Zensur im Dienst des Priesterbildes. Jessica Scheiper
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СКАЧАТЬ in Deutschland führen. Diese Gefahr sei nur durch die Wiederbelebung des echten Tridentinischen Seminars auf der Grundlage einer scholastisch geprägten Theologie abzuwenden.259 „Die weitere Entwicklung […] der Priesterausbildung im 19. Jahrhundert macht deutlich, wie […] diese restaurative Tendenz zur bestimmenden kirchlichen Haltung wurde. Sie blieb bis in das 20. Jahrhundert gültig“260. Auch das Priesterbild wurde von dieser restaurativen Tendenz beeinflusst. Die Gegner einer Monopolstellung des Tridentinischen Seminars kamen nur schwer gegen diese instrumentelle Verzeichnung der Konziliaraussage an, weil die Protokolle und Akten des Tridentinums lange noch nicht zugänglich waren.261

      Die Zeit von der Säkularisation 1803 bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 war maßgeblich von diesem Streit um die Ausrichtung der Priesterausbildung geprägt. Sie war „gekennzeichnet durch eine Reihe teils mit großer Schärfe und heftiger Polemik geführter Auseinandersetzungen zwischen diesen beiden Typen der Priesterausbildung. Tridentinisches Seminar oder staatliche Hochschulfakultät – nicht nur die Titel einer ganzen Reihe von Streitschriften und Aufsätzen jener Zeit lauten so.“262 Im deutschsprachigen Raum setzte sich der Typus der universitären Priesterausbildung durch. Im Seminar erhielten die Seminaristen ihre religiös-geistliche und an der Hochschule oder der theologischen Fakultät ihre wissenschaftliche Ausbildung.263

      Im Jahr 1915 wurde unter Papst Benedikt XV. die Sacra Congregatio de Seminariis et Studiorum Universitatibus gegründet, die sogenannte Seminarkongregation.264 Anders als ihrer Vorgänger-Kongregation, der Congregatio Studiorum, fiel ihr auch die Überwachung der Priesterseminare zu.265 Zwei Jahre später fanden die tridentinischen Normen über die Priesterbildung mit den cann. 972 u. 1352–1371 in weiterentwickelter Form Eingang in den CIC von 1917.266 Ein Großteil der bisherigen tridentinischen Bestimmungen wurde in das neue Gesetzbuch übernommen.267 Auf diese Weise sollte die angestrebte Vereinheitlichung in der Ausbildung der künftigen Priester erreicht und gesichert werden.268

      Can. 972 CIC/1917 machte die Klerikerausbildung in einem Seminar zur Pflicht.269 Darin wurde mitunter ein „Schlußstein“270 der Entwicklung des tridentinischen Seminardekrets gesehen. Denn „aus dem vom Tridentinum als Freiseminar gedachten Institut“ war ein „Pflichtseminar geworden, welches nun der Kodex allgemeinrechtlich festgelegt hat.“271 Unter De Seminariis war im CIC/1917 in den cann. 1352–1372 der maßgebliche äußere und organisatorische Rahmen der Priesterausbildung geregelt. Can. 1352 CIC/1917 hielt zunächst als vorrangigen Grundsatz272 fest, bei diesen Normen handele es sich um „ein der Kirche eigenes und ausschließliches Recht“273. Verbunden war dies mit der allgemeinen Aufforderung an Priester und Pfarrer, sie mögen sich vielversprechender, begabter Knaben annehmen (can. 1353 CIC/1917). Darauf folgten die Normen, die den Kern der Seminarausbildung ausmachten – an erster Stelle stand can. 1354 CIC/1917, der für jede Diözese ein Seminar bestimmte.274

      Im Idealfall sollte jede Diözese über ein sogenanntes kleines und ein großes Seminar verfügen.275 Im „kleinen“ Seminar sollten Jungen eine humanistische Ausbildung erhalten, d. h. Religionsunterricht, Sprachkenntnisse und Allgemeinbildung (can. 1364 nn. 1–3 CIC/1917). Im „großen“ Seminar sollten die angehenden Priester Philosophie und Theologie studieren (can. 1354 § 2 CIC/1917).276 Can. 1365 CIC/1917 spezifizierte diese Norm: Zwei Jahre Philosophiestudium sowie die „damit verwandten wissenschaftlichen Disziplinen“277 (can. 1365 § 1 CIC/1917). Im Anschluss sollten, so gab es § 2 vor, vier Jahre des Theologiestudiums folgen, hierunter hauptsächlich Moraltheologie und Dogmatik, außerdem aber „das Studium der Hl. Schrift, der Kirchengeschichte, des kanonischen Rechtes, der Liturgie, der geistlichen Beredsamkeit und des Kirchengesanges“278. Zuletzt waren noch Vorlesungen der Pastoraltheologie und praktische Übungen in „Katechese, Beichthören, Krankenbesuch und Beistand für die Sterbenden“279 vorgesehen (can. 1365 § 3 CIC/1917).

      Neben der wissenschaftlichen Ausbildung regelte der CIC die aszetische Ausbildung der Seminaristen anhand von fünf Vorgaben, für deren Einhaltung die Bischöfe Sorge zu tragen hatten:

      1. Tägliches Morgen- und Abendgebet; außerdem sollten die Seminaristen täglich Zeit für das betrachtende Gebet aufbringen „und dem hl. Meßopfer beiwohnen“280;

      2. mindestens wöchentliche Beichte und häufige, andächtige Kommunion;

      3. Mitfeiern des Hochamtes und der Vesper an Sonn- und Feiertagen und Altardienst verrichten;

      4. zusammenhängende Tage geistlicher Übungen jährlich;

      5. wöchentliche Belehrung in geistlichen Dingen, „die mit einer frommen Aufmunterung geschlossen wird“281 (can. 1367 nn. 1–5 CIC/1917).

      Gemäß can. 1357 § 1 CIC/1917 sollte der Bischof die nötigen Bestimmungen für die Verwaltung, Leitung und Entwicklung des Seminars erlassen.282 Diese Statuten sollten nicht nur Verfassung und Leitung des Seminars organisieren, sondern hatten auch eine steuernde Funktion für die Seminarerziehung, die so in eine konkrete Form gebracht wurde.283 Der Steuerung diente auch die Überwachung der Einhaltung der Statuten durch den Bischof. Paragraph 2 trug ihm erneut regelmäßige Visitationen auf, um auch „die wissenschaftliche und kirchentreue Erziehung der Seminaristen sorgfältig [zu] überwachen.“284 Besonders im Hinblick auf anstehende Weihen sollte er sich ein Bild von der Persönlichkeit, der Frömmigkeit und der Entwicklung jedes einzelnen Seminaristen machen können.285 Zudem war es seine Aufgabe, die Statuten286 eines jeden Seminars zu approbieren (can. 1357 § 3 CIC/1917). „In diesen Statuten müssen die Pflichten und Obliegenheiten auseinandergesetzt werden, die sowohl die Seminaristen wie auch diejenigen haben, deren Sorge sie anvertraut sind.“287

      Im Alltag war es vor allem der Regens, der die Funktion eines „Aufsichtsorgans“288 zur Kontrolle der Seminaristen inne hatte, und über Ordnung und Disziplin wachte. Er hatte primär für die Einhaltung der Statuten und Studienordnung zu sorgen (can. 1369 § 1 CIC/1917). Can. 1369 § 2 CIC/1917 ergänzte, er solle den Seminaristen auch öfter Unterweisungen geben über die Regeln der wahren, christlichen Höflichkeit. „Außerdem sollen die Seminarvorstände die Seminaristen anhalten zur Beobachtung der hygienischen Vorschriften, zur Sauberkeit des Körpers und der Kleidung, sowie zu einer gewissen Liebenswürdigkeit im Verkehr, die mit Bescheidenheit und Ernst gepaart ist.“289 Unterstützung sollte er dabei mindestens vom Lehrpersonal, dem Ökonom, zwei Beichtvätern und dem Spiritual erhalten (can. 1358 CIC/1917).290 Doch hatten alle Personen im Seminarbetrieb – zumindest im Rahmen ihrer Ämterausübung – letztlich dem Regens zu gehorchen (cann. 1360 § 2 u. 1369 § 1 CIC/1917). Die praktische Umsetzung der Statuten war so sehr stark abhängig von der Persönlichkeit des einzelnen Regens und dessen Menschenbild.291 War sein Menschenbild negativer, fiel die Erziehung entsprechend strenger aus. Denn je weiter entfernt das zu erreichende Ziel lag, desto disziplinierter musste der Weg zum Ziel beschritten werden. Die Erziehung der Seminaristen war deshalb nur in Nuancen unterschiedlich:

      „Dabei wird deutlich, daß trotz aller regionalen Abschattierungen die Entwicklung des Priesternachwuchses in allen Regionen trotz unterschiedlicher Rahmenbedingungen zumindest seit dem 19. Jahrhundert den gleichen übergreifenden Tendenzen folgte und daß nicht örtliche Faktoren, also einzelne Ausbildungsstätten und nicht einzelne Priestererzieher, sondern daß die ‚Großwetterlage‘ für die Entwicklung des Priesternachwuchses maßgebend war.“292

      Über die Aufnahme ins Seminar entschied der Bischof (can. 1363 CIC/19 1 7).293 Zur Aufnahme eines Seminaristen forderte der CIC die nachgewiesene eheliche Abstammung des Seminaristen (Abstammungszeugnis)294 sowie ein Tauf-, Firmungs- und Sittenzeugnis СКАЧАТЬ