Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking
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Читать онлайн книгу Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe - Levin Schücking страница 38

Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe

Автор: Levin Schücking

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075838650

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СКАЧАТЬ Stücklein, auf die er bei solchen Stimmungen, um die Heiterkeit der Gesellschaft zu erhöhen, zurückzukommen liebte, obwohl Herr Gerhards das gar nicht begriff, da er nicht das mindeste Vergnügen daran fand, sie zu hören.

      »Monsieur l'Abbé,« sagte Herr von Kraneck, »meine Frau Gemahlin wird die Gnade haben, uns eine Flasche Glühwein vorsetzen zu lassen; ich denke, es wird uns guttun.«

      »Gott steh' uns bei!« murmelte Herr Gerhards; dann sagte er laut: »Freilich, die Luft ist etwas kalt und feucht geworden, Ew. Gnaden, und ich glaube auch, wir mochten andres Wetter bekommen, denn wenn es am Crispinustag kalt und –«

      »Ja, halten Sie einmal ein, Herr Vikar, was wollt' ich auch noch sagen? – Ja, von der Flasche,« Herr von Kraneck lachte, »wissen Sie noch, wie Sie in die Flasche kriechen wollten?«

      »Oh, Ew. Gnaden, es war ja ein Aprilscherz!«

      »April? Nichts da, es war mitten im März; wollen Sie den Kalender sehen, worin ich's angestrichen habe? Hören Sie, Doktor, wie der Vikar hat in eine Flasche kriechen wollen. Eines Abends – wir wollten uns gerade zu Tische setzen und warteten nur noch auf den Herrn Vikar, da kommt er herein, ist sehr vergnügt und aufgeregt und erzählt, drunten im Dorfe in der Schenke sei einer, der könne ihn in eine Flasche praktizieren! Ei, ich dachte Wunders, was er habe; wir nahmen es für einen Scherz; er blieb aber dabei und wurde nur gegen das Ende der Tafel durch unsre Argumente gegen die Möglichkeit des Umstandes, daß der Hals einer Flasche sich so erweitere, um einen ganzen Vikar durchschlüpfen zu lassen, ein wenig zweifelhaft. Am andern Abend aber kommt er – Herr Vikar waren wieder in der Schenke gewesen – triumphierend heim: Ew. Gnaden, 's ist nun aber ganz gewiß wahr, der Karl Habicht unten in der Schenke hat mich ausgelacht mit meinem Zweifeln und gesagt, er habe schon den Pastor von Werdenohl in eine Flasche gesetzt; und das kann jedes Kind sehen, der ist doch noch viel dicker als ich! – Ei, du meine Güte, hat jemand solchen Glauben in Israel gefunden? Nein, Monsieur l'Abbé, man kann wohl eine Flasche in einen Vikarius praktizieren, aber nimmer einen Vikarius in eine Flasche!«

      Herr von Kraneck lachte laut über sein Stücklein, auch Bernhard mußte lächeln, aber er fand nur, daß dies Beispiel von Leichtgläubigkeit und arglosem Vertrauen einen neuen und ganz harmonischen Zug zu dem rührend kindlichen Charakter des gutmütigen Vikars füge.

      Man hatte das Dorf erreicht, und Bernhard war von dem gnädigen Herrn mit der Einladung, eine der Enten oben im Schlosse verzehren zu helfen – während der Jäger ihm die andre morgen für seine Mutter zustellen solle – verabschiedet worden. Margret war noch auf; sie könne doch nicht viel schlafen, sagte sie. Auch Bernhard, der im höchsten Grade durch das Gespräch mit dem Scherenschleifer aufgeregt war, floh lange der Schlaf, als er in den Federn lag; endlich siegte die Ermüdung und seine Augen schlossen sich.

      Fast eine Stunde später wurde die Klinke seiner Tür leise aufgehoben; dann bekam diese einen kurzen und heftigen Stoß, so daß sie ganz geräuschlos halb offen schnellte, und von einem Oellämpchen angeflimmert, vor dem sie bedeckend die Hand hielt, trat Lene in das Zimmer. Sie stellte das Lämpchen auf den Tisch, dann ein Buch vom größten Formate davor und näherte sich sacht dem Lager Bernhards. Dann schlug sie die Arme über der Brust zusammen, stand unbeweglich wie eine Statue und schien mit der größten Spannung seinem Atemholen zu lauschen. Endlich durchfuhr sie ein krampfhaftes Zucken oder eine innere heftige Bewegung; sie warf sich über das Bett, ihren linken Arm sacht über seine Brust und den Kopf neben dem seinen auf das Kissen legend, daß beider Atem sich vermischte. Bernhard flüsterte im Traume einen Namen.

      Lene fuhr zurück und wieder empor; ihre Glieder zitterten; sie ging und nahm die Lampe wieder, wobei das Buch umfiel; der Schein drang jetzt ungehindert und voll bis zu den Wimpern des Schläfers.

      »Ha, was ist? Wer ist da? Du?« fuhr er auf.

      Lene stellte ruhig das Licht wieder hin und kniete auf den kleinen Teppich vor dem Bette nieder, indem sie Brust und Arme daran legte.

      »Ich muß mit Euch reden,« sagte sie leise: »nehmt es nicht übel, ich mußte es, diese Nacht noch. Ihr habt mit ihm gesprochen?«

      »Mit ihm? – Ach ja, mit dem Wendels!«

      »Habt Ihr mir nichts zu sagen?«

      »Nein, Lene, als daß du mit dem Gesindel dich nicht abgeben sollst.«

      Bernhard war jetzt erst so vollständig erwacht, daß er mit Überlegung und Besinnung sprechen konnte; darum schwieg er eine Weile. Mahnte er das Mädchen zu eifrig ab, mit dem wilden Waldgesellen je wieder in Verkehr zu treten, so konnte er Hoffnungen in ihr erwecken, deren Aufkeimen ihm im höchsten Grade unangenehm gewesen wäre; tat er es nicht, so war sie imstande, der Versuchung nachzugeben, welche sie in die unstete und schweifende Lebensart zurücklockte, und vielleicht an einem innern, angeborenen Triebe ihres Blutes einen mächtigen Verbündeten hatte.

      »Höre, Lene,« sagte er, »du bist ein ordentliches und verständiges Mädchen; was sollte ich dir zu sagen haben? Du weißt, was du als Christin geworden bist und wirst dir nicht einfallen lassen, mit dem Heidenvolk davonzulaufen und dich ins Verderben zu stürzen.«

      »Was für einen Namen habt Ihr eben im Traume ausgesprochen?«

      »Ich? Im Traume? Hab' ich gesprochen? Was hast du denn zu horchen?«

      »Liebt Ihr sie?«

      Bernhard fuhr mit der Hand über die Stirn.

      »Es kommen einem allerhand Gedanken im Traume,« sagte er; »ich weiß nicht, was du meinst.«

      »Es ist gut,« sagte Lene mit einer tonlosen Stimme; »ich hab' es wohl gedacht. Es ist gut; ich weiß, woran ich bin.«

      »Hör', Lene, geh' jetzt, es schickt sich nicht, daß du hier bist.«

      »Wir sind noch nicht zu Ende, Herr,« sagte Lene und schlug ihre Hände vor's Gesicht; ein Strom von Tränen quoll hindurch und tröpfelte auf die Kissen. Sie legte den Kopf darauf.

      »Um Gottes willen, was hast du, Mädchen? Was fehlt dir?«

      »Ein Wort! O nur ein Wort – ob Ihr das Fräulein liebt?!«

      »Das Fräulein? Lene, ich bin nicht viel reicher und vornehmer als du!«

      »Ist das der einzige Grund, daß Ihr nicht an sie denkt?«

      »Nun ja.«

      Lene drückte ihren Kopf tiefer in die Kissen.

      »Willst du jetzt gehen und ruhiger sein? Denk' an Gott, Mädchen, das ist das Beste.«

      »Der hilft viel!« sagte sie, sich aufrichtend und ihre Augen mit der Schürze trocknend; ihre Stimme war fester geworden und etwas Zorniges, Verbissenes in ihrem Tone.

      »Aber Euch kann ich helfen,« fuhr sie fort. »Ich bin ein armes Mädchen, das niemand hat, der sich um es kümmert.«

      »Sprich nicht so; hast du an uns nicht Freunde?«

      Lene sah schweigend in sein Gesicht. – Ich wollte, Ihr wäret es; ja, ich habe es zuweilen gehofft; wir hätten glücklich und ruhig zusammen sein können, und wir wären beide so geblieben, wie man uns aufgezogen hat, und das ist das Beste. Jetzt werden unsre Wege weit auseinander laufen; Ihr werdet über ein oder über zwei Jahre Euch schämen oder tun, als wäret Ihr nicht zu Hause, wenn man Euch sagt, die arme Lene sei da und wolle mit Euch sprechen. Es macht nichts; ich werde vielleicht doch СКАЧАТЬ