Zensur im Dienst des Priesterbildes. Jessica Scheiper
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СКАЧАТЬ Grundlagen begann er seine Untersuchung? Was machte im amtlichen Verständnis das Wesen des Priestertums, des Priesters aus? Wie musste er persönlich-charakterlich sein, um seinem Wesensideal zu entsprechen? Konnte man solche erforderlichen Lebens-, Denk- und Verhaltensweisen im Rahmen der Seminarzeit anerziehen? Und wie? Mit welchen Methoden und Erziehungsmaßnahmen wurden Seminaristen in der Ausbildung auf ihr späteres Leben als Priester vorbereitet?

      Priesterbild und Priesterbildung waren seit jeher eng miteinander verknüpft und bedingten sich. Gab es Veränderungen im Priesterbild, machte sich das entsprechend in der Priesterausbildung bemerkbar. Gab es wiederum Defizite in der Priesterausbildung, konnte das Ideal des Priesterbilds nicht oder nur schwer erreicht werden. Der Begriff Priesterbild ist jedoch mehrschichtig. Er umfasst sowohl eine Wesens- und Funktionsbeschreibung als auch ein geistlich-aszetisches Ideal, das seit jeher dem Wandel unterliegt. Dem Konzil von Trient (1545–1563) war es zunächst ein Anliegen, dogmatisch die Existenz des Weihepriestertums zu verteidigen und zu sichern.150 Denn die Reformatoren hatten nicht nur die Rechtmäßigkeit eines eigenen klerikalen Standes, sondern auch die des Weihepriestertums verworfen.151 Die Reformatoren lehnten dessen klerikal-juridische Fixierung ab und beharrten auf dem gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen, in dessen Rahmen sie den Dienst an Wort und Sakrament nur als eine Funktion betrachteten.152 Von katholischer Seite wurde daher vorrangig die Sakramentalität der Weihe bekräftigt. Das Konzil definierte in antireformatorischer Verteidigung die ontologischen Unterschiede zwischen Kleriker und Laien.153 Die Weihe bewirkt demnach eine Veränderung im ontologischen Sinne, eine Seinsprägung, einen „unverlierbare[n] ‚Charakter‘“154. Und dieser Weihecharakter „macht aus dem Priester einen zweiten Christus (alter Christus).“155 Dem Wesen nach war ein Kandidat nach der Weihe damit anders. Diese „Zwei-Stände-Gliederung in (übergeordnete) Kleriker und (untergeordnete) Laien“156 war ausgerichtet auf den Kult und insbesondere die Sakramentenspendung.157 Denn an die ontologische Andersartigkeit waren die übernatürlichen Vollmachten gebunden. Es war die Auffassung, der Heilsauftrag der Kirche komme ausschließlich dem Priester zu, der „durch das Sakrament der Priesterweihe mit besonderen, übermenschlichen Befähigungen und Vollmachten“158 ausgestattet sei. Diese Vollmachten befähigten den Priester zum Verwalten und Ausspenden der Sakramente (vgl. 1 Kor 4,1). Durch die Weihe werde er zur eucharistischen Konsekration und damit unmittelbar zur Opferdarbringung befähigt. Der Funktion nach spende und vermittle er die Gnadengüter.159 In diesem Sinn wurde von katholischer Seite ein vor allem gegenreformatorisch bestimmtes Leitbild des Priesters und des Bischofs entwickelt, „das aus der Heiligen Schrift und den Kirchenvätern geschöpft wird, seinen konkreten Inhalt aber aus der seelsorglichen Not der kirchlichen Gegenwart erhält: das Ideal des Guten Hirten.“160 Das Konzil präzisierte das Ziel der Seminarerziehung aber nicht, indem es etwa positiv ein detailliertes geistlich-aszetisches Leitbild des Priesters vorgegeben hätte. Vielmehr begnügte es sich mit einer Abgrenzung der katholischen Lehre über das Priestertum gegen die protestantische Lehre.161

      Der Umgang mit den Seminaristen orientierte sich deshalb zunächst auch nur an diesen Lehren: „Der Betonung des ‚sichtbaren‘ und ‚hierarchischen‘ Priestertums entspricht die Heraushebung der Kandidaten aus ihrer normalen Umgebung (Tonsur, Erziehung im Kolleg). Aus der Sakramentalität der Weihe ergibt sich die Erziehung zu einem religiösen und frommen Dasein“162. Das Konzil von Trient beabsichtigte, durch Reformgesetze jene Missstände zu beheben, die einer solchen Heraushebung entgegenstanden.163 Helfen sollte dabei die Hirten-Metapher.

      Aus der besonderen ontologischen Qualifizierung des Priesters als Verwalter und Ausspender der Sakramente folgten besondere Anforderungen an seine Lebensführung164 und zwangsläufig entwickelten sich geistlich-aszetische Ansprüche, die „übermenschlich“ anmuteten.165 Priester sollten immerzu nach Vollkommenheit streben und ein Standesbewusstsein fördern.166 Durch ihr Beispiel sollten sie so auch als ein „Instrument der Rekatholisierung“167 fungieren. Dem Vorbild des Priesters kam damit eine besondere Rolle für die Seelsorge zu, indem er durch sein Beispiel die Frömmigkeit des Volkes fördern oder ihr schaden konnte. Die Beschreibung des ontologischen Wesenskerns blieb seitdem konstant und doch gab es nie das fixe und endgültige Priesterbild.168 Aufgrund unterschiedlicher seelsorglicher und gesellschaftlicher Situationen wurden immer wieder unterschiedliche Anforderungen aus demselben Wesensverständnis abgeleitet. Immer wieder äußerten sich die Päpste zum Bild des Priesters, wenn auch aus verschiedenen Anlässen oder mit unterschiedlichen Akzenten.169 Es gab „verschiedene Züge und Schattierungen am Priesterbild, die einzeln betrachtet werden können“170, die aber schließlich aufeinander aufbauten, sich ergänzten und/ oder aufeinander verwiesen.

      Im 16. Jahrhundert war es z. B. aufgrund der Reformation dringend nötig, das Realbild des Priesters zu heben. Im 18. Jahrhundert wurde stattdessen das Bild des aufgeklärten Priesters zum Ideal. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war es Johann Michael Sailer, der einer bibeltheologisch und ekklesiologisch ausgerichteten Priesterbildung und der Pastoraltheologie zu einem neuen Stellenwert verhalf,171 obwohl das „dynamische, lebensbezogene Priesterbild Sailers […] bald verflacht [wurde] zu einem kirchenamtlich überbetonten, uniformen aszetisch-strengen Erziehungs- und Tätigkeits-Leitbild.“172 Dies war der theologisch-kirchlichen restaurativen Tendenz im 19. Jahrhundert geschuldet. Vor allem seit dem Ersten Vatikanischen Konzil war das Priesterbild von „einer straffen Einheitlichkeit und Geschlossenheit, vor allem auch im Lebensstil und Erscheinungsbild bestimmt“173. Das Ziel war ein homogener Klerus.

      Für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts lässt sich zunächst die Heiligkeit des Priesterstandes bzw. die Selbstheiligung der Priester als Herzensangelegenheit der Päpste ausmachen. Die Selbstheiligung sollte das priesterliche Streben nach Heiligkeit sein, wenngleich sie manchmal mit einer „anthropozentrische[n] Selbstvervollkommnungsethik“174 verwechselt wurde. Tatsächlich bedeute Selbstheiligung immer „das Eingehen des Menschen auf das heiligende Tun Gottes, als bewußte Hinordnung des gesamten Lebens auf die Anbetung des Allheiligen.“175 Grundsätzlich habe sich der Mensch seiner Sündhaftigkeit vor Gott bewusst zu sein176 und deshalb stets nach Vollkommenheit streben.177

      In einem Mahnwort von 1908 bestätigte Papst Pius X. die besondere Wichtigkeit der Vorbildfunktion des Priesters.178 Das Verhalten des Priesters und auch seine Lebensführung könnten folgenschwere Auswirkungen auf das Leben der Gläubigen haben. Der Priester sei das Licht der Welt und das Salz der Erde.179 Er verwies auf die Lehre, nach der zwischen einem Priester und einem gewöhnlichen rechtschaffenen Menschen ein Unterschied wie zwischen Himmel und Erde bestehe.180 Der Klerus müsse sich „heute mehr denn je […] durch ungewöhnliche Tugend auszeichnen, die schlechthin vorbildlich, tatkräftig und regsam ist, und schließlich restlos bereit, für Christus Heldenhaftes zu leisten und zu erdulden.“181 Schließlich mache der Glanz der Keuschheit den Priester den Engeln ähnlich, sichere ihm die Hochachtung der Gläubigen und verleihe auch seinem Wirken eine übernatürliche Segenskraft.182

      Papst Pius XI. betonte in seiner Priesterenzyklika Ad catholici sacerdotii 1935, der Priester nehme die Mittlerrolle zwischen Mensch und Gott ein. Als „ein zweiter Christus“183 müsse der Priester möglichst nahe an die Vollkommenheit Christi kommen und sich durch die Heiligkeit seines Lebens und seines Wirkens Gott immer wohlgefälliger machen.184 Vor allem der Gehorsam war ihm ein besonderes Anliegen.185 Neben Frömmigkeit und Keuschheit sei aber auch die Kenntnis der katholischen Glaubens- und Sittenlehre zu erwarten. Zum einen müsse er sie vortragen können, zum anderen müsse er in der Lage sein, über Dogmen, Gesetze und den Kult, deren Diener er sei, Rede und Antwort zu stehen.186

      Papst Pius XII. bekräftigte 1939 in einer Ansprache an junge Kleriker „das Programm des katholischen Priestertums“ als „übernatürliche Sonne[,] […] die mit der Wahrheit Christi den Geist der СКАЧАТЬ