Moderne Klassiker der Gesellschaftstheorie. Ingo Pies
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Название: Moderne Klassiker der Gesellschaftstheorie

Автор: Ingo Pies

Издательство: Bookwire

Жанр: Зарубежная деловая литература

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isbn: 9783846345757

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СКАЧАТЬ Argument stützen: In beiden Fällen handelt es sich um Einrichtungen kollektiver Tauschakte, die so ausgestaltet werden können, dass sie allen Bürgern nützlich sind. Mit dieser Idee ist libertären Minimalstaatsvorstellungen von vornherein jede konzeptionelle Grundlage entzogen. Sie hängen – bildlich gesprochen – in der Luft. Für nicht unbeträchtliche Teile einer ihrem Selbstverständnis nach liberalen Ökonomik bedeutet das, sich von der normativen Vorgabe verabschieden zu müssen, einseitig nach Wegen zur Eindämmung staatlicher Tätigkeiten zu suchen, wenn sie – um im Bilde zu bleiben – (wieder) Bodenhaftung gewinnen will. Hier steht nichts Geringeres auf dem Spiel als ihre Politikfähigkeit, d.h. ihre Fähigkeit, Reformvorschläge zu entwickeln, die den Anschluss an die realen Probleme realer Bürger und damit letztlich auch Gehör in der demokratischen Öffentlichkeit finden. Im Anschluss an Buchanan kann es nicht länger um ‚containment‘ und ‚roll-back‘ gehen, nicht darum, Dämme zu errichten. Stattdessen geht es um eine den Bürgerinteressen entsprechende institutionelle Kanalisierung eigeninteressierten Handelns in allen Bereichen der Gesellschaft, insbesondere in Wirtschaft und Politik. Die Frage nach mehr oder weniger Staat ist falsch gestellt. Sie verfehlt die relevanten Alternativen. Ins Zentrum der Betrachtung gehört nicht die Quantität, sondern die Qualität kollektiven Handelns.[52]

      Mit solchen Konzeptualisierungen lässt sich die Ökonomik aus defensiven und zudem unfruchtbaren Frontstellungen befreien und schließlich in die Lage |39|versetzen, als wissenschaftliche Konzeption den Anforderungen des politischen Liberalismus zu genügen, d.h. keine eigenen ‚externen‘ Ideale zu vertreten, sondern nach Wegen zu suchen, wie die Bürger ihre eigenen ‚internen‘ Ideale besser verwirklichen können.[53] Damit definiert Ökonomik ihren Ort als Wissenschaft in der Gesellschaft und übernimmt Aufgaben demokratischer Politikberatung. Aus dem Versuch, diese Aufgaben zu erfüllen, erwachsen die Ideen konstitutioneller Ökonomik, dass ein Verfassungskonsens erforderlich ist, um mehr Pluralismus möglich werden zu lassen, und dass politisches Handeln – analog zu wirtschaftlichem Handeln – geeigneter sozialer Restriktionen bedarf, um Ergebnisse hervorzubringen, die im Interesse der Bürger liegen. Letztlich sind es in einer Demokratie (solche) Ideen, die Politik machen.

      4. Nachtrag 2016

      Man kann James Buchanan viele Verdienste zuschreiben:

       Mit seinen Schriften hat er wesentlich dazu beigetragen, das Anwendungsgebiet ökonomischer Analyse von der Wirtschaft auf die Politik auszudehnen.

       Gerade damit hat er der Finanzwissenschaft, der ökonomischen Analyse staatlicher Ein- und Ausgaben sowie staatlicher Aktivitäten, viele neue Impulse gegeben.

       Zudem hat Buchanan neue Brücken für eine interdisziplinäre Verständigung geschlagen, insbesondere zwischen Verfassungsökonomik und Verfassungsphilosophie sowie zwischen Institutionenökonomik und Institutionenethik.

       Aber auch der ökonomischen Theorie selbst hat Buchanan wertvolle Dienste geleistet. Diese betreffen sowohl die positive als auch die normative Analyse.

      Buchanan hat mit seiner Distinktion von „choices within rules“ und „choices among rules“ die alte ordnungstheoretische Erkenntnis international re-aktiviert, derzufolge zwischen einem Ordnungsrahmen (= Spielregeln) und den Handlungen innerhalb des Ordnungsrahmens (= Spielzügen) zu unterscheiden ist, so dass man die positive Analyse grundsätzlich auf mindestens zwei Ebenen |40|ansetzen muss, um der institutionellen Verfasstheit menschlicher Interaktionen angemessen Rechnung zu tragen.

      In normativer Hinsicht hat Buchanan darauf hingewirkt, das grundlegende Konzept zur wissenschaftlichen Herleitung wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Empfehlungen radikal umzustellen von Effizienz auf Konsens. In Buchanans „Constitutional Political Economy“ steht nicht die Optimierung individueller Spielzüge im Vordergrund, sondern die Einigung auf gemeinsame Spielregeln. Hierfür ist die Unterscheidung zwischen (konfligierenden) Handlungsinteressen und (konsensuellen) Regelinteressen von grundlegender Bedeutung – ein methodologischer Hobbesianismus, dessen Leistungsfähigkeit für eine demokratische Politikberatung leider immer noch vielfach verkannt wird. Aber auf genau diesem Gebiet liegt das wohl wichtigste wissenschaftliche Vermächtnis von James Buchanan: Mit diesem methodologischen Hobbesianismus und der damit ermöglichten Konsensorientierung macht er die Ökonomik kategorial anschlussfähig an die Diskurse der demokratischen Öffentlichkeit.

      James Buchanan ist bis ins hohe Alter hinein ein produktiver Arbeiter geblieben, der seine Ideen in zahlreichen Veröffentlichungen niedergelegt hat. Das Spätwerk betrachtend, ist vor allem ein in Ko-Autorschaft verfasstes Buch zur Prinzipienorientierung liberaler Politik hervorzuheben.[54] Abschließend hinzuweisen ist auf die Gesamtausgabe seiner Schriften[55], auf ein informatives Buch über sein Leben und Werk[56], auf einen kurzen Aufsatz[57], der Buchanans politische Einstellung nachzeichnet, auf Buchanans autobiographische Auskunft als Nobelpreisträger[58] sowie auf ein ausführliches Interview[59], das Karen Horn mit ihm geführt hat.

      Literatur

      Berggren, Niclas (2013): James M. Buchanan Jr. [Ideological Profiles of the Economics Laureates], in: Econ Journal Watch 10(3), September 2013, S. 292–299.

      Brennan, Geoffrey und James M. Buchanan (1981, 1984): The Normative Purpose of Economic ‚Science‘: Rediscovery of an Eighteenth-Century Method, in: James M. Buchanan und Robert D. Tollison (Hrsg.), The Theory of Public Choice II, Ann Arbor, S. 382–394.

      Brennan, Geoffrey und James M. Buchanan (1983, 1989): Predictive Power and the Choice Among Regimes, in: James Buchanan: Explorations into Constitutional Economics, zusammengestellt und mit einer Einleitung herausgegeben von Robert D. Tollison und Victor J. Vanberg, College Station, S. 3–23.

      Brennan, Geoffrey und James M. Buchanan (1985, 1993): Die Begründung von Regeln. Konstitutionelle Politische Ökonomie, übersetzt von Monika Vanberg, mit einer Einleitung herausgegeben von Christian Watrin, Tübingen.

      |41|Buchanan, James M. (1949): The Pure Theory of Public Finance: A Suggested Approach, in: Journal of Political Economy 57, S. 496–505.

      Buchanan, James M. (1959): Positive Economics, Welfare Economics, And Political Economy, in: Journal of Law and Economics 2, S. 124–138.

      Buchanan, James M. (1964, 1979): What Should Economists Do?, in: ders., What Should Economists Do?, Indianapolis, S. 17–37.

      Buchanan, James M. (1969, 1978): Cost and Choice. An Inquiry Into Economic Theory, Reprint, Chicago.

      Buchanan, James M. (1975): A Contractarian Paradigm for Applying Economic Theory, in: American Economic Review, Papers & Proceedings 55, S. 225–230.

      Buchanan, James M. (1975, 1984): Die Grenzen der Freiheit. Zwischen Anarchie und Leviathan, Tübingen.

      Buchanan, James M. (1986): Liberty, Market, and State, in: ders., Liberty, Market and State, Brighton, S. 3–7.

      Buchanan, James M. (1986, 1992): Better than Plowing, in: ders., Better than Plowing and Other Personal Essays, Chicago und London, S. 1–18.

      Buchanan, James M. (1987a): The Constitution of Economic Policy, in: American Economic Review 77, S. 243–250.

      Buchanan, James M. (1987b): Constitutional Economics, in: The New Palgrave, Bd. 1, S. 585–588.

      Buchanan, James M. (1987c): Market Failure and Political Failure, in: Peter Koslowski (Hrsg.), Individual Liberty and Democratic Decision-Making. The Ethics, Economics and Politics of Democracy, Tübingen, S. 42–52.

      Buchanan, James M. (1988): Contractarian Political Economy and Constitutional Interpretation, СКАЧАТЬ