Leiden und Freuden eines Schulmeisters. Jeremias Gotthelf
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Читать онлайн книгу Leiden und Freuden eines Schulmeisters - Jeremias Gotthelf страница 24

СКАЧАТЬ Stöße, und bangte vor noch tieferem Fallen, zermalmenderen Stößen, und nur eines, das man später lesen wird, aber nicht der Verstand, konnte mir reinigen von diesem Eiter das Herz.

      Ist es aber doch nicht traurig, wenn man mit solch eiterndem Herzen die Eltern verlassen oder mit zerdrücktem Herzen bei ihnen untergehen muß?

      Eilftes Kapitel. Wie es mir als Schulmeister-Adjutanten erging

      Wie gesagt, ich stolperte über die Schwelle und blötschte an die Thüre. Deswegen empfing mich der Schulmeister nicht sehr freundlich. Ein ander Mal solle ich etwas süferliger thun, sagte er, sonst schieße ich ihm die Thüre ein. Während man mir eine Kachle mit Suppe auszuessen gab, betrachtete die Schulmeisterin mein Bündelchen und fragte, ob das meine Kleidleni alle seien? Da wurde ich rot bis über die Ohren und schämte mich und stotterte etwas. Mein Lebtag konnte ich nie lügen, daß es eine Gattig hatte. Sie merkte die Wahrheit und fragte wieder, es werde doch alles gewaschen sein? Wieder Röte und Stottern. Da zog sie ein gar saures Gesicht und sagte, fremden Dreck mangelten sie nicht, sie hätten deren selber genug, und mir alle Wochen zu waschen, dazu habe sie auch nicht Lust; ich könne sehen, wie ich es mache.

      Ja, das war eine Frau wie eine Rüebräffle, oder wie ein Kässchaber; es lag aber auch eine bedeutende Bürde auf ihr. Der Mann war kränklich und bildete sich aber noch mehr Übel ein, als er hatte, und machte die, welche er hatte, größer als sie waren, verdökterlete bei allen Zungen- und Wasser-Gschauern, was er auf- und anbringen mochte, und selten verging ein Tag, wo er nicht im Ofenguggeli einen Hafen mit Trank zu stehen hatte. Die Frau mußte dafür sorgen, wenn man etwas anders als Trank im Hause haben wollte. Sie schien durchaus unbarmherzig. Der Mann mochte husten und berzen, so nötlich er wollte, sie zeigte ihm kein Mitleiden; wenn es gut ging, so sagte sie, es düech se, er sött afe möge höre. War sie aber üblerer Laune, so sagte sie ihm kurz und bündig, we-n-er neuis möchti thue u-n-er nit e so-n-e Fule wär, so hätt er o nit sövli z‘gruchse.

      Damals schien mir das gar hart zu sein; es war noch härter, als mein Vater gegen die Mutter war. Spätere Erfahrungen aber haben mich belehrt, daß Not resolutere Weiber so bilden muß, und daß ein Mann, der nur immer an sich denkt und jedem Winde ablost, eine Frau fast die Wände auftreiben, ihr endlich jedes Mitleiden nehmen und den Glauben beibringen muß, seine vorgegebenen Übel seien entweder gar keine, oder zehnmal kleiner, als er sie mache. Wo Geld genug ist, wird nur die Geduld auf die Probe gesetzt; wo das aber mangelt und der ganzen Haushaltung der Untergang droht, da wird wohl, während das eine Trank trinkt, dem andern das ganze Gemüt versäuret.

      So war mein Empfang kein freundlicher, und unfreundlich blieb der ganze Abend. Abgebrochenes fragte man mich, und in der Betonung jeglichen Wortes lag der Vorwurf, ich sei ein unwillkommener, aufgedrungener Gast. Endlich wurde ich in die Kammer zum Schlafen gewiesen, die ich mit der fünfzehnjährigen Tochter teilen mußte; ein Mädchen, dessen Zunge spitzig, dessen Augen lüstern waren. Ach, zum ersten Mal in meinem Leben schlief ich unter fremdem Dach, neben fremden Menschen, Da zog sich mir die Brust gar enge zusammen und gerne wäre ich wieder daheim gewesen. Ach, es ist doch noch viel leichter, bei unfreundlichen Eltern zu wohnen in der heimischen Umgebung, als bei unfreundlichen, unbekannten Menschen in einem fremden Hause, in unbekanntem Dorfe!

      Am andern Morgen war noch keine Schule. Die Schulmeisterin hatte erklärt, ehe sie die Schule anfangen lasse, müssen erst die Rüben heimgemacht und ihre wenigen Garben gedroschen sein; sie wolle nicht alles alleine machen, sie fresse auch nicht alles alleine, und wer ihr bei dem einen helfe, müsse es auch beim andern. Dann mußte noch die Schulstube ausgeräumt werden. Das war ein schweres Werk. Sie hatte den Sommer über zur Vorrats- und Grümpelkammer gedient. In ihr war Obst aufgeschüttet worden und die Säu-Erdäpfel aufbewahrt, die Spinnräder stunden darin und von der Brechete her Flachs und Ryste. Die Stube war nicht viel größer als eine gewöhnliche Baurenstube und nicht höher. Beim Unterzug mußte ich mich immer bücken, und über zweihundert Kinder sollte sie fassen. In der Stube waren vier Tische. Der größte ging quer durch die Stube, zwei andere den Wänden nach, der vierte stund beim Ofen. Drei Tische waren breit näher bei drei als bei zwei Schuhen, der vierte ein Tischlein, wo an jeder Seite ein Kind sitzen konnte.

      Die Fenster waren rund, glitzerten in allen Farben, waren seit Jahren nicht gewaschen; ich glaube nicht, daß man eines herausnehmen konnte. Fenster und Vorfenster blieben Sommer und Winter stehen, unveränderlich, schmutzig und dunkel. Das ganze Haus entsprach den Fenstern, war klein und schmutzig, ein Bild unaufgehaltener, aber unmerklich fortschreitender Vergänglichkeit. Nur daran merkte man sie, daß Jahr für Jahr die Dachbänder sichtbarer wurden und ein Fetzen Stroh mehr aus dem Rande des Daches heraushing. Und wie ein unantastbares Heiligtum hielten die Bauren dieses Haus. Da war keiner, der Hand angelegt hätte oder gesorget, daß einige Schauben das Dach erneuerten, die Schulmeisterin mochte aufbegehren wie sie wollte. Ja, als ihr einmal eine Geiß erfror in dem durchsichtigen Ställchen und sie die ganze Gemeinde verantwortlich machen wollte für diesen Schaden, gab man ihr kaltblütig die Antwort, sie solle nur machen, was sie könne. Aber sie selbst sei schuld daran; warum sie es zwängen wolle, im Winter Geißen zu halten! der frühere Schulmeister hätte im Winter auch keine gehabt. Darum blieb auch der Ofen stehen, halb so groß wie die Stube, aus Steinen aufgeführt, die fast zehn Zoll dick, aber gespalten waren über und über, so daß manchmal das Feuer gwunderig in die Stube hineinguckte und allemal der Rauch lästig wirbelnd durch die Risse drang, so daß man füglich Hamme und Magenwürste hätte räuchern können in derselben. Darum hatte der Stubenboden auch Löcher, daß es eine große Kunst brauchte, die Tische zu stellen, und mancher Holzschuh blieb stecken, daß der Schulmeister das Kind lösen mußte aus dieser Falle. Darum ging es auch lange, bis die Schulstube ausgeputzt und die Äpfel und Erdäpfel aus allen diesen Löchern zur Zufriedenheit der Schulmeisterin heraus gelesen waren.

      Endlich war die Stube rein und es schneite der Himmel ein gar herrliches Schulwetter. Da sandte man mich durch das Dorf, um anzusagen, daß morgen Schule sei, und zugleich dem Seckelmeister anzuhalten, daß er doch Wedelen zur Heizung des Schulofens herbeischaffen lasse, indem gar keine mehr da seien. Es weiß nämlich jeder Bauer sehr wohl, daß man mit dürren Wedelen besser heizen kann, minder braucht, die Ofen weniger verderbt als mit grünen; derowegen hat auch jeder halbwitzige Bauer dürre Wedelen beim Hause und das seit Urvaters Zeit. Aber ebensolange ist es Sitte an vielen Orten, daß man dem Schulmeister nicht nur grüne Wedelen liefert zu plötzlichem Gebrauch, sondern daß man sie erst mitten im Winter macht und sie ihm liefert voll Eis und Schnee. Und weil man das lange vor dem Großätti so gehalten, so brächte man sie mit aller Gewalt nicht von diesem Gebrauch ab. Der Schulmeister muß seine Wedelen halb Holz halb Eis haben und wenn er dagegen aufbegehrt, so heißt es; man könne nicht begreifen, was er immer zu räsonieren habe; die andern hätten heizen können; warum er es nicht auch könne und warum er etwas apartiges wolle? O, wie das dann herrlich ist, wenn man um fünf Uhr auf muß und anfeuern bis um sechs, und zwei Wedelen brauchen, um drei andere zu verbrennen, und wie das dann rauchnet so schön dick und schwarz, wie wenn man eine Rütti brennt, und man alsobald einstützen muß für den morndrigen Tag. Und wie dann das Wasser in dem Ofen herumläuft, daß die Wedeln halb schwimmen und im Hausgang herum, daß die Kinder Fußwasser kriegen, und wie es dann so feuchtheiß riecht und dampft in der Stube, daß man zweimal ziehen muß, um einmal Atem zu bekommen!

      Ich mußte meinen Auftrag ausführen, so ungern ich es that, denn ich war sehr schüchtern. Der Seckelmeister sagte mir, er könne mir wahrhaftig nicht so bald Wedelen versprechen; aber wenn er ansgedroschen habe, wolle er seine Knechte in den Wald schicken. Unterdessen könne ich seinen Hag, der nicht weit hinter dem Schulhaus sei, stumpen und Wedelen machen. Zwischen der Schule möge es schon viel ergeben, und wenn ich nicht kommen möge, so könne der Alte hie und da einen halben Tag alleine Schule halten. Er wolle es schon versprechen und die gemachten Wedelen mit der Gemeinde verrechnen. An den andern Orten sah man mich gwundrig an wie ein fremdes Tier. An einem einzigen hieß man mich in die Stube kommen, um Bekanntschaft zu machen mit einem kleinen Knaben, der den Schulmeister gar fürchte und nicht mehr zu ihm wolle. Ich gebürdete mich so freundlich als möglich und gewann glücklich des СКАЧАТЬ