Tod im Kanzleramt. Stefan Koenig
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Название: Tod im Kanzleramt

Автор: Stefan Koenig

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783738048872

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СКАЧАТЬ Nachbarschaft ertönte ein ohrenbetäubendes, blechernes Krachen. Selbst die Kanzlerin stieß einen leisen Schrei aus. Yousef war auf ihrem Schoß eingeschlafen.

      „Angela, wir sollten lieber wieder nach unten gehen.“ Ich nahm Yousef auf den Arm und stand mit ihm auf. Mir schien, ihre Augen waren groß und verängstigt. Das war ich von meiner taffen Kanzlerin so nicht gewohnt. Jetzt fiel mir auf, dass er, der gebürtige Ehemann der Kanzlerin und Vater von Jousef, Joachim Sauer, wieder einmal fehlte. Wenn man ihn brauchte, war er stets unsichtbar.

      Erneut ertönte die bestimmte, aber verbindliche Stimme von Maybrit Illner und ihre Aufforderung, in die Schutzräume zu gehen. Die Partygäste setzten sich wie eine lange Schlange, ähnlich einer Polonaise, in Bewegung nach unten. Man muss wissen, dass das Kanzleramt völlig untertunnelt ist. Es gibt das Untergeschoss, in dem Johann Lafer kochte und jetzt dank Stromausfall seine kalten Garnelen zubereitete. Hier gab es einen großen Saal, den man vorsorglich partygemäß eingerichtet hatte. Die Organisationsprofis der Regierung denken wirklich, oft im Gegensatz zu ihren politischen Auftraggebern, weit voraus, Krisen inbegriffen.

      Und dann gibt es das zweite Untergeschoss und dann das verborgene dritte Untergeschoss, von dem aus Geheimgänge zum Innen- und Verteidigungsministerium führen. Fragen Sie mich jetzt bitte nicht, warum man das Gesundheitsministerium außeracht ließ. Einigen hätte es in jenen zwei entscheidenden Nächten als Hoffnungsschimmer weitergeholfen.

      Zehn Minuten später hörten wir von oben lautes Klirren – die großen Panoramafenster, die zum Kanzlergarten weisen. Demnach war meine Vision von vorhin doch nicht so verrückt gewesen – Glassplitter, die sich in meine Liebste und in den mir anvertrauten Jungen bohren.

      „Es wird hereinregnen“, sagte die Kanzlerin. „Der Regen wird das Mobiliar ruinieren.“

      Wir haben ein sehr persönliches Verhältnis, muss ich sagen. Dass ihr gerade jetzt das Staatsmobiliar wichtig war, konnte sie nur mir anvertrauen. Bei jedem anderen wäre sie sich wahrscheinlich lächerlich vorgekommen.

      „Dann ruiniert er es eben. Ist ja alles versichert. Das Kanzleramt hat doch eine Maschmeier‘sche Vorzugspolice“, sagte ich und lächelte mein klugscheißerisches Lächeln.

      „Das macht die Sache auch nicht erträglicher“, sagte sie mit genervter Stimme. „Ist denn veranlasst, dass sich das Sicherheitspersonal darum kümmert?“

      Ich nickte, weil ich sah, dass Altmaier mit einem der Typen bereits sprach und wild gestikulierend nach oben zeigte.

      Der Sturm ließ jetzt nach, und es gab keine Anzeichen für eine neue Böe. Ich gab Gabriele, die uns wortlos gefolgt war, Yousef in die Arme. Er schlief immer noch.

      „Leg dich ein wenig mit ihm hin; dort hinten im Nebenraum stehen Notliegen, und ruhe aus“, sagte ich zu ihr. „Ich muss mit der Kanzlerin hoch und nachsehen.“

      „Ich kann jetzt nicht schlafen“, sagte sie. Aber wie ich später sah, war sie doch eingenickt. Ich ging mit Angie nach oben, und wir warfen einen Blick in den großen Empfangssalon, der uns bisher als Partysaal gedient hatte. Drei der großen Schiebetüren aus Glas hatten standgehalten. Aber wo das supergroße Panoramafenster gewesen war, gähnte jetzt ein ausgezacktes Loch, das teilweise mit Laub gefüllt war. Es war die Spitze des uralten Baumes, der neben dem Hintereingang gestanden hatte, schon zu Zeiten, als hier noch kein Kanzleramt stand. Man hatte um ihn herum gebaut.

      Während ich die Baumspitze betrachtete, die jetzt dem Empfangssalon einen Besuch abstattete, verstand ich, was Frau Merkel gemeint haben könnte, als sie sagte, die Versicherung mache die Sache nicht erträglicher. Vielleicht hatte sie diesen Baum geliebt. Vielleicht hatte sie ihn schon zu DDR-Zeiten von jenseits des Grenzstreifens gesehen und bewundert. Vielleicht hatte sie schon früher davon geträumt, dass sie eines Tages darunter wilde Frühlings-, Sommer- und Herbst-Partys feiern würde. Wer weiß? Auch ich hätte heulen können, einfach, weil ich so alte Bäume mag und achte.

      Die Kanzlerin sprach mit den beiden Männern vom Hausmeisterteam, die bereits herbeigerufen worden waren. Ich wollte mich jetzt mehr um die Gäste kümmern und ging zurück in das Untergeschoss.

      Bevor ich den großen Party-Behelfsraum betrat, machte ich einen Abstecher zu Gabriele Krone-Schmalz und Yousef, die in einem lärmgesicherten Nebentrakt des gleichen Geschosses untergekommen waren. Sie schliefen beide auf einer Doppelliege, und dann überfiel auch mich eine plötzliche Müdigkeit. Ich legte mich auf Yousefs Seite, nur um einen Moment auszuspannen. Das Unwetter hatte meinen Adrenalinspiegel derart blitzartig in die Höhe getrieben, dass der jetzige Abfall sich in jener merkwürdig starken Müdigkeit bemerkbar machte.

      Yousef schlief nun zwischen Gabriele und mir. Ein Kurztraum überfiel mich gleich nachdem ich eingeschlafen war. In diesem Traum sah ich Gott durch den Ostteil Berlins auf der anderen Seite der Joachim-Gauck-Allee gehen, einen Gott, der so riesig war, dass ER von der Taille aufwärts in einem klaren blauen Himmel verschwand. Im Traum hörte ich das Splittern und Krachen von Ampeln, Autos und Bäumen, die unter SEINEN Schritten wie Grashalme umknickten. ER umkreiste den Fernsehturm und kam auf das Kanzleramt zu; ER kam auf uns zu, und alle Ministerien, Einkaufscenter, Häuser und Hochhäuser gingen blitzartig in purpur-weißen Flammen auf, und bald verhüllte der Rauch alles. Der Rauch verhüllte alles – wie Nebel.

      Die erste Nacht

      Ich schreckte auf. Vielleicht wegen dem Traum. Vielleicht aber auch, weil mein Unterbewusstsein die aufgeregte Stimme von Angies Büroleiterin wahrgenommen hatte. Beate Baumann stand nur zehn Schritte von mir entfernt, und ich hörte sie fragen: „Was bedeutet es, wenn alle Elektrik ausgefallen ist?“

      Ein Mann aus dem Serviceteam in Monteurkleidung stand neben ihr. Ich blinzelte erst, dann richtete ich mich langsam auf. Ein Namenschild auf der linken Brusttasche wies ihn als Klaus Tombrowsky aus. „Alle Sicherheitsverriegelungen rund um das Amt sind geschlossen. Niemand kann das Gebäude verlassen. Ich befürchte, wir müssen bis morgen früh durchfeiern.“ Er schien zu lächeln. Im Nachhinein kann ich sagen, dass man es ihm nicht verübeln konnte. Auch ich war mir zu diesem Zeitpunkt nicht der gesamten Tragweite des Geschehens bewusst.

      „Können Sie nicht das THW oder zumindest die Feuerwehr benachrichtigen?“ fragte Beate. „Wir können hier doch nicht unsere Gäste zu Gefangenen machen!“

      „Wir haben keinen Außenkontakt!“ flüsterte er und sah zu mir herüber. Er kannte meine Vertrauensstellung bei der Kanzlerin.

      „Keinen Außenkontakt?“ fragte Angies Büroleiterin ungläubig.

      „Ich habe es von der Amtsleitstelle erfahren. Man möchte jedoch im Moment keine Panik schüren. Gibt ja auch keinen Grund dazu. Aber alle Drähte nach draußen sind gekappt. Das bleibt bitte unter uns!“

      „Das kann nicht sein! Weiß Herr Altmaier davon?“

      Die beiden entfernten sich und ich konnte die Antwort nicht verstehen. Aber jetzt war ich hellwach. Ich deckte Gaby und Yousef zu, deren Decken heruntergerutscht waren, und legte meine Decke über ihre Füße. Dann ging ich den langen, nur von Notleuchten erhellten Gang entlang in Richtung der Partystimmung. Ich machte mir keine Gedanken, woher die Notbeleuchtung ihren Strom bezog. Meine Gedanken waren überall, nur nicht bei dieser scheinbar belanglosen Frage.

      Eine Band spielte eine von mir nicht definierbare Mischung aus Progressive House und Big Beat. Mein Musikgeschmack ist zu unbedarft, als dass ich erkennen konnte, worauf das Organisationsteam um die Moderatorin, Frau Illner, die Band festgelegt hatte. Was mir СКАЧАТЬ