Tod im Kanzleramt. Stefan Koenig
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Название: Tod im Kanzleramt

Автор: Stefan Koenig

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783738048872

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СКАЧАТЬ ich muss mich um das Adoptivkind der Kanzlerin kümmern. Hoffen wir, dass alles gut wird. Oder sagen wir es so: Das schaffen wir!“

      Beide verzogen das Gesicht, und ich ging zum Schlafsaal, zu Gaby und Yousef, wo ich keine viertel Stunde später einschlief.

      Als die Nacht um war

      „Stefan, was passiert da?“ schrie Yousef. Er durfte mich selbstverständlich beim Vornamen nennen. Ich hatte Angie darum gebeten, dass er von diesem hölzernen „Herr Koenig“ absehen durfte.

      Er stand vor dem Kanzleramt und blickte auf das züngelnde Zischen im Gras. Mir war augenblicklich, als griffe eine eisige Hand nach meinem Herzen.

      „Bleib da weg, Yousef! Das sind Stromkabel. Und da ist Strom drauf!“ Mir war völlig unklar, woher die Kabel kamen.

      Es war sechs Uhr, ein strahlender Morgen. Der Himmel, der während der Hitzewelle dunstig gewesen war, hatte wieder eine frische tiefblaue Farbe angenommen. Nur das anhaltende Zischen nahe bei Yousef störte. Auf den ersten Blick konnte man die Stromkabel für zuckende Schlangenbündel halten. Hier draußen hatte die Elektrik wohl gelitten, aber im Kanzleramt war fast alles, wie es sein musste. Die auf Automatik geschalteten Türen und Fenster funktionierten zwar noch nicht, aber Beleuchtungen und Computer gingen wieder. Die normale Tür, zwar auch elektronisch gesichert, neben dem Automatik-Portal war der Weg nach draußen.

      Was Altmaiers Radio inzwischen von sich gab, konnte ich nicht überprüfen. Ich hatte alle Hände voll zu tun, mich um Yousef zu kümmern. Gaby organisierte uns das Frühstück. Lafer hatte nur kurz geschlafen und war bereits wieder in der Küche im Untergeschoss, um für die verbliebenen rund hundert Partygäste ein Frühstückbuffet vorzubereiten. Ich schätzte, dass die Hälfte der Gäste bis zuletzt gefeiert hatte und gleich gegangen war, als die Lichter wieder aufflammten. „Gegangen waren“ ist der richtige Ausdruck, denn nicht alle konnten ihre PKW nutzen, sofern sie nicht in angemessener Entfernung außerhalb des Regierungssitzes geparkt hatten. Die Ein- und Ausfahrt zu den unterirdischen Parkplätzen war durch umgestürzte Bäume versperrt.

      „Wie stoppt man das?“ fragte Yousef.

      „Das können nur die Männer von den E-Werken.“

      „Und wann werden sie kommen?“

      „Das weiß ich nicht.“ Fünfjährige haben eine Unmenge Fragen auf Lager. „Sie werden viel zu tun haben, und es wird dauern. Lass uns mal gucken, Yousef, welchen Schaden der Sturm angerichtet hat.“

      Wir gingen rund um das Kanzleramt, auf dessen Gelände jetzt einige Bedienstete vom Sicherheitsdienst und vom Hausservice nach dem Rechten schauten.

      Es war schlimmer, als ich mir vorgestellt hatte. An vier verschiedenen Stellen versperrten Bäume und Metallteile die Straße zu den verdeckt gelegenen Parkplätzen. Wir kletterten über die Hindernisse hinweg und gingen weiter Richtung Gartengelände. In der Nachbarschaft sah es nicht besser aus.

      Ich ging nach links, während Yousef brav hinter mir herging. Von fernher klang bereits das unangenehme Kreischen der Sägen. Als ich die Amtsbediensteten bei ihrer Aufräumarbeit beobachtete, hörte ich hinter mir Gaby, die Yousef aufgeregt laut zurief, er möge um die zischelnden Kabeln einen großen Bogen machen.

      „Geh ins Haus, Yousef! Diese Leitungen sind gefährlich!“

      „Er weiß über die Kabel Bescheid, Gaby.“ Ich umfasste sanft ihre Schultern.

      Eine besorgte Falte bildete sich zwischen ihren Augen unterhalb der Micky-Maus-Frisur.

      „Stefan, ich habe Angst!“

      „Nun komm schon! Es ist vorbei! Du bist wahrlich kein Angsthäschen.“ Ich musste lachen.

      „Vorbei? Wirklich? Der letzte Winter … und der späte Frühling … Experten haben von einem schwarzen Frühling gesprochen … sie sagten, es hätte in dieser Gegend seit 1986 keinen mehr gegeben. Damals mussten die Spielplätze das ganze Jahr über geschlossen bleiben ... Du erinnerst Dich: atomar verseuchter Sand … Tschernobyl … oh Stefan …“

      So kannte ich sie nicht. Ich glaube, die taffe Gabriele war lediglich unausgeschlafen.

      Mit »Experten« war zweifellos Alice Schwarzer gemeint, die in Berlin ein Büro für Wettervorhersagen betrieb, ein Konkurrenzunternehmen, um ihrem Intimfeind Kachelmann das Wasser abzugraben und zugleich steuerliche Vorteile einzuheimsen. Gabriele hatte dort des Öfteren vorbeigeschaut, unter anderem, weil sie sich der ehemaligen Frauenrechtlerin und Herausgeberin einer Frauenzeitschrift sehr verbunden fühlte. Wie das halt so ist zwischen zwei Journalistinnen.

      In diesem Moment war ich jedoch der Meinung, dass Frau Schwarzer einen negativen Einfluss auf Gabys Verstand ausübte, der in jeder anderen Hinsicht ausgesprochen praktisch und nüchtern war. Erst hieß es, Alice Schwarzer sei Mitglied irgend einer geheimen Gruppierung, deren Ziel die allgemeine Steuerbefreiung war, dann hieß es, sie sei bei den Scientologen als Frauenbeauftragte tätig; schließlich landete die ehemals Ungläubige nur bei einem alttestamentarischen rachsüchtigen und wütenden Gott, der alles vernichten würde, was der Unmoral anheimfiele. Sie verstehen jetzt, weshalb ich den Kontakt zu meinen Freunden nicht gerne sah. Aber diesbezüglich war Gaby ein wenig anfällig, insbesondere, wenn Alice Schwarzer ihr abgestandenes Wasser mit auf den Weg gab, das sowohl gegen Migräne, Monatsbeschwerden, aber auch gegen Quetschungen half. Hinzu kam neuerdings ein völlig unzutreffender Wetterbericht. Ich nahm Gaby in den Arm. Zugegebenermaßen hatte ich in diesem Moment gegenüber meiner Frau Alexa im fernen Lowbrook ein durchaus schlechtes Gewissen

      Man konnte mit Frau Schwarzers Glauben vorhersagen, wie der nächste Winter würde, indem man im Juni die Ringe an den Raupen zählte und im August den Umfang der Honigwaben maß. Und nun also, Gott schütze und bewahre uns, DER SCHWARZE FRÜHLING von 1986 (fügen Sie selbst so viel Ausrufezeichen ein, wie Sie wollen). Ich hatte diese Geschichte auch gehört. Sie erfreut sich in manchen spirituellen Kreisen großer Beliebtheit. Auch Schweppes, der Werkstattbesitzer in meinem Heimtatstädtchen, hatte mir früher etwas vom Schwarzen Frühling erzählt. Alexa und ich hatten unseren Toyota Land Cruiser (Baujahr 1960, eine echte Rarität) im Mai zu ihm gebracht. Schweppes verstand sich auf Oldtimer und konnte auf Teufel komm raus improvisieren, wenn es keine Ersatzteile gab.

      Als wir den Wagen nach einem Tag abholten, hatte ein überraschender Sturm der ganzen Gegend fast zehn Zentimeter nassen, schweren Schnee beschert, der das junge Gras und die Blumen unter sich begrub. Schweppes hatte ausnahmsweise ein wenig ins Glas geschaut und uns begeistert die Geschichte vom Schwarzen Frühling erzählt, die er mit eigenen Ausschmückungen noch dramatischer gestaltete.

      Zwei Tage später schmolz der Schnee wieder. Die Natur hält immer mal Überraschungen bereit, aber hierzu einen Hokuspokus zu bemühen, das ist mir völlig fremd. Dennoch mochte ich Schweppes, gerade auch, weil er ein phantasiebegabter und völlig weltoffener Mensch ist.

      Gaby, die jetzt neben mir im Garten des Kanzleramts stand, sah immer noch skeptisch drein. „Der Sturm war nur der Vorbote des Unheils“, sagte sie.

      „Hör mal, sobald unsere Profis diese Bäume durchgesägt haben, die die Auffahrt versperren, kannst Du nachhause. Okay?“

      „Okay“, sagte sie erleichtert. „Was glaubst du, wann auch du fahren kannst?“

      Die bürokratischen Erschwernisse eingerechnet, würde ich gegen elf Uhr fertig sein.

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