Leiden und Freuden eines Schulmeisters. Jeremias Gotthelf
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Leiden und Freuden eines Schulmeisters - Jeremias Gotthelf страница 29

СКАЧАТЬ Wir mußten jeder das ut re mi singen, und so laut wir es thuu mochten, trat doch der Schulkommissär mit der Hand hinter dem rechten Ohr zu jedem heran und hielt sein Ohr an dessen Mund und erhielt manchen tüchtigen Brüll in dasselbe. Warum er dieses Manöver vornahm, weiß ich nicht. Wahrscheinlich hatte er gar kein Musikgehör, oder ein schlechtes, und bildete sich nun ein, es gehe mit diesem Gehör wie mit dem allgemeinen Gehör: je näher man das Ohr zu dem Ursprung des Tones bringe, desto besser könne man den Ton fassen und unterscheiden. Ach, mein guter Schulkommissär, und wenn Ihr ein Ohr vor die Stimmritze und das andere mitten in die Lunge hättet postieren können und hinter jedes Ohr eine Eurer großen mächtigen Hände: über den Wert, die Nichtigkeit und Unrichtigkeit der Töne würdet Ihr nicht klüger geworden sein. Und dennoch machte er bei diesem allem eine sehr wichtige Miene und fast Augen, wie die Hühner, wenn sie das Pfiffi haben. Und mit einer noch wichtigeren Miene fragte er mich nach gehaltenem Umgang, ob ich ihm sagen könne, was für ein Unterschied sei zwischen Choral- und Figuralgesang. Ja, da stund ich wieder am Berge; hatte ich davon doch mein Lebtag nichts gehört. Das war wieder welsch,, mit dem ich nichts machen konnte. Aber ich war nun schon etwas klüger geworden und besann mich auf eine in den Unterweisungen oft gebrauchte Ausflucht: ich wüßt es wohl, aber ich könnte es nicht sagen. Das half und der Herr fragte mich nun so, daß ich nur Ja und Nein zu sagen brauchte, so daß ich recht gut bestund, obgleich ich weder Gyr noch Gax davon verstund. Aber die Schule erhielt ich doch nicht, sondern den guten Rat, und zwar wohlfeil, nämlich umsonst, kein Schulmeisterexamen mehr zu machen, ehe ich wüßte, welcher Unterschied zwischen konstruieren und buchstabieren sei.

      Zerknirscht saß ich im Wirtshause an dem Imbiß, den uns die Gemeinde als Entschädnis für die ausgestandenen Drangsale geben ließ; aufbegehrisch saß neben mir mein Lehrmeister. So ein Examen, räsonierte er, hätte er sein Lebtag nicht gehört; es müsse alles auf die neue Mode sein und wenn es die verflucht dümmste Sache wäre. Er frage doch, was das mit dem Konstruiere für eine Dummheit sei und was es abtrage; mit dem könne man doch weder selig werden, noch gebe es einem z‘fresse, und beides seien doch die Hauptsachen! Er hätte aber geglaubt, solche Herren würden doch witziger sein als so; aber so gehe es, wenn man den Menschen fremde Namen anhänge; sie würden gerne z‘Narren darob. Ehedem habe man nichts von Kommissärs gewußt, aber auch nichts von Konstruieren. Da seien die Franzosen ins Land gekommen und mit ihnen die Kommissärs; die hätten Dreizingge aufgehabt und lange Säbel nachgeschleppt und hätten alle Leute kujoniert, aber von konstruieren hätten sie doch nichts gesagt. Er könne gar nicht begreifen, warum die Regierung jetzt, wo die Franzosen fort seien, nachdem sie, und besonders die Kommissärs, uns so viel gestohlen, auch Kommissärs erzwängen wolle, und noch sogar in den Schulen, um die Leute nicht nur zu kujonieren, sondern sogar noch zu konstruieren. Er glaube aber nicht, daß das der Regierung Wille sei, und wenn sie wüßte, was die Kommissärs einführen, sie würde ihnen das Handwerk wohl legen. Es seien doch noch brave Herren in Bern, die nicht wollten, daß man die Leute (das Wort Volk war noch nicht in Sprachgebrauch gekommen) so verführe und auf die neue Mode dressiere. Er hülf eine Vorstellung eingeben; wenn einer sie aufsetze, so wolle er sie unterschreiben. Allein dazu hatte niemand Lust, obgleich alle die, welche nicht zur Stelle vorgeschlagen waren, einstimmten. Ich sagte nichts dazu, sondern war ganz mutlos. Ich war im Glauben an meine Geschicklichkeit gestört worden gröblich und glaubte es unmöglich, so neue, unbekannte Sachen in Kopf zu bringen. Ich erklärte auf dem Heimwege kleinlaut, es würde wohl das beste sein, wenn ich das Schulmeisterwerden aufgebe; ich werde doch keiner so wie die Herren jetzt seien. Aber davon wollte mein erbitterter und illuminierter Begleiter nichts hören. Er wolle mich zum Schulmeister machen, schwur er, und wenn alle Kommissärs dagegen wären; er fürchte sie alle nicht und wenn sie auch alle Dreizingge auf hätten wie der Zytglocke und Säbel am Nest wie der Goliath.

      Er hielt auch richtig Wort. Kaum vierzehn Tage waren vergangen, so kam er wieder daher mit seinem langen Stecken, seinem wichtigen Gesicht, seiner Schnupfnase mitten drin, und über derselben, wie zwei Sterne über einer schwarzen Wetterwolke, seine ehrlichen Augen. Er brachte mir die Nachricht, daß er für mich Platz als Schulmeister gefunden habe, freilich ohne Schule. Aber das habe gar nichts zu bedeuten; ich sei noch bas so, und z‘esse heig i besser, als mancher Landvogt, der eine geizige Frau habe, die einem halb Dutzend heiratslustiger Töchtern die Ehesteuer z‘weg machen wolle auf dem Amte.

      Mein Platz sei in der Gemeinde Hinterhäg, wo man seit Jahren wegen den Schulen bald branze, bald prozediere, bald tuble. In der Gemeinde sei nur ein Schulhaus, welches nicht die halben Kinder fasse und wohin einige mehr als eine Stunde weit hätten. Daß neue Schulhäuser gebaut werden müssen, sehe man gar wohl ein, allein jeder Bauer wolle das Schulhaus vor seine Hausthüre, und wenn des Nachbars Kinder an einen auserwählten Platz zehn Schritte näher hätten, so hintertreibe er auf jegliche Weise den Bau. Dann wolle wieder jeder Teil der Gemeinde zuerst sein Schulhaus haben; daher würden sie nie einig, wo anfangen, und wenn dieses auch einmal bestimmt worden, so wüßten die Übergangenen eine andere Erkanntnis an der nächsten Gemeinde durchzudrücken. Mit dieser Gemeinde käre die Regierung wie eine alte Großmutter, bitte bald, befehle bald und lasse sie am Ende doch machen, was sie wolle. Man sehe wohl, daß da kein rechter Ernst dahinter sei und daß ‚ne graglych sei, ob Schulen wären oder nicht, wenn sie nur regieren könnten. Und hinter der Gemeinde sei noch einer, er wolle ihn nicht nennen, der nicht genug Bücklinge vor den Landvögten machen könne und so tief, daß sein H..... höher stehe als der Kopf; der zäpfle die Landvögte nur aus, wenn sie an der Sache trieben, und reise mit spöttischen Mienen und Worten seine Bauern auf wie ein recht abgefeimter alter Schlaukopf. Aber wenn es ds Militär ansehen würde, da würden sie schon befehlen können. In dieser Gemeinde wohne ein reicher Bauer, der auch gar weit zur Schule hätte. Der nehme nun alle Winter einen auf die Stör für sechs oder acht Wochen, weil er sich verredt habe, seine Kinder nicht mehr ins alte Schulhaus zu schicken. Manches Jahr durch habe er einen alten abgedankten Schulmeister gehabt; — der sei nun gestorben. In der Verlegenheit um einen andern hätte er, Schulmeister, ihn zufällig einmal an einem Donstag angetroffen und ihm versprochen, für einen zu sorgen und das für einen guten. Als Lohn habe er mir alle Tage zwei Batzen ausbedungen. Als Schulmeister brauche man mich erst nach Weihnacht, wenn das Dreschen vorbei sei. Doch könne ich um den gleichen Lohn alsobald anstehen; man habe mir allweg zu thun, entweder zu weben oder zu dreschen. Das Ding war mir nicht ganz recht; ich hätte weit lieber eine Schule gehabt, allein das verdammte Konstruieren nahm mir allen Mut, ein Examen zu machen.

      Der Alte erklärte mir aber noch, daß er von nun an nichts mehr mit mir zu thun haben wolle. Meine Eltern paßten immer darauf, daß ich zurückkäme, wie der verlorene Sohn im Evanvangelium. Aufnehmen würden sie mich gar gerne, doch nicht mit Singen und Reigen, sondern mit Fluchen und Prügeln, in der Hoffnung, daß ich, weil mich niemand mehr wolle, froh sein werde, auf jegliche Art und Weise bei ihnen zu bleiben. Leider hätten sie wieder vernommen, daß er mit mir an einem Examen gewesen und mir Platz suche; da hätte ihm gestern mein Vater alle Schande gesagt und, er glaube, geprügelt, wenn nicht noch ein anderer Mann dabei gewesen wäre. Nun esse er keine Suppe gerne, aber Prügelsuppe doch am allerwenigsten.

      Es ging nicht lange, so wanderte ich zum zweiten Mal mit meinem Bündelchen, das etwas schwerer geworden war, meinem Posten zu, noch lange vorher, ehe die Schulzeit beginnen sollte. Dort nahm man mich freundlich auf, erklärte mir aber gleich, daß sie denn gar nicht begehrten, daß ihre Kinder zu geschickt würden; sie sollten keine Agenten oder Wirte werden; sie hätten ihnen sonst z‘werchen und z‘essen. Wenn sie beten lernten und gut lesen und die Fragen samt Psalmen und Historinen, was es geben möge, so seien sie zufrieden. Mit Schreiben und Rechnen solle ich die Kinder nicht plagen; sie hielten aparti nicht viel darauf; die Kinder vergäßen es nur. Wenn man es einst brauchen müsse, so hätte man bald das nötigste gelernt, und wenn auch das nicht, so mache es immer jemand für einen, wenn man Geld habe. Das ganze Jahr zu lernen, trage nichts ab; das Nützest sei, man mache eine rechte Stör hintereinander, etwa sechs Wochen oder was, und dann von Morgen früh bis Abend spät und die übrige Zeit werche man dann auch recht. So komme man beid Weg weiter, als wenn man immer an allem baggle.

      So lautete meine Instruktion. Damit ich am Morgen desto früher bei der Hand sei, wenn einmal der Tanz angehe, so wurde mir mein Nachtquartier beim Melker СКАЧАТЬ