Leiden und Freuden eines Schulmeisters. Jeremias Gotthelf
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Читать онлайн книгу Leiden und Freuden eines Schulmeisters - Jeremias Gotthelf страница 25

СКАЧАТЬ Stube gerufen wurde; doch über die, welche es gethan, fiel manche spitzige Rede. Aber über den Seckelmeister ging es tüchtig her, und wie er rechne und verrechne, wurde weitläufig und an Beispielen ausgelegt.

      Der morndrige Tag brachte nicht viel Kinder in die Schule, kaum ein Dutzend kleinere. Mit diesen ließ mich der Schulmeister fechten Vormittag und Nachmittag, und machte den Schulrodel z‘weg. Mir gefiel das Schulhalten besser als das Wedelenmachen und ich hatte gar kurze Zyti dabei. Ein halber Tag ging mir vorbei wie ein Augenblick. Ich lehrte ohne Unterlaß mit den Kindern, und was wir lehrten, war mir wieder neu und heimelete mich doch. Fast bei jedem Wort kam mir eine Geschichte oder ein Spaß in Sinn, der sich in Bezug auf dieses Wort oder als ich es gerade lernte, zugetragen. Das lächerete mich zuweilen, und da fanden die Kinder, daß ich gar ein Lächerliche sei und faßten Zutrauen zu mir. Neues trieben wir natürlich nichts miteinander. Da wurde buchstabiert und gelesen, auswendig gelernt und aufgesagt, und das an einem Tag wie am andern.

      Die Kinder mehrten sich von Tag zu Tag, doch füllten sie die Stube noch lange nicht, und Schulmeisters wunderten sich doch, daß schon so viele kämen; das müsse der Gwunder machen, meinten sie. Ich aber meinte es nicht so. Ich meinte, das geschehe, weil die Kinder mich liebten und gar viel bei mir lernten; denn ich war gar fleißig immer auf den Beinen, und beim Auswendigsagen wartete ich recht geduldig, wenn sie stecken blieben, bis sie das Vergessene von andern gehört oder im Buche nachgesehen hatten.

      Den Stock hatte ich freilich immer in der Hand, aber ich drohte nur damit, führte die Drohung aber nie aus. Es war ein gar gewaltiges Sehnen in mir, geliebt und gerühmt zu werden; war ich doch schon so viel gehaßt und gescholten worden! Und bei den kleinern Kindern — die größern mußten noch dröschen — kam ich mit der Liebe recht ordentlich durch. Freilich lärmte es tüchtig an allen Tischen, außer an dem, an welchem ich eben war; aber dessen war ich gewohnt und meinte, es müsse so sein. Da hörte ich eines Morgens früh, während ich heizte und vor dem erstickenden Qualm in die Küche geflüchtet war, die an des Schulmeisters Stube stieß, die Frau mit dem Manne aufbegehren, daß er gar nicht in die Schule gehe und mich darin schalten und walten lasse. Des Metzgers Frau habe gestern gefragt, was sie doch für ein freines Knechtli hatten; die Kinder kämen gar gerne in die Schule und rühmten ihn gar sehr daheim, und es dünke sie, sie hätten keinen Winter so viel gelernt. Das dürfe er bei diesem und äynem nicht so gehen lassen, sonst beiße ich ihn ganz aus und dann könne er den Stecken am dreckigen Ort nehmen. Nach diesem besondern Eingang folgte dann die allgemeine Predigt über seine Faulheit und daß kein Leydere auf dem ganzen Erdboden sei als er; denn sonst brauchte er keinen Schnuderbueb, den alle Leute rühmten. Er begehrte auch auf und meinte, das werde sich bald zeigen, wer der Leyder sei, er oder ich. Er fürchte keinen im ganzen Kanton. Schon vor zwanzig Jahren hätte ihm einmal der Landvogt gesagt, so einen Bornierten, wie er sei, gebe es in der ganzen Welt nicht. Und das well doch, so Gott well, no öppis säge, was so-n-e Landvogt säg.

      Man glaubt nicht, wie wohl mir dieses Gespräch der beiden Eheleute that. Ich war seit meinem ersten Ausgang noch zu keinem Menschen gekommen; es war das erste Lob, das ich vernahm; darum erquickte es mich so. Ich war überzeugt, daß, wenn der Landvogt mich kennte, er mich für den noch Bornierteren halten würde. Ach, wenn er mich doch kennte! seufzte ich oft. Von diesem Tage her fing ich an zu glauben, ich sei doch etwas, und gewöhnte mir im Gehen das Ranggen und Walzen mit dem Rücken an, das mein Fraueli mir gar gerne abgewöhnen möchte, weil sie sagt, sie hätte schon Kinder gesehen, die mich verspotteten, und ich gefiele ihr noch einmal so wohl, wenn ich schön sittsam grad auf ginge.

      Kybig kam der Schulmeister in die Schule und betete selbst, d. h. er schnauzte den lieben Gott gar gewaltig an. Dann sprach er, er werde selbst bhören müssen, wenn‘s neuis nutz gah söll. Ich stund ganz kaput da und mußte nicht was anfangen, da fuhr er mich an: ob er mir den Lohn gebe und mich futtere, daß ich da stehe und ölgötze? Ob ich mich für einen Schulmeister ausgeben wolle und nicht wüßte, was ich in einer Schule zu thun hätte? Ob ich nicht sehe, daß Buchstabierer genug da seien, um mit ihnen zu lehren? Würde ich das eheliche Gespräch nicht gehört haben, so hätte dieses Betragen mich allerdings geschmerzt; aber ich armes Bürschchen war es so gewohnt; ich würde es verschmerzt und mich darein geschickt haben. Allein nun war der Satan in mich gefahren, ein Feuerfunken war gefallen in das in mir liegende Pulverfaß der Eitelkeit, und die flackerte nach allen Seiten empor. Freilich durfte ich nicht aufbegehren, es lag nicht in meiner Natur, und damals war es noch nicht Mode, daß man gegen seine Obern gleich den Güggel machte. Aber ich lächelte spöttisch, wenn irgend ein Kind und der Schulmeister nicht mich ansah. Und wenn ein Kind ausgeschimpft worden war aus lauter Kyb, und dann hinter des Alten Rücken mich schnippisch ansah, so machte ich ihm auch ein schnippisches Zeichen. Zwischendurch war ich recht fleißig auf dem mir angewiesenen Posten, und war noch einmal so freundlich als sonst. Wollte der Schulmeister mich durchthun mit seiner Oberherrlichkeit, so versuchte ich das Gleiche gegen ihn in meiner Untergebenheit. Sobald einer, der die Gewalt hat, den Weg meines Schulmeisters einschlägt, um sein Ansehen zu bewahren, und einem, der unter ihm steht, sein Ansehen zu nehmen, so hat der letztere, wenn er mit Lieblichkeit und Nachsicht sichtet, gewonnenes Spiel. Man sieht manchen, der in Nachläßigkeit und Unordnung alt geworden, sich dem jungen Mann entgegensetzen, der des Alten Fehler verbessern, gut machen will; sieht den alten Mann mit Schmeicheln und Wädelen die Leute zu bethören suchen, und das mit großem Glück. Aber das ist wohl das größte Unglück für die Menge, wenn zwei, die über ihr stehen in Amt und Pflicht, mit den gleichen Waffen gegen einander kämpfen und einer den andern ausstechen will durch Lieblichkeit und Gelindigkeit, sich gegenseitig überbietend mit dem Haschen nach der Unverständigen Gunst. Dann ist der Teufel los; alle thun, was sie wollen, nur die nicht, welche zu befehlen haben; die sind der andern niederträchtige Knechte. Dann gute Nacht, Ordnung und Sitte! Es ist beides böse, aber für die Menschheit das letztere noch in weit höherem Grade. Diese wahren Wahrnehmungen möchte ich Regenten, Lehrern, Eltern schreiben mit glühendem Griffel ins Herz hinein.

      So plagte mich der Schulmeister in der Schule, und plagte mich immer mehr. Ich konnte ihm weder recht buchstabieren noch recht lesen, am wenigsten singen. Beim Lesen und Buchstabieren konnte ich ihm die Selbstlauter und Endsilben nie lang genug aussprechen; er wollte sie haben mit Stielen so lange wie Rattenschwänze. Beim Singen warf er mir immer vor, ich verstöre ihn ganz. Jeder von uns wollte es schöner machen, d. h. jeder suchte den andern zu überschreien. Das thaten wir auch tapfer, bis wir kührot wurden im Gesicht. Dann befiel ihn der Husten und er mußte aufhören. So verstörte ich ihn allerdings. Er behauptete alle Tage, er machte es ds halb ringer alleini. Am meisten begehrte er auf, wenn ich zu dem kleinen Tischchen mich nahte, zunächst beim Ofen, wo nach dem Neujahr drei oder vier zu schreiben anfingen. Rechnen that man gar nicht. Ich konnte mich selten enthalten zu zeigen, daß ich auch schreiben könne, und deutete mit dem Finger, wie dieser oder jener Buchstabe einen Krump haben sollte. Da begehrte dann der Alte lästerlich auf. So eine, wo ds Druckte nit chönn, söll de nit drglyche thue, er chönn ds Gschribene; selb syg doch de afe z‘wyt tribe. So ging es in der Schule, aber nebenbei wohl noch schlimmer. Freilich hatte der Schulmeister gewöhnlich genug und hustete und trank Trank auf dem Ofentritt und machte während des Essens stillschweigend die Mauggere hinter dem Tisch. Aber seine Frau löste ihn ritterlich ab, und wußte so scharf und derb zu sticheln, daß sie mir das Essen richtig verpfefferte. Ihr war nichts zu gering mir auszurupfen. Sie fragte mich alle Tage: welchen Weg ich heute das Hemd an habe, und wie viel noch an meinen Strümpfen sei? Sie schimpfte über mein Heizen; noch nie sei so wenig warm gewesen, noch nie so viel Holz gebraucht worden. Sie hielt dem Manne vor: er könne zusehen, was er mache; die Leute klagten gar bitterlich, es sei noch nie so schlecht in der Schule gegangen, die Kinder lernten in Gottes Namen nichts, besonders die Kleinen; die und die hätten rundweg erklärt, sie wollten sie gar nicht mehr schicken.

      Zudem war das Essen noch gründlich schlecht, und von allen den Dingen, welche ins Haus flogen, erhielt ich nichts; die wurden im halben Tag gegessen. Ich roch sie wohl, aber damit mußte ich mich begnügen.

      Die Kinder merkten auf der Stelle dieses Verhältnis, und ich dauerte sie, denn sie sahen wohl, daß ich es gut mit ihnen meinte. Sie erzählten solche Dinge bei Hause, erweckten Mitleiden mit mir und erhielten СКАЧАТЬ