Zensur im Dienst des Priesterbildes. Jessica Scheiper
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СКАЧАТЬ 1950 – und damit hochaktuell für Crottogini – sah Papst Pius XII. nach dem Krieg infolge der materiellen Not, der Verwirrung der Geister und der daraus folgenden Abwendung von Christus die Notwendigkeit zu einem Mahnwort über die Heiligkeit des Priesterlebens.188 U. a. empfahl er den Priestern die Selbstverleugnung zur Einübung der Demut, das Gebet, die regelmäßige Beichte, die Verehrung der Gottesmutter und Exerzitien.189 Ausdrucksformen solcher Selbstverleugnung seien Gehorsam, Zölibat und Armut.190 Von besonderer Bedeutung für diese persönliche Heiligung sei der Zölibat, waren sich die Päpste einig. Papst Pius X. bezeichnete die Keuschheit etwa als eine „auserlesene Zierde unseres Standes“191. Und Papst Pius XII. fügte 1950 in dem Mahnwort Menti nostrae hinzu, „[j]e heller die priesterliche Keuschheit erstrahlt, desto mehr wird der Priester mit Christus zusammen ‚ein reines, ein heiliges, ein makelloses Opfer‘.“192 Er sprach zudem von Tugenden, „durch die der Priester das göttliche Beispiel Jesu Christi, so sehr es in seinen Kräften steht, in sich verkörpern soll“193. In der Enzyklika Sacra Virginitas betonte Papst Pius XII. 1954 noch einmal den ganz besonderen Wert der Jungfräulichkeit und Keuschheit und dass der junge Klerus zur Vollkommenheit des Priesters zu erziehen sei.194

      Diesen Idealen war die Priesterbildung verpflichtet. Als Ziel jeder Seminarerziehung waren diese priesterlichen Pflichten damit schon im Seminar präsent.195 Alles in der Seminarerziehung sollte darauf ausgerichtet sein, das Erziehungsziel – die Selbstheiligung – zu erreichen. Das begann bereits mit der Auswahl der Priesterkandidaten. Schon der künftige Seminarist musste eine religiös-sittliche Eignung vorweisen. Konkret bedeutete das „gediegene Frömmigkeit, erprobte Reinheit des Lebens, Unterwürfigkeit und Lenksamkeit, Liebe zur Arbeit, Seeleneifer und endlich Anspruchslosigkeit.“196 Interessenten, bei denen kein Grund zur Annahme bestand, dass sie dem gerecht werden könnten, sollten schon frühzeitig abgewiesen bzw. aus dem Seminar entlassen werden.

      Das Erziehungsziel zu erreichen, war dennoch auch von einem Erziehungsweg bestimmt. Wie sah dieser Weg positiv-praktisch aus? Wie und mit welchen Mitteln sollten die vorgegebenen Ziele und Ideale erreicht werden? Auf welche Eigenschaften und Verhaltensweisen wurde bei Seminaristen besonders geachtet? Wie wurden Werte vermittelt, die die Seminaristen zu heiligen Priestern machen sollten? Wie sollten Seminaristen lernen, tugendhaft zu sein?197

      In Grundlagen und -zügen ging die Priesterausbildung auch noch im 20. Jahrhundert auf das Konzil von Trient zurück. Auch und gerade die vorkonziliaren198 Priesterseminare, die Crottogini im Rahmen seines Promotionsprojekts untersuchte, wurzelten im sogenannten Tridentinischen Seminar.199 Die strikten Vorgaben, die die Seminarausbildung während Crottoginis eigener Seminarzeit und auch während seiner Arbeiten ausmachten, waren das Ergebnis von Entwicklungen des Seminargedankens über mehrere Jahrhunderte hindurch.200 Um die Eigenart der Seminaridee – auch mit möglichen Defiziten Mitte des 20. Jahrhunderts – verstehen zu können, ist deshalb ein Blick auf ihren Ursprung und ihre Entwicklung unerlässlich.201

      Die Ausbildung und die Erziehung der angehenden Priester waren für das Tridentinische Konzil ein zentrales kirchliches Anliegen geworden, weil man auch die mangelnde Bildung des Klerus für die Glaubensspaltung verantwortlich machte.

      „Der Typ des unwissenden, geistlich kaum gebildeten, aszetisch unterentwickelten, von zeitlichen Sorgen geplagten […] Klerikers […] war in weitem Ausmaß an jener religiösen Unwissenheit und Unentschiedenheit […] des Volkes […] mitschuldig, die das fast unbewußte Hinüberschlittern der Masse […] in die Kirche der Reformation zur Folge hatte.“202

      Vor dem Tridentinum hatte, wer das Sakrament der Weihe empfangen wollte, lediglich an den Quatembertagen203, bestimmte durch Fasten gekennzeichnete Wochentage, vor der bischöflichen Kommission der jeweiligen Diözese eine Prüfung abzulegen.204 Diese Prüfung beschränkte sich meist auf die nötigsten Lateinkenntnisse, um die Messe lesen und die Sakramente spenden zu können.205 Nachzuweisen waren die technischen Voraussetzungen für den korrekten Vollzug der Liturgie, wie z. B. die Gesangs- und Predigtfähigkeit. „Das Zurechtfinden im Missale und Brevier mit Hilfe des Kalenders war ebenfalls Voraussetzung. Diese Kenntnisse hatten sich die Kandidaten in der Grammatikschule oder durch die Teilnahme am täglichen seelsorgerlichen Wirken eines Pfarrers erworben.“206 Exklusive Einrichtungen für die Ausbildung zukünftiger Priester waren noch nicht vorgesehen.207 Die Praxis, es den angehenden Priestern selbst zu überlassen, sich die liturgischen und praktischen Kenntnisse für die Weihe anzueignen, hatte jedoch zwei bedeutende Nachteile.208 Zum einen lag ein Mangel an Priestern oft darin begründet, dass den Priesteranwärtern die finanziellen Voraussetzungen für den Erwerb der nötigen Bildung fehlten.209 Zum anderen wurden Männer zu Priestern geweiht, die schließlich für die Aufgaben des Seelsorgers nicht (aus-)gebildet genug waren. Hier setzte das Konzil von Trient an.

      Auf seiner 23. Sitzung befasste es sich mit dem Sakrament der Priesterweihe. Das in diesem Rahmen erarbeitete und verabschiedete Seminardekret Cum adolescentium aetas war das letzte der Dekrete, die den Missbrauch des Weihesakramentes behandelten.210 Mit diesem Seminardekret trug das Konzil jedem Diözesanbischof auf, ein Seminar211 in seiner Diözese zu errichten – daher der Name Tridentinisches Seminar.212 Erstmalig gab es damit Normen auf gesamtkirchlicher Ebene für die Ausbildungsstätten von Priestern. Für schlechter situierte Familien, die das Geld für die Ausbildung des Sohnes nicht aufbringen konnten, war mit dem Dekret die Möglichkeit geschaffen worden, den Sohn in einem Seminar kostenfrei ausbilden und erziehen zu lassen.213 Beim Tridentinischen Seminar handelte es sich deshalb um eine Ausbildungsmöglichkeit214 für Jungen aus einfachen Verhältnissen ab dem 12. Lebensjahr, die bereits lesen und schreiben konnten und als Priesternachwuchs in Frage kamen.215 Die Jungen sollten dort unter einem Dach gemeinsam ausgebildet werden und unter gleicher Leitung stehen. Das Seminar war so aus der Not geschaffen worden und sollte zunächst allen bedürftigen Kandidaten die Ausbildung sichern. Von einer Verpflichtung der Kandidaten zum Eintritt in das Seminar oder gar einer Monopolisierung des Tridentinischen Seminars war zu diesem Zeitpunkt nicht die Rede.216

      Auch detaillierte inhaltliche Vorgaben enthielt das Seminardekret nicht. Es beschränkte sich auf eine Auflistung der Studienfächer: „Grammatik, Kirchengesang, Heilige Schrift, Führung der Kirchenbücher, Homilien von Heiligen, Einführung in die Sakramentenspendung und ‚andere nützliche Künste‘.“217 Es schloss mit kurzen Ausführungen zur aszetischen Schulung der Kandidaten: täglicher Besuch der hl. Messe, monatliche Beichte, Kommuniongang gemäß dem Urteil des Beichtvaters und Dienst in den Kirchen an Feiertagen. Die Ausbildung war bewusst auf die seelsorgliche Praxis ausgerichtet und auf keine wissenschaftliche Tätigkeit.218 Gegenüber den vergangenen Jahrhunderten war es aber eine Ausbildung „auf einer soliden und […] erstaunlich breiten Grundlage, die weit über das Singen und Lesen als Mindestanforderung hinausgeht.“219 Das Konzil beschränkte sich auf minimale Vorgaben.220 Den Bischöfen kam somit ein großer Spielraum bei der inhaltlichen wie organisatorischen Ausgestaltung der Priestererziehung zu.221 Insgesamt handelte es sich bei dieser Einführung von Seminaren nicht so sehr um „eine pädagogische Schöpfung“ als um „eine organisatorische Tat großen Stiles zur Sicherung des klerikalen Nachwuchses.“222 Das Realbild des Priesters sollte verbessert werden und das Mittel dazu sollte eine breitere Bildung sein.

      Die praktische Erziehung war oft ein Ausdruck des jeweils zeitgenössischen Menschenbilds. „Die Seminare waren […] vor dem Erfahrungshintergrund des Versagens der Jugend und des Klerus im Zeitalter der Reformation entstanden; das zugrundegelegte pessimistische Menschenbild war fast Allgemeingut“223. Spätestens nach der abgeschlossenen Seminarerziehung sollte dieses Menschenbild auf den Priester aber nicht mehr zutreffen. Die Seminare sollten СКАЧАТЬ