jetzt sehe ich, durch lange Erfahrung belehrt, ein, daß er recht hatte und das Land weit besser kannte als ich, der doch darauf auferzogen wurde. Aber wenn man mitten in einem Walde steht, so weiß man selten, wo man darin daheim ist. Man muß ihn übersehen können, wenn man sich zurecht finden will.

      Wie es kam, weiß ich nicht; allein als ich an das nächste Examen gehen wollte, zog ich meinen schwarzen Rock nicht an, sondern den alten elben. Als ich das Haus verließ, begegnete mir kaum fünfzig Schritte davon ein alt struppig Weib mit einem Tabaklätsch unter der Nase, und grüßte mich gar freundlich und wollte mir die Hand längen. Ich aber wurde feuerrot im Gesicht, daß ein altes Weib auf meinem Weg nach gutem Geschick mir zuerst begegne und noch dazu ein so wüstes und noch dazu mir die Hand geben wolle; sie kannte mich und kam aus meiner Gemeinde. Ich brummte ärgerlich ein paar Worte und schnurrte an ihr vorüber wie ein Pfeil, und hatte bereits alle Hoffnung, im Examen glücklich zu sein, aufgegeben. Denn wenn so ein altes Weib einen bei einem Ausgang zuerst anläuft, dann gute Nacht, Glück! Die stund über mein Benehmen ganz verdutzt still und rief mir erbittert nach: »E Peterli, ume nit so hochmüetig! So a-mene selige sött‘s notti nit dr wert sy hochmüetig z‘sy! Burehof hesch notti kene z‘vercheigle, und we d‘ dNase schnüze wotsch, su wirsch dr Lumpe wohl z‘ersch müesse ga etlehne!«

      Ich lief, was ich konnte, dachte aber bei mir selbst, das sei doch verdammt ungerecht, daß jedes alte Weib und ein jeder Pfaffe mich als hochmütig verschreien wollten. Aber denen wolle ich es zeigen, das, ich es nicht sei. Ich nahm mir fest vor, mit jedem anwesenden Vorgesetzten recht manierlich und repetierlich zu reden. Diesen Entschluß führte ich auch aus, so schwer es mir ward, und siehe, ich erhielt die Schule, d. h. ich war der erste auf dem Vorschlag, und beim Abendessen rühmten mich die Vorgesetzten gar und sagten, das hätte ihnen gefallen, daß ich gar so ein Gemeiner sei und niederträchtig mit jedermann. So einen Herrscheligen und Hochmütigen begehrten sie nicht. Da ging mir der erste Stich durchs Herz wegen angethanem Unrecht, und seither noch mancher.

      Gegen hundert Kinder gehörten zu dieser Schule. Etwas Land nebst dem nötigen Holz und Wohnung und 75 L. Geld machten sie zu einer der angenehmsten im Kanton zu damaliger Zeit. Lage und Haus hatte ich noch nicht gesehen, mußte aber versprechen, bald zu kommen und mich umzuschauen.

      O, wie ging ich selben Abends heim, so träumerisch glücklich, daß ich nicht wußte, wo ich war und wie die Füße liefen; bald schnell, bald langsam wahrscheinlich, je nachdem es in mir quoll und schwoll. Was alles an meiner Seele vorüberrann, weiß ich nicht; war es doch eben ein Traum in wachendem Zustande. Aus diesem Traum erwachte ich erst, als mich etwas heftig in die Finger stach. Es war ein Dornzweig, der in die Straße hing und den ich in meine Hand gedrückt hatte, träumend, es sei die Hand des Ammanns, der mich bewillkomme vor seinem Hause.

      O, so ein Zustand ist rührend und schön und begreiflich auch bei einem armen Kerli, der in bitterer Not mit schweren Hindernissen Jahre lang gekämpft und nun auf einmal sorgenlos am schönen Ziele zu stehen meint. Aber leider ist ein solcher Zustand nur ein Traum, der uns bei Erreichung eines Zieles, auf das wir unverwandt das Auge geheftet, beglückt, und dieser Traum währt nur so lange, bis wir wieder die Augen aufschlagen und am Ziele rund um uns schauen. Dann ziehen neue Sorgen, neue Kümmernisse ein.

      Es keucht der Wanderer in schwerer Sonnenhitze den steilen Hügel hinan, ängstlich den Gipfel im Auge, und zunächst am Ziele träumt er von Ruhe und ebenen Wegen, als ob das der einzige Hügel, der einzige steile Gipfel sei, und fühlt sich glücklich in diesem Traume; aber wenn er oben steht und die Augen aufschlägt, so erwacht er aus dieser glücklichen Täuschung; denn er sieht rings um sich andere Hügel, noch steilere Gipfel; die Ruhe wird ihm nicht. Nach kurzer Rast muß er weiters, keuchend und schwitzend. Und dennoch gibt er sich in der Nähe jedes Gipfels der gleichen wonnereichen Täuschung wieder hin. Ach, solche Täuschungen wären köstliches Labsal auf der weiten Reise, wenn alle Herzen sie ertragen möchten und nicht gar manches nach jedem Erwachen matter und mutloser sich fände und zuletzt trostlos niedersänke und auf dieser Stelle nach vielen Krämpfen verendete, wie der Fisch, den eine hohe Meereswelle in den Ufersand geworfen, zappelt, nicht fort kann und verschmachtend stirbt in vergeblichen Mühen.

      Fünfzehntes Kapitel. Wie mir die Augen aufgethan werden

      Des anderen Morgens weckte mich früh die Freude und das Verlangen, meinem alten Schulmeister mein Glück zu verkünden. Es war ein heller Tag; Sonne und Mond stunden am Himmel und nur zögernd legten sich die Sternlein in ihre aus ewigem Licht geflochtenen Bettlein. Auf der Erde wimmelte es wie in einem Bienenkorbe, der stoßen will. Aus Haus- und Stallthüren kam heraus, was drinnen war, zum Schaffen und zum Lustigsein. Fröhlich blökten die Schafe, umgaukelt von ihren Lämmlein, der Weide entgegen und sprangen munter den Kühen voran, die in steifem Ernste nachschritten, höchstens einen schwerfälligen Trott versuchten, nachdenkliche Gesichter schneidend. Andere bogen ungerne ihren Hals unter das Joch und muhten wild, wenn man sie mit Schlägen auf die Nase trieb an die Deichseln der schwer beladenen Mistwagen. Sie wären auch lieber auf der Weide gewesen als am Wagen, und machten Gesichter dazu, wie ordentliche Professoren, wenn sie aus der Kneipe ins Kolleg müssen, oder Gemeindräte an einem gewissen Orte, wenn sie der Schreiber aus dem Wirtshause in die Gemeindstube muß holen lassen, oder wie die B. L. Räte, wenn der Weibel aus den Pinten sie zusammentreiben muß, damit Beschlüsse gefaßt werden könnten. Müden Schrittes zogen Pferde den Pflug und streckten lang sich aus durch die lange Furche. Als rüstige Landwehr zog Mann und Mädchen aus mit Karsten und Hacken hinter die Erdäpfel her und hinter die Furchen, schäkerend und mit Äpfeln die Säcke füllend. Um das Haus herum firmte noch die geschäftige Hausfrau, und erst lange hinter den andern zog sie die reine Schürze an, die Thüre zu und schritt stattlicher aber rascher als die andern dem Felde zu. Von weitem sah man ihr an, daß sie wußte, man sehe auf sie und das Auge des Dorfes sei offen über sie, wann und wie sie ausgehe aufs Feld! O so ein Dorfauge ist eine gute Sache und hält manche in der Egi! Es wirket auf die Weiber viel mehr als auf die Männer. Es nähme mich ds Tüfels СКАЧАТЬ