Unterrichtsentwicklung begleiten - Bildungsreform konkret (E-Book). Thomas Balmer
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      4 des Wissens über fach- und themenspezifische Lehrstrategien sowie

      5 des Wissens, wie Lernen und das Gelernte im Fach beurteilt werden können (Park & Oliver, 2008).

      Zusätzlich unterstreicht auch die Empirie die Bedeutung dieser Wissensfacette von Lehrpersonen zusammen mit dem Fachwissen: «Mediiert über die Merkmale der Unterrichtsgestaltung sind Fachwissen und fachdidaktisches Wissen auch für die Fachleistung der Schülerinnen und Schüler substantiell bedeutsam […]. Fachwissen ist die Grundlage, auf der fachdidaktische Beweglichkeit entstehen kann» (Baumert & Kunter, 2006, S. 496; Hervorhebung im Original). Angesichts dieser Ergebnisse schliessen die Autoren, «dass sowohl das Fachwissen als auch das fachdidaktische Wissen von Lehrkräften grösster Aufmerksamkeit bedürfen» (ebd.). Das Wissen der Lehrpersonen erklärt einen erheblichen Teil der Leistungsunterschiede zwischen den Klassen (Baumert & Kunter, 2011b; Hill, Rowan & Ball, 2005), wobei das fachdidaktische Wissen den grösseren Anteil aufweist. Hohes fachdidaktisches Wissen korreliert positiv mit dem Fachwissen, aber das Umgekehrte ist nicht zwingend. Das heisst, viel zu wissen, wie ein Fach unterrichtet wird, bedingt auch viel Fachwissen, aber viel Fachwissen genügt nicht, um gut zu unterrichten. Zudem bestimmt das fachdidaktische Wissen erheblich die beiden fachspezifischen Basisdimensionen der Unterrichtsqualität mit, den kognitiven Aktivierungsgrad des Unterrichts und die konstruktive Lernbegleitung, was für das Fachwissen nicht zutrifft (Baumert et al., 2010). In ihrem Forschungsüberblick identifizieren es Coe et al. (2014) als den wichtigsten Einflussfaktor für die Lernfortschritte der Schülerinnen und Schüler. Daraus lässt sich eine hohe Bedeutung des fachdidaktischen Wissens für die Dozierendenkompetenz und die Weiterbildungsdidaktik fachbezogener Angebote ableiten.

      In Analogie zu dem, was der Lehrplan 21 in seinem Lern- und Unterrichtsverständnis in Rechnung stellt – Lernprozesse setzen am Vorwissen an –, kann auch für das Lernen der Lehrpersonen gefolgert werden, dass die Möglichkeit, an eigene Fragen und Konzepte oder, technischer gesprochen, an eigene Überzeugungen und fachdidaktisches Wissen anzuschliessen, bedeutsam ist. Das zeigt sich auch empirisch: Lindvall et al. (2018) folgern in ihrer Studie, dass eine gewisse Kohärenz der Inhalte einer Weiterbildung mit dem aktuellen Wissen und der Praxis von Lehrpersonen zu ihrer Wirksamkeit beiträgt. Zudem ist die Reflexion von Unterricht effektiver, wenn die Verbesserungsprioritäten der Lehrpersonen in Rechnung gestellt und sie ermutigt werden, ihren eigenen Handlungsplan zu entwickeln, der die eigenen beruflichen Bedürfnisse adressiert (Antoniou & Kyriakides, 2011).

      Das Gestalten von Weiterbildungen, die im Rahmen einer Bildungsreform verordnetes kollektives Lernen ermöglichen, die heterogenen Kompetenzen von Lehrpersonen berücksichtigen und mittels individueller Handlungspläne eine Entwicklung des Fachunterrichts unterstützen, ist für die Dozierenden eine anforderungsreiche Aufgabe.

      6 Dozierendenkompetenz

      6.1 Didaktische und kommunikative Herausforderungen

      Für die Gestaltung des Angebots einer Lerngelegenheit sind Dozierende sowie Weiterbildnerinnen und Weiterbildner, insbesondere auf der mikrodidaktischen Ebene, mitverantwortlich: Sie strukturieren die Lernerfahrung nicht nur durch die didaktischen Entscheidungen bezüglich Zielen, Methoden, Inhalten und Medien, sondern auch durch die Kommunikation mit den Lehrpersonen.

      Zwar ist es relativ einfach, einen Austausch über Ideen und Material verbunden mit dem Unterricht zu initiieren. Borko (2004) stellt aber fest, dass Diskussionen, die die kritische Überprüfung des Unterrichts unterstützen, relativ selten sind. Weiterbildner und Weiterbildnerinnen müssten deshalb die Lehrpersonen unterstützen, Vertrauen zwischen ihnen sowie zur dozierenden Person aufzubauen und Kommunikationsnormen zu entwickeln, die einen kritischen Dialog ermöglichen. Zudem müssten sie die Balance zwischen Respekt gegenüber den einzelnen Gruppenmitgliedern und ihrer Unterrichtsgestaltung sowie dem kritischen Analysieren von Aspekten ihres Unterrichts halten (ebd., S. 7). Das Ermöglichen eines kritischen Dialogs ist ein zentraler Faktor für die Effektivität der Zusammenarbeit und hängt auch direkt mit den Beziehungen der Lehrpersonen untereinander zusammen (Zembylas & Barker, 2007). Das verweist auch auf eine zusätzliche Herausforderung für die angebotsseitige Gestaltung schulinterner Lerngelegenheiten: Ihre Nutzung hängt nicht nur von der einzelnen Lehrperson ab, sondern auch von den an einer Schule vorherrschenden Realitäten und den bisherigen gemeinsamen Lernerfahrungen. Diese auch zwischen den Zeilen wahrzunehmen, die Dynamiken und das Klima in der Schule beiläufig zu analysieren, mit den unterschiedlichen Reaktionen auf die Reformnachricht umzugehen, allenfalls mit Einzelnen oder der Gruppe Aufträge, Ziele oder sogar die Sinnhaftigkeit der Weiterbildungsmassnahme zu verhandeln, dabei das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und trotzdem die Lehrpersonen ihren Weg gehen zu lassen, sind idealtypische Anforderungen an die Dozierenden in der Lehrerinnen- und Lehrerweiterbildung. Das erfordert von ihnen, mit Perrenoud (1996), sicherlich Tugenden wie Geduld, Toleranz und Empathie, aber auch eine Analysekompetenz, die zum Beispiel davon ausgeht, dass Widerstände selten irrational sind und ihre psychosozialen oder unterrichtsbezogenen Hintergründe herauszuarbeiten weiss. Kenntnisse der Lernspezifitäten Erwachsener (vgl. z.B. Schellhammer, 2017, S. 21–22) wie auch ein vertieftes fachdidaktisches Wissen dürften zur Genauigkeit der Einschätzung der jeweiligen Situation und dem didaktischen Handeln beitragen.

      Im Rahmen eines zeitlich befristeten, auftragsgemäss auf die Einführung eines neuen Lehrplans ausgerichteten Angebots sind der Bearbeitung von Widerständen, insbesondere was die psychosoziale Seite der Gruppendynamik anbelangt, jedoch auch Grenzen gesetzt. Aspekte der Schulkultur, die für die Gruppendynamik und für die Kooperation bedeutsam sind, wie etwa kollektives Vertrauen oder die kollektive Überzeugung eines Kollegiums, anstehende Herausforderungen zu bewältigen, bilden sich in längerfristigen Prozessen aus und hängen mit dem Verhalten der Schulleitung zusammen (Tschannen-Moran, 2014a; Tschannen-Moran & Gareis, 2015). Eine kurze Intervention vermag keine fundamentalen Veränderungen auszulösen. Hingegen können gemeinsame Unterrichtserfahrungen, das Offenlegen von individuellen Erfahrungen und die gemeinsame Reflexion von Unterricht das Vertrauen in Kolleginnen und Kollegen verbessern (Ford, 2014; Tschannen-Moran, 2014b).

      6.2 Reflexionen unterstützen und moderieren

      Die Moderation ist von zentraler Bedeutung, damit das Sprechen über Unterricht nicht beim Austausch von Schlagworten an der Oberfläche bleibt. Sie trägt dazu bei, dass eine vertiefte Analyse und eine kritische Reflexion geschehen kann und damit eine professionelle Diskussion auf Basis eines professionellen Vokabulars entsteht. Inhaltlich müssen die «richtigen» Fragen gestellt werden, damit die Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler fokussiert werden und die Diskussion nicht beim Handeln der Lehrperson stehen bleibt, denn das bedeutet, dass die Wirkungen dieses Handelns lediglich hypothetisch bleiben. Dem entgegen steht, dass die praktisch dominierende Sorge von Lehrpersonen häufig weniger die Lernerfahrung einzelner Schülerinnen und Schüler ist, sondern, über alles gesehen, eher der «instructional flow» der Lektion, der geordnete Ablauf von Aufträgen interessiert (Hargreaves, 2000). Das deutet auf eine didaktische Herausforderung für die Dozierenden hin, diese für Lehrpersonen häufig im Vordergrund stehenden Fragen nach Aufgaben, Lehrmittel und der Klassenführung aufzunehmen und mit einem Perspektivenwechsel in Verbindung mit den Lernprozessen der Schülerinnen und Schüler zu bringen.

      Damit das Sprechen über Unterricht nicht abstrakt bleibt, helfen Artefakte aus dem Unterricht, die ihn repräsentieren, um so möglichst nahe an der «Gestaltwahrnehmung» (Korthagen, 2001) der eigenen Erfahrung und den Lernprozessen der Schülerinnen und Schülern zu bleiben (siehe Kapitel 7). Bei der Reflexion über Unterricht sind grundsätzlich zwei Bewegungen denkbar:

      1 Abstrahieren: Dozierende unterstützen die Lehrpersonen, die konkrete Erfahrung zu verdichten und zu verallgemeinern СКАЧАТЬ