Название: Zensur im Dienst des Priesterbildes
Автор: Jessica Scheiper
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Forschungen zur Kirchenrechtswissenschaft
isbn: 9783429064198
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„bei denen infolge ihrer geringen Fortschritte im Studium jede Hoffnung ausgeschlossen ist, daß sie sich die für einen Priester nötige Wissenschaft aneignen. Endlich sollen besonders jene unverzüglich entlassen werden, die [gemäß can. 1370 CIC/1917; J. S.] ein Vergehen gegen die guten Sitten oder gegen den Glauben begangen haben“303.
2.1.2.2.2 Gehorsam als Berufungsbeweis
Weil die Normen des CIC/1917 viele tridentinische Bestimmungen wiedergaben, erfuhren auch die meisten Statuten durch das erste universalkirchliche Gesetzbuch zunächst keine wesentlichen Veränderungen. Unverändert gab es in den Seminaren „genaue Ordnung[en] […], die bis ins letzte hinein alle geistigen, geistlichen, aszetischen und wissenschaftlichen Vollzüge regelte[n].“304 Man orientierte sich noch immer an der Konzeption der Jesuiten für das Collegium Germanicum et Hungaricum in Rom:
„Die Studenten waren von 6 Uhr morgens bis zur Komplet um 21 Uhr abends einer straffen geistlichen Disziplin unterworfen, beginnend mit Laudes, Meditation und Eucharistiefeier am Morgen. In der Seminarkirche hatte man einen festen Platz, so dass Abwesenheit auffiel. Die Vormittags- und Nachmittagsstunden galten den Vorlesungen und Übungen. Freizeit gab es mittags und abends für etwa eine Stunde nach den Mahlzeiten. Im Übrigen herrschte im Hause ‚Studiensilentium‘ bzw. ab 21 Uhr abends ‚Silentium religiosum‘, während dessen Zimmerbesuche und alle Formen der Unterhaltung verboten waren. Besuche zu Hause waren nur an wenigen Tagen vorgesehen: an 2. Feiertagen, Wahltagen u. ä. Da niemand einen Hausschlüssel besaß, musste man um 21 Uhr im Hause sein“305.
Exemplarisch sei auf die Passauer Statuten von 1924 verwiesen: Zwischen der Aufnahme in das Seminar (§§ 2–3) und dem Austritt bzw. der Entlassung aus dem Seminar (§§ 49–50) war alles geregelt: von der religiös-sittlichen Ausbildung der Alumnen (§§ 4–8), über ihre wissenschaftliche Ausbildung (§§ 9–19), die Hausordnung (§§ 20–23), die Kleiderordnung (§§ 24–27), das Hauspersonal (§ 28), die Unterkunft und die Verpflegung (§§ 29–32), Ausgänge, Besuche, Unterhaltungen, Erholung und Ferien (§§ 33–42) bis hin zur Seminarvorstandschaft (§§ 49–50).306 Dabei ging es nicht um interpretationsoffene Rahmenrichtlinien, sondern um detaillierte und genaueste Anweisungen.
Vom Seminareintritt bis zum Tag der Priesterweihe sollte so alles geregelt und vorgegeben sein.307 Bindende Normen seien nicht nur berechtigt, sondern auch notwendig, wurde behauptet, wolle man nicht einem schrankenlosen und verhängnisvollen Subjektivismus Tür und Tor öffnen.308 Seminaristen keine Regeln vorzugeben, betrachteten die Verantwortlichen in der Erziehung als Erschwernis bzw. als Benachteiligung:
„Die jungen Studenten noch im Prozess der Ausbildung zu bitten, ihre vielen Pflichten ohne die Hilfe einer vollen und detaillierten Regel auszuführen, ihnen die Vorteile wohl geordneter Zucht und Ordnung zu verweigern, würde bedeuten, sie als Beute der Verunsicherung zu überlassen und sie der Atmosphäre zu berauben, die für ihre eigenen Bemühungen höchst hilfreich wären.“309
Das Bild der völligen Lenkungsbedürftigkeit der Seminaristen erhielt sich damit auch unter dem CIC/1917.310 Regelungen wurden detailliert ausformuliert, um nur wenig persönlichen Aus- und Abweichspielraum zu lassen.311 Das Erziehungsziel der Heiligkeit sollte durch bestimmte Erziehungsmethoden vermeintlich gewährleistet werden - durch Zucht, Ordnung und Gehorsam.312 Diese Trias widersprach per se individueller Selbstbestimmung. Für Papst Pius XI. wurde in „erprobte[r] Reinheit des Lebens, Unterwürfigkeit und Lenksamkeit“313 eine religiös-sittliche Eignung für den Priesterberuf offenbar. Kirchlicherseits sah man die Seminaristen als lenkungsbedürftig, weshalb sie auch lenkungsgewillt sein und sich im Gehorsam unterwerfen sollten.314 Man glaubte, die Seminaristen mit Hilfe dieses „Konditionierungsprozesses“315 am besten auf die unverfälschte Weitergabe des überlieferten Vermächtnisses des Herrn vorzubereiten.316 Hinzu kam der Eindruck von Priestererziehern, „dass die Einstellung der Außenwelt zu den Idealen der Keuschheit und Ehelosigkeit immer feindseliger wurde.“317 Dies führte unweigerlich zu einer Verschärfung der Disziplin.
Die wiederholte Übung des Gehorsams sollte der rechten Einhaltung der Ordnung dienen. Der Gehorsam galt als „Inbegriff kirchlicher Gesinnung und damit als ein Wesensfaktor priesterlicher Spiritualität.“318 Zur permanenten Einübung der Seminaristen in den Gehorsam stellte die Seminarleitung durchaus auch „Gehorsamsanforderungen allein um des Gehorsams willen“319 ab. Denn die Kandidaten mussten „ja lernen, eigene Wünsche zurückzustellen und sich in das hierarchische Gefüge der Kirche einzuordnen.“320 Zu diesem Zweck wurde zusätzlich eine gezielte Abschottung der Seminaristen von der Außenwelt gefördert. Diese Abschottung sollte die „[a]usschließliche Fixierung auf die klerikale Hierarchie und Gehorsam gegenüber dieser“321 abstützen. Den inhaltlichen Schwerpunkt des kodikarischen Ausbildungskonzepts bildete unverkennbar die kirchliche Doktrin. „Nicht ohne Grund wurde der Abschnitt, der von den Seminarien handelt, ja auch unter dem Titel De magisterio ecclesiastico eingereiht.“322
Die so normierte Seminarausbildung zielte mittels eines „prinzipiellen Erziehungsuniformismus und einer Schablonisierung“323 auf eine Homogenisierung des Klerus. Mit der Forderung nach Unterwürfigkeit sollten „stolze, verbohrte, eigenwillige, selbstherrliche Geister, denen Kritik, Widerspruch und Widerstand im Blute zu liegen scheinen, vom Priestertum ferngehalten werden.“324 Ob eine solche Eigenschaft bei einem Seminaristen vorlag, beurteilte allein die zuständige kirchliche Autorität. Die hierarchische Struktur ließ ein Mitspracherecht des Kandidaten nicht zu, er hatte eine solche Beurteilung im Gehorsam anzunehmen.325 Und am Gehorsam, so argumentierte man, sei ein „entscheidendes Kriterium der Berufung“326 zu erkennen. Es entstand der Eindruck, bei den Anforderungen an die Kandidaten käme es letztlich nur auf den Gehorsam an: „Ein Seminarist kann vergleichsweise unfähig, desinteressiert oder gleichgültig sein, aber wenn er sich anpasst, biegsam, heuchlerisch und überfromm ist, wird er von den Seminarautoritäten als geeignet für die Weihe betrachtet werden.“327
Kritiker sahen mit diesen Normen die Vielfalt und die Variabilität bei den Seminargründungen im Geiste des Tridentinums „durch Uniformität und […] Unbeweglichkeit ersetzt.“328 Die Tendenz zur Abgrenzung der Kandidaten von der Welt und negativen Einflüssen hatte mit dem CIC/1917 noch einmal zugenommen, weil der Besuch des Seminars nun universalkirchlich verpflichtend war.329 Es bestand damit eine „Monopolisierung des Weges: Priesterausbildung nur durch Seminarerziehung“330. Der in den einzelnen Canones durchaus vorhandene Raum für eine flexible Ausgestaltung wurde von den Bischöfen nicht spürbar genutzt.331
Stattdessen war es Papst Pius XII., der sich 1950 für einen weltoffeneren Erziehungsstil einsetzte.332 Ihm war daran gelegen, dass das Leben eines Jungen im Seminar „mit dem gewöhnlichen Leben aller Knaben soweit wie möglich in Übereinstimmung gebracht wird.“333 Außerdem wies er deutlich darauf СКАЧАТЬ